Der Matilda-Effekt beschreibt mehr als einen Gender-Pay-Gap: Frauen kämpfen um Anerkennung in der Wissenschaft, sie werden bei der Finanzierung von Forschungsarbeiten immer noch diskriminiert.
Was ist der Matilda-Effekt?
Der Matilda-Effekt benennt eine systematische Diskriminierung aus der Forschung: Die Ergebnisse und Erfolge von Wissenschaftlerinnen werden systematisch verdrängt oder geleugnet – und stattdessen ihren männlichen Kollegen zugerechnet. In der Geschichte der Wissenschaft gab es viele Forscherpaare, die gemeinsam arbeiteten – unter dem Namen des Mannes wurden die Ergebnisse veröffentlicht. Ein Beispiel von konkreter Diskriminierung ist der Fall von Lise Meitner, die jahrzehntelang mit Otto Hahn in Deutschland arbeitete, und die 1939 erkannte, dass das, was sie vollbracht hatten, aber nicht erklären konnten, eine Kernspaltung war. 1944 bekam Otto Hahn allein den Nobelpreis für eine der größten gemeinschaftlichen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts.
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Die Diskussion um das Matilda-Phänomen begann aber erst 1993, angestoßen von Wissenschaftshistorikerin Margaret W. Rossiter. Rossiter wählte die Bezeichnung Matilda-Effekt zu Ehren von Matilda Joslyn Gage (1826-1889), einer Aktivistin, Freidenkerin, Autorin und Pionierin der amerikanischen Soziologie. Sie galt als Vorreiterin im Kampf um die Gleichberechtigung der Frau.
Sind Frauen heute in der wissenschaftlichen Forschung immer noch unsichtbar?
Der Frauenanteil in der Wissenschaft liegt weltweit bei weniger als einem Drittel. Immer noch sind Frauen als Rednerinnen auf Konferenzen und wissenschaftlichen Kongressen oder als Verfasserinnen von Publikationen unterrepräsentiert. Ihre Bezahlung liegt unter der ihrer männlichen Kollegen. Schon bei der Vergabe der Forschungsaufträge beginnt die Ungleichbehandlung, die sich weiterführt. Werden Forschungsgelder bewilligt, liegen die meist unter den Summen, die männlichen Forschern zugeteilt werden. Auch die Zahl der Hochschulpräsidentinnen ist gering: Drei Viertel der Universitäten werden von Männern geleitet.
Es tut sich was: Initiativen gegen den Matilda-Effekt
- In Deutschland rückt das Thema am Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft am 11. Februar in den Fokus. Hochschulen fördern inzwischen gezielt Frauen als Doktorandinnen in MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik)- Fächern (hier stellen wir euch Frauen im MINT-Berufen vor), außerdem existieren Zielvereinbarungen mit Hochschulen zur Frauen- und Familienförderung oder Programme zur finanziellen Unterstützung. Daran arbeitet man aktuell: Arbeitszeiten in den Forschungsinstituten müssen familienfreundlicher werden.
- Vertragliche Standards wie Arbeitsverträge, die auf Zeit- und Altersbegrenzungen sowie Mobilitätszwang basieren, sollen verändert werden – dafür sorgen Frauenbeauftragte in Universitäten.
- An vielen Universitäten werden Mentoring-Programme etabliert, in denen berufserfahrene Frauen in einer Eins-zu-Eins-Betreuung junge Wissenschaftlerinnen individuell an der Schnittstelle zwischen Studium, Promotion und Beruf bei ihrer beruflichen Orientierung und Karriereplanung unterstützt. Das vom wissenschaftlichen Nachwuchs verlangte Auslandsjahr gilt als familienfeindlich und soll entfallen.
- Eine Molekularbiologin aus den USA, Maryam Zaringhalam, will Wissenschaftlerinnen in die Öffentlichkeit bringen, um ihnen zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen. Ihre Idee: Dafür zu sorgen, dass es mehr und längere Artikel über Wissenschaftlerinnen auf Wikipedia gibt. Denn dort fände man hauptsächlich ausführliche biografische Würdigungen von Männern - ebenfalls von Männern geschrieben.
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