"Bin ich toxisch?" – Überall werden wir vor toxischen Partner:innen gewarnt. Aber was, wenn man vielleicht sogar selbst die Person ist, die durch ungesundes Verhalten zu einer toxischen Beziehung beiträgt? Anhand der folgenden Anzeichen kannst du es erkennen.
Bin ich toxisch? Warum wir uns diese Frage in Beziehungen stellen sollten
Toxische Beziehungen lassen sich meist daran erkennen, dass uns ein bestimmter Partner oder eine Partnerin nicht gut tut. Man erlebt Wechselbäder der Gefühle und weiß einfach nicht, woran an bei einer Person ist. Und obwohl toxische Beziehungen zermürbend sind und uns sogar krank machen können, ist es manchmal gar nicht so leicht, das toxische Verhalten einer Person auch als ein solches zu entlarven. Denn häufig tendieren wir dazu, uns bestimmte Handlungen einfach schönzureden und vielleicht sogar zu entschuldigen.
Ähnlich ist das auch im umgekehrten Fall: wenn wir uns in einer Beziehung oder auch in einer Freundschaft selbst toxisch verhalten, dann sind wir uns dem wohl in den seltensten Fällen bewusst und machen vermutlich eher unser Gegenüber für Probleme in der Beziehung verantwortlich. Für toxische Personen erfordert es jede Menge Mut und Selbstreflexion um einzusehen, dass sie einem anderen Menschen schaden. Wenn du dich nun selbst fragst, ob du vielleicht der "giftige" Part bist, kannst du dein eigenes Verhalten überprüfen und anhand dieser Anzeichen checken, ob du selbst zu einer ungesunden Beziehung oder Freundschaft beiträgst. Außerdem erhältst du Tipps, wie du dein Verhalten möglicherweise ändern kannst.
Anzeichen für toxisches Verhalten in Beziehungen
1. In Gesprächen geht es hauptsächlich um dich
Unterbrichst du deinen Partner oder deine Partnerin manchmal, weil du vermeintlich schon zu wissen scheinst, worauf sie oder er hinaus will? Beziehst du die Sorgen und Probleme der anderen Person häufig direkt auf deine eigene Situation? Denkst du häufig gar nicht daran, dein Gegenüber danach zu fragen, wie es ihm/ihr geht, sondern gehst direkt ins Mitteilen deiner eigenen Gedanken? Das können Anzeichen toxischen Verhaltens in Beziehungen sein. Natürlich hat jeder Mensch ein unterschiedlich hohes Mitteilungsbedürfnis, aber im Prinzip wollen wir alle gesehen, gehört und wertgeschätzt werden. Wenn die Kommunikation ständig nur einseitig verläuft, dann signalisiert das dem Gegenüber mangelndes Interesse und für ihn oder sie könnte es kraftraubend sein, sich ständig nur auf deine Probleme zu konzentrieren.
Das kannst du tun: Lasse auch dein Gegenüber regelmäßig zu Wort kommen und übe dich in richtigem Zuhören. Nur durch aufrichtiges Zuhören können wir eine zwischenmenschliche Bindung schaffen und unserem Partner oder unserer Partnerin dadurch zeigen, dass uns ihre Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse wichtig sind. Dabei kann dir die Gesprächstechnik des aktiven Zuhörens helfen, die auf den Psychologen Carl Rogers zurück geht. Er hat diese Technik entwickelt, um die Selbstakzeptanz seiner Klient:innen zu fördern, indem er ihnen im Gespräch mit Empathie und Akzeptanz begegnete – die sich dadurch sofort besser verstanden fühlten.
So funktioniert aktives Zuhören:
- Aktives Verfolgen des Gesagten – sei komplett präsent und zeige durch Blickkontakt oder Nicken, dass du aufmerksam zuhörst.
- Aktives Verstehen der Botschaft – versuche, den Kern des Gesagten in eigenen Worten zu paraphrasieren und zeige dadurch, dass du die Botschaft verstanden hast.
