Feminismus im Alltag: Die patriarchalen Strukturen, in denen wir leben, werden wir leider nicht von heute auf morgen los. Aber wir können alle versuchen, sie ein wenig weiter aufzubrechen und laut zu sein – zum Beispiel mit diesen 10 Tipps für den Alltag.
Seit Jahrhunderten kämpfen Feminist:innen gegen sexistische Diskriminierung – und haben schon eine ganze Menge erreicht. Trotzdem sind wir auch 2023 von echter Gleichberechtigung noch weit entfernt. Viele Menschen, die Feminismus grundsätzlich gut finden und für Gleichberechtigung sind, haben trotzdem noch ein Problem damit, sich als Feminist:in zu bezeichnen. Laut Umfragen würden sich gerade einmal 28 Prozent der deutschen Frauen selbst als Feministin bezeichnen, bei den Männern nicht mal jeder Fünfte. Eine andere Studie zeigt, dass immer noch 23 Prozent der Männer und auch 18 Prozent der Frauen der Überzeugung sind, dass Feminismus mehr schadet als nützt. Die Ansicht, dass in unserer heutigen Zeit die traditionelle Männlichkeit bedroht sei, teilen hierzulande 26 Prozent der Männer und 18 Prozent der Frauen.
Wer für Gleichberechtigung ist, ist Feminist:in
Ein Grund dafür, dass sich so wenige Menschen als Feminist:innen bezeichnen, sind sicherlich Stereotype und Vorurteile. In einigen Kreisen hält sich noch heute die absurde Vorstellung, Feministinnen seien verbitterte Männerhasserinnen, hässlich und ungepflegt, die nur einen richtigen Mann bräuchten, der sie aus ihrer (sexuellen) Frustration herausholt.
Emma Watson sagte dazu schon 2015 in einem Interview:