Schluss mit Schuldzuweisungen: Wie kann man die Beziehung retten? Paartherapeutin Julia Weidenbach erklärt die emotionsfokussierte Paartherapie (EFT).
Beziehung retten: Mit emotionsfokussierter Paartherapie
Die erste Sitzung: Es hat Marc Überwindung gekostet, zur Paartherapie mitzukommen. Aber sie müssen dringend etwas unternehmen, ist nun auch seine Meinung. Seit das Baby da ist, hat er den Eindruck, es seiner Freundin mit nichts recht machen zu können. Ihre Vorwürfe werden ihm irgendwann zu viel, er zieht sich zurück, am liebsten aufs Rennrad. Anna reagiert empört auf diese Schilderung: Sie will ja nur etwas Unterstützung und hat das Gefühl, Marc mit ihren Bitten nicht mehr zu erreichen – nur das Rennrad sei ihm wichtig.
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So lebt ihr eine glückliche Beziehung
Schnell wird deutlich: Der jeweilige Anlass für die Auseinandersetzungen spielt eigentlich keine Rolle. Mal geht es darum, wer mehr im Haushalt macht oder wer einen besseren Plan bei der Babypflege hat oder sie können sich auf keine Netflix-Serie einigen. In der Paartherapie können sie sich bemühen, diese Themen konstruktiv zu besprechen und Kompromisse zu schließen – mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit werden sie in der nächsten Sitzung aber ein neues Thema präsentieren, und es geht von vorne los.
Streit bedroht die Beziehung
Marc und Anna wissen sehr wohl, wie man gut miteinander kommuniziert, bei der Arbeit beweisen sie das oft genug. Wieso haben sie dennoch das Gefühl, die Kluft zwischen sich nicht mehr überbrücken zu können, so sehr sie sich auch bemühen? Beiden gibt die Beziehung keine Sicherheit mehr, im Gegenteil: Durch die ständigen Streitereien fühlen sie sich sogar bedroht. Statt Nähe und Geborgenheit liefern sie sich gegenseitig Signale des Protests und Alarms – im Grunde nicht anders als ihr Baby, wenn es sich alleine fühlt. Unbewusst reagieren sie auf die Angst vor dem Verlust von Liebe, die existenziell bedeutsam ist. So beschreibt die kanadische Paartherapeutin Sue Johnson Krisen wie die von Anna und Marc. In ihrem Buch „Halt mich fest“ ermutigt sie Paare, anzuerkennen, dass sie voneinander ähnlich abhängig sind wie ein Kind von der Bezugsperson, bei der es Trost und Schutz findet. Paartherapeuten erklärt Sue Johnson in Vorträgen und Fortbildungen, dass sie mit rationalen Analysen und Kommunikationstechniken bei Paaren wie Marc und Anna nicht weiterkommen.
Wir brauchen Nähe und Geborgenheit und suchen auch als Erwachsene einen sicheren Hafen, in den wir uns zurückziehen können
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Emotionsfokussierte Paartherapie (EFT) als Weg
Sue Johnsons Konzept der emotionsfokussierten Paartherapie (kurz: EFT) gilt als besonders erfolgreich. Es basiert auf der bereits gut erforschten Bindungstheorie. Die beschreibt unter anderem unterschiedliche Formen der Bindung von Babys zu ihren Bezugspersonen und geht davon aus, dass eine sichere Bindung wichtig für unsere emotionale Entwicklung ist. Auch in erwachsenen Liebesbeziehungen geht es laut EFT immer um Bindung. Wir brauchen Nähe und Geborgenheit und suchen auch als Erwachsene einen sicheren Hafen, in den wir uns zurückziehen können, wenn uns die Welt da draußen unbekannt, abweisend oder gefährlich erscheint.
Emotionale Abhängigkeit in Beziehungen
Aber ist es nicht auch wichtig, eigenständig zu sein und sich selbst zu genügen? Gerade in unserer individualistischen Gesellschaft fällt es vielen schwer, sich einzugestehen, wie emotional abhängig sie von anderen sind, sagt Sue Johnson. Kleine Kinder beginnen die Welt zu erkunden und können sich am besten auf Unbekanntes einlassen, wenn sie wissen, dass sie jederzeit in die schützenden Arme der Eltern zurückkehren können. Gerade in einer sicheren Liebesbeziehung gelingt es uns also, Eigenständigkeit zu bewahren und dem anderen Freiheit zuzugestehen. Wer unsicher ist, klammert. Oder fordert ständig Unabhängigkeit ein.
Helfen kann nur ein Partner, der wieder emotionale Sicherheit und Nähe vermittelt.