- Versuche dann, den emotionalen Inhalt einer Botschaft zu verstehen und wiederzugeben – du liest quasi heraus, welche Emotionen sich hinter dem Gesagten des Gegenübers befinden und spiegelst zurück, was bei dir angekommen ist.
2. Du handelst aus Eifersucht
In toxischen Beziehungen können sich häufig auch ungesunde Eifersuchtsmuster entwickeln. Wir interpretieren möglicherweise in jede Kleinigkeit Dinge, die nur in unsere Köpfen existent sind, und steigern uns in ein Gefühl von Misstrauen hinein. Vielleicht denken wir, dass wir betrogen werden oder dass uns die andere Person uns einfach nicht mehr liebt. Häufig enden solche Mutmaßungen leider in einem toxischen Kontrollverhalten wie ständigen Anrufen oder Textnachrichten. Vielleicht checken wir heimlich die Nachrichten auf dem Handy des oder der anderen. Oder werfen unserem Gegenüber lauter Vorwürfe an den Kopf ("Du liebst mich ja eigentlich schon längst nicht mehr!" oder "Warum ist xy dir plötzlich wichtiger als ich?"), weil wir tief in unserem Inneren die ständige Bestätigung suchen, dass wir noch geliebt werden.
Das heißt, häufig liegen eifersüchtigem Verhalten Ursachen wie Verlustängste oder schwere Selbstzweifel zugrunde. Auf Dauer können eifersüchtige Handlungen nicht nur zermürbend und anstrengend für die andere Person sein, sie sind auch nicht wirklich konstruktiv für eine gesunde Beziehung. Natürlich muss nicht jede Form von Eifersucht direkt toxisch sein. "Wer wirklich liebt, kennt auch Eifersuchtsgefühle. Denn Eifersucht ist immer der Wunsch, das Bestehende zu bewahren", schreibt der Diplom-Psychologe Dr. Wolfgang Krüger. In gewisser Hinsicht ist es wohl also ganz natürlich, dass wir ab und zu Neidgefühle entwickeln. Wenn wir aber nur noch aus der Eifersucht heraus handeln, dann sollten wir etwas an diesem ungesunden Verhalten ändern.
Das kannst du tun: Statt unüberlegt Vorwürfe zu äußern, reflektiere ehrlich, woher deine eifersüchtigen Gefühle kommen und ob die Schuld hier wirklich in dem Verhalten deines Partners oder deiner Partnerin liegt. Wenn du das nächste Mal merkst, dass Zweifel in dir aufkommen, dann versuche deine Bedürfnisse und Gefühle klar zu kommunizieren. Vielleicht hilft es sogar, deine Eifersuchtsgefühle ehrlich vor deinem Partner oder deiner Partnerin zuzugeben, damit ihr gemeinsam schauen könnt, wie ihr damit umgehen wollt. Wer seine Selbstzweifel nicht von alleine in den Griff bekommt, darf sich dabei auch professionelle Unterstützung suchen.
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3. Du bist zu harmoniebedürftig
Nichts ist schlecht daran, wenn eine Beziehung harmonisch verläuft. Wenn du Harmonie allerdings um jeden Preis zu erzwingen versuchst, dann könnte das ein Warnsignal sein. Vielleicht schweigst du dann einfach über Dinge hinweg, die dich eigentlich stören. Oder du sprichst deine Bedürfnisse nicht klar und deutlich an, sagst passiv-aggressive Dinge wie "passt schon" oder "alles gut", aus Angst, deinem Gegenüber vor den Kopf zu stoßen. Damit schadest du nicht nur dir selbst, sondern auch deinem Partner oder deiner Partnerin und eurer Beziehung. Niemand kann schließlich in deinen Kopf schauen und für das Gegenüber kann es ganz schön ermüdend sein, ständig zu erraten, was dich gerade stört.
