Eine toxische Beziehung ist nicht immer leicht zu erkennen, aber häufig von narzisstischen und manipulativen Verhaltensweisen des Partners oder der Partnerin geprägt. Diese Warnsignale solltest du kennen.
Toxische Beziehung: Steckst du in einer?
Niemand will freiwillig in einer toxischen Beziehung landen – und trotzdem kommt es immer wieder vor, dass wir an den falschen Partner oder die falsche Partnerin gelangen. Sogar jede dritte Person in Deutschland war bereits in einer toxischen Beziehung – das hat eine Studie der Online-Partnervermittlung Parship herausgefunden. Frauen leiden dabei sogar häufiger unter dem toxischen Verhalten des Partners oder der Partnerin (41 Prozent). Am Ende fragen sich sicherlich viele, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Und das ist genau der springende Punkt: Meist wirkt die Partnerschaft am Anfang noch wahnsinnig perfekt, sodass man die sich einschleichenden Warnsignale vielleicht einfach übersehen möchte oder sich schönredet.
Ursachen für eine toxische Beziehung erkennen
Häufig bleiben wir auch in dysfunktionalen Beziehungen stecken, wenn unser Selbstwertgefühl gering ist und wir uns nach der Anerkennung des Partners oder der Partnerin sehnen. Und weil auf Tiefpunkte häufig auch wieder Höhenflüge folgen, fällt es besonders in Momenten, in denen "alles wieder gut ist", schwer, die toxischen Muster überhaupt erst zu erkennen. Fest steht: Eine ungesunde Partnerschaft kann krank machen. Und daher ist es umso wichtiger, sie frühzeitig zu erkennen.
Woran erkenne ich eine toxische Beziehung?
Du solltest auf jeden Fall hellhörig werden, wenn dich in der Beziehung irgendwann das Gefühl beschleicht: Irgendetwas stimmt hier nicht. Wenn die Beziehung dich mehr Anstrengungen kostet, als dass sie dir Zufriedenheit schenkt, dann ist das auf jeden Fall ein wichtiges Warnsignal. Folgende Anzeichen tauchen in toxischen Beziehungen immer wieder auf und können auf eine dysfunktionale Partnerschaft hindeuten:
1. Man kann es dem Partner/der Partnerin nie recht machen
Egal wie sehr man sich angestrengt, immer wieder macht der andere Part in der Beziehung Vorwürfe, die einen an den eigenen Fähigkeiten oder dem eigenen Wert zweifeln lassen. Das kann sich an genervten und absurden Fragen wie "Was hast du heute wieder an? Und geht bis zu: Wie isst du? Wie gähnst du? Oder warum atmest du so laut?" zeigen, verrät der Paartherapeut Christian Hemschemeier dem SWR.
2. Extreme Stimmungsschwankungen
Man kann nie wissen, auf welchem Fuß man den Partner oder die Partnerin gerade erwischt. Im einen Moment überschüttet die Person die andere mit Liebesbekundungen ("Love-Bombing"), im nächsten wird er oder sie total aufbrausend. Die Beziehung fühlt sich dadurch wie eine Achterbahnfahrt an. Häufig nehmen die schönen Momente auch immer weiter ab und die Tiefpunkte überwiegen.
3. Man kann nicht man selbst sein
Um von dem Partner oder der Partnerin akzeptiert und bestätigt zu werden, muss man sich gefühlt komplett verbiegen und vorspielen, eine andere Person zu sein, als man eigentlich ist.
4. Isolation
Es finden kaum noch Treffen mit Freund:innen statt – zum Beispiel, weil Eifersuchtsgefühle eine Rolle spielen. Der Partner oder die Partnerin versucht dich immer mehr zu kontrollieren und will zum Beispiel nicht, dass du dich mit Freund:innen triffst. Vielleicht ziehst du dich aber sogar selbst aus Scham vor deinem Freundeskreis zurück, weil deine Freund:innen dir schon oft gesagt haben, dass dir dein Partner oder deine Partnerin nicht mehr gut tut.
Buchtipps zum Thema "Toxische Beziehung"
- Du bist Gift für mich: Wie du lernst, aus toxischen Beziehungsmustern auszubrechen und dich wieder selbst zu lieben, von Tara-Luise Wittwer, mvg Verlag
- Giftige Beziehungen: Wenn andere uns krank machen, von Harriet Braiker, Fischer Verlage
- Die neue Dimension der Liebe, von Christian Hemschemeier, Arkana Verlag
- Und das soll Liebe sein? von Bärbel Wardetzki und Sonja R., dtv
5. Manipulation
Der toxische Partner oder Partnerin lügt und verdreht die Realität so sehr, dass du immer mehr an dir zweifelst und irgendwann nicht mehr weißt, ob du dir nicht alles nur einbildest. Er oder sie spricht dir deine Wahrnehmung und deine Gefühle ab und schiebt Schuldzuweisungen zurück zu dir. Sprüche wie: "Du redest absoluten Blödsinn“, „Typisch! So bist du immer!" oder „Du bildest dir das nur ein“ werden dabei gerne verwendet.
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6. Egoismus
Ständig dreht es sich nur um die Probleme und Wünsche des anderen Partners/der Partnerin. Es wird kaum bis gar kein Interesse an der anderen Person gezeigt. "Menschen in narzisstischen Beziehungen sind so stark mit der Aufrechterhaltung ihres Selbstwertgefühls beschäftigt, dass ihnen die gefühlvolle Zuwendung zum anderen fehlt", sagt Bärbel Wardetzki, Psychotherapeutin und Narzissmus-Expertin.