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Bewusstsein ist der erste Schritt
Annas und Marcs Streitereien sind misslungene Appelle an den anderen, Verbundenheit herzustellen. Wenn wir den Verlust von Liebe befürchten, ringen wir um Aufmerksamkeit. Wir fordern wie Anna oder geben uns unnahbar wie Marc. Beide Strategien – Angriff wie Rückzug – führen aber in einen Teufelskreis, der ein Paar immer weiter auseinanderbringt. Denn für den anderen ist der eigentliche Appell nicht zu erkennen, stattdessen sieht er sich in seinen Befürchtungen bestätigt. Der erste Schritt in der emotionsfokussierten Paartherapie ist also, dass das Paar den Teufelskreis als solchen erkennt.
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Dieser Ansatz ist nicht neu, in vielen paartherapeutischen Ausbildungen geht es darum. Aber rationale Analyse und bessere Kommunikationsregeln lösen nicht das zugrundeliegende Problem, argumentiert Johnson: Helfen kann nur ein Partner, der wieder emotionale Sicherheit und Nähe vermittelt. Doch wie soll das gehen, wenn die einzige Emotion, die im Raum spürbar ist, Wut ist?
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Allen Emotionen einen Raum geben
Weil Sue Johnson glaubte, in ihren Paartherapien immer wieder in einer Sackgasse zu stecken, analysierte sie die Videoaufzeichnungen jener Sitzungen, nach denen die Paare von einer tatsächlichen Verbesserung berichteten. Was sie sah, waren Schlüsselmomente, in denen es den Partnern gelang, sich gegenseitig ihre Verletzlichkeit und Sehnsucht nach Verbundenheit zu offenbaren. Basierend auf dieser Erkenntnis entwickelte sie einen Leitfaden für EFT-Therapeuten. Zentrale Aufgabe ist es, das Bedürfnis nach Bindung in den Sitzungen spürbar zu machen: Momente abzupassen, wenn hinter Wut und Enttäuschung andere Empfindungen auftauchen. Dann geht es darum, immer wieder nachzufragen und besondere Augenblicke zu ermöglichen, in denen jemand sich trotz aller Verwerfungen offen zeigt.
Ich brauche dich. Ich habe eine Riesenangst, dich zu verlieren
Botschaft der EFT-MethodeTweet
Die Videos von Johnsons Sitzungen, die in der EFT-Ausbildung gezeigt werden, wirken auf Mitteleuropäer manchmal etwas ungewohnt. Sie erinnern an Familiendramen im Theater oder Film, wenn es nach heftigen Auseinandersetzungen eine echte Aussprache gibt und die Figuren in der Lage sind, über ihre Gefühle zu sprechen. Die Botschaft ist dann oft geradezu entwaffnend einfach: „Ich brauche dich. Ich habe eine Riesenangst, dich zu verlieren.“ Eine große Aussprache löst jedoch meist noch keine Probleme. Diese Momente müssen immer wieder entwickelt werden. Und die neu entstandene Bindung muss auch in Lösungen für konkrete Themen übersetzt werden.
Ehrlich kommunizieren, was auf dem Herzen liegt
Bei Marc und Anna dauert dieser Prozess nicht lange. Schnell wird deutlich, dass ihre Beziehung früher durchaus von Sicherheit geprägt war – die die Geburt des Babys ins Wanken gebracht hat. Anna gesteht, dass sie im Umgang mit dem Baby genauso unsicher ist wie Marc. Zudem sorgt sie sich, ihn zu schnell zu einem Kind überredet zu haben. Tiefe Verunsicherung steckt hinter ihrer Wut darüber, dass er sie nach der Geburt immer nur kurz im Krankenhaus besuchte, weil er angeblich beruflich eingespannt war. Er erklärt, dass er seine Energie für die Zeit danach bewahren wollte. Und kann Anna nun sagen, dass er sich in dieser Zeit in der Wohnung schrecklich alleine vorkam, weil er ihre Nähe zu dem Neugeborenen nicht teilen konnte.
Bindung schaffen durch eine Paartherapie
Marc und Anna haben mithilfe dieser Therapieform Sicherheit zurückgewonnen, sie fühlen sich wieder geschätzt und können Verletzungen aussprechen. Selbst wenn manche Menschen ein dickes Päckchen von Enttäuschungen und Verlust aus der Kindheit oder früheren Beziehungen mit sich herumtragen, ist es laut EFT (Therapeut*innen unter eft-paartherapie.de) möglich, neue Bindung zu gestalten.
Auch wenn die Methode laut verschiedener Studien eine hohe Erfolgsquote hat, sollten Paare nicht erwarten, eine Art schnelle Wunderheilung für ihre Probleme zu finden – am Ende gibt es eben doch kein Patentrezept, das immer funktioniert. Aber die Methode macht Mut und zeigt, dass es sich lohnt, sich auf den Weg zu einer größeren emotionalen Verbundenheit zu machen.
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