Das kannst du tun: Lerne zu verstehen, dass sich Streit und eine gesunde Beziehung nicht gegenseitig ausschließen müssen. Meinungsverschiedenheiten schaden nicht gleich der Partnerschaft, sondern können dabei helfen, sich gegenseitig besser zu verstehen. Wenn du konfliktscheu bist und du die Gefühle deines Gegenübers nicht verletzen willst, könnte dir das Prinzip der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg weiterhelfen. Dabei geht es darum, Inhalte so zu transportieren, dass Empathie deutlich wird und der/die Empfänger:in sich verstanden fühlt:
- Beschreibe eine konkreten Handlung des Partners/der Partnerin, die du beobachtet hast und die dich gestört hat
- Fasse die Gefühle zusammen, die durch diese Handlung ausgelöst wurden
- Formuliere deine Bedürfnisse, die hinter den Gefühlen stehen
- Bitte um eine konkrete Handlung
4. Du machst dein Glück von der anderen Person abhängig
Eine typisch toxische Verhaltensweise ist es außerdem, andere Menschen für das eigene Glück verantwortlich zu machen. Ein klassisches Beispiel: Du lässt deinen Frust ab und schilderst anderen Menschen im Detail, wie schlecht es dir gerade geht – und erwartest gleichzeitig, dass sie dir aus dem Misere helfen. Oder du braucht immer jemanden in deiner Nähe, damit du glücklich sein kannst: Wenn am Wochenende alle deine Freunde und Freundinnen schon verplant sind, machst du sie dafür verantwortlich, dass du zwei ereignislose Tage hattest. Solche Erwartungen und Forderungen solltest du nicht stellen. Mache dein persönliches Glück nicht von den Menschen in deinem Umfeld abhängig – denn dafür bist du ganz allein verantwortlich. Toxisch kann es vor allem werden, wenn du sich die andere Person dadurch immer mehr eingeengt, oder gar von dir ausgenutzt fühlt, weil sie all ihre Energie dafür aufbringen muss, um dich zufrieden zu stellen.
Das kannst du tun: Versuche dich von der Vorstellung zu lösen, dass dein Umfeld allein für deine Zufriedenheit sorgen kann. Vielleicht kannst du anfangen, mehr Zeit mit dir selbst zu verbringen und herauszufinden, welche Aktivitäten dich sonst noch glücklich machen. Frage dich auch ehrlich, warum es dir so schwer fällt, dein Glück selbst in die Hand zu nehmen und welche Ängste damit verbunden sind. Möglicherweise kann dir auch eine Therapie dabei helfen, diese Ängste loszulassen.
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5. Du kommentierst ständig die Macken anderer
Deine Freundin hat einen Ordnungsfimmel, der dir ständig auf die Nerven geht? Dein Partner ist immer unpünktlich? Deine Schwester hat einen Kleidungsstil, den du furchtbar findest? Toxische Menschen können es nicht lassen, die solche Macken anderer zu kommentieren und diese dadurch zu verunsichern. Dahinter können sich verschiedene Motive verstecken: Du bist vielleicht insgeheim neidisch darauf, dass deine Freundin ordentlicher ist als du und verbirgst deinen Neid hinter fiesen Kommentaren. Vielleicht gibt es dir auch ein Gefühl von Macht oder Stärke, wenn du die Schwächen anderer kommentierst, oder du nutzt ein solches Verhalten, um dein eigenes Selbstwertgefühl aufzuwerten. In gesunden Beziehungen sollten Gefühle wie Neid oder Schadenfreude aber keinen Platz haben.
Das kannst du tun: Akzeptiere, dass du andere Menschen nicht verändern kannst. Jeder Mensch, so auch du, hat seine Macken, Stärken und Schwächen, die ihn auch auszeichnen und besonders machen. Wenn du andere Menschen kritisieren musst, um dich dadurch selbst besser fühlen zu können, solltest du wahrscheinlich Selbstvertrauen lernen und auch dein Selbstbewusstsein stärken.
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