7. Abhängigkeitsgefühle
Du fühlst dich immer mehr abhängig von deinem Partner oder deiner Partnerin und hast das Gefühl, dass du seine Aufmerksamkeit brauchst, um glücklich zu sein. Insbesondere, wenn der Freundeskreis bereits geschrumpft ist und du wenig Selbstwertgefühl hast, ist es besonders schwer, aus dieser Abhängigkeit auszubrechen.
Narzisstische Menschen haben kein »Wir-Gefühl, kein »Wir zwei miteinander, wir machen das.« Sie haben nur: »Ich brauche dich, damit es mir gut geht.«
Bärbel Wardetzki, Psychotherapeutin und Narzissmus-ExpertinTweet
Narzissmus als häufiges Muster in toxischen Beziehungen
In toxischen Beziehungen stehen die Bedürfnisse des einen dominant im Vordergrund und die Aufgabe des anderen ist es, sie zu erfüllen. "Narzissten haben kein Wir-Gefühl, kein 'Wir zwei miteinander, wir machen das. Wir leben das. Wir machen uns das Leben gut miteinander." Sie haben nur: "Ich brauche dich, damit es mir gut geht. Und deshalb muss du so sein, wie ich dich haben will" ,sagt die Münchner Psychotherapeutin und Narzissmus-Expertin Bärbel Wardetzki. "Menschen in narzisstischen Beziehungen sind so stark mit der Aufrechterhaltung ihres Selbstwertgefühls beschäftigt, dass ihnen die gefühlvolle Zuwendung zum anderen fehlt". Übrigens: Narzissmus ist auch ein ein Anzeichen bei Männern, die das "Peter-Pan-Syndrom" haben.
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Worunter Partner:innen von Narzissten leiden
Die Pandemie hat die Lage erschwert. Ein narzisstischer Persönlichkeitsstil kann es einem Menschen schwer machen, mit Einschränkungen, wie sie in der Corona-Krise notwendig wurden, angemessen und reif umzugehen. Online-Konferenzen können die Bestätigung von außen, die etwa Menschen mit narzisstischen Verhaltensmustern so dringend verlangen, nur unzureichend ersetzen. Die Aufmerksamkeit der Kollegen, Machtspiele, das Lob der Chefin, Bewunderung im Fitness-Studio, der große Auftritt auf einer Party, all diese Quellen der Aufwertung sind in der Corona-Pandemie nahezu versiegt. Der oder die Partnerin zu Hause war unter Umständen die einzige Person, die blieb. Auf sie wurde der ganze Ärger und Frust ausgeschüttet – die Lage in toxischen Beziehungen hatte sich verschärft.
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Toxische Beziehung: Wie kann ich mich schützen, wenn ich betroffen bin?
Für all jene, die dazu neigen, ihre Bedürfnisse und Wünsche hintenanzustellen, um den Partner bei Laune zu halten, die es gewohnt sind, Wut und Abwertung durch vorauseilende Gefälligkeit zu vermeiden, sollten in einem ersten Schritt versuchen, nicht nur auf den anderen gucken, sondern auch auf sich. Was brauche ich? Und vor allem: Wie kann ich Grenzen setzen?
Toxische Beziehung: Trennung oder Partnerschaft retten?
Wenn die eigene Beziehung nur noch Energie raubt und man zu einem Großteil der Zeit unglücklich ist, dann ist eine Trennung eigentlich eine naheliegende Option. Doch das ist manchmal leichter gesagt, als getan: Viele Betroffene harren weiterhin in einer toxischen Beziehung aus, weil sie emotional abhängig vom Partner oder der Partnerin sind. Auch die Angst vor dem Alleinsein trägt häufig dazu bei, dass man lieber in der unbefriedigenden Partnerschaft bleibt. Eine Studie von US-Wissenschaftler:innen aus dem Jahr 2013 ergab, dass Menschen, die sich vor dem Single-Leben fürchten, eher dazu neigen, toxische Beziehungen zu ertragen. Die sytemische Beraterin und Coachin Annika Felber rät: Solche Personen sollten sich zunächst mit ihrem eigenen Selbstwert und Selbstvertrauen auseinandersetzen und den Fokus auf sich selbst richten, um dann eventuell zu merken: Ich brauche meinen Partner oder meine Partnerin gar nicht, um glücklich zu sein!
Toxische Beziehung: Gibt es Heilung?
Auf die Frage, ob sich eine toxische Beziehung heilen lässt, gibt es keine eindeutige Antwort. Wichtigste Voraussetzung dafür ist laut Felber, dass sich beide Partner:innen ungesunde Beziehungsmuster eingestehen und gewillt sind, an sich selbst und der Partnerschaft zu arbeiten – dabei kann eine Paartherapie helfen. Auch sollte sich ehrlich gefragt werden: Liebe ich meinen Partner oder meine Partnerin wirklich noch so sehr, dass ich der Beziehung noch eine Chance geben möchte? Häufig gibt uns unser Bauchgefühl schon die richtigen Zeichen.
Kontaktstellen, um sich Hilfe zu holen
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Online-Therapie Programm: Homeoffice, Social Distancing, Ausgangssperren und Quarantäne: Diese notwendigen Maßnahmen können die eigene Psyche vor große Herausforderungen stellen. Der Online-Therapie-Anbieter Selfapy stellt sein Programm zur Unterstützung bei Belastungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie derzeit komplett kostenfrei zur Verfügung.
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Telefonseelsorge: 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222
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Hilfe bei häuslicher Gewalt: Das Familienministerium hat die Kampagne „Stärker als Gewalt“ gestartet, um Betroffene zu unterstützen. Per Whatsapp, Online-Chat oder Telefon werden Hilfe und Beratung angeboten. Klare Botschaft: „Gewalt fängt nicht erst bei Schlägen an. Dazu gehört auch psychische Gewalt in Form von Demütigungen, Drohungen oder Einschüchterungen.“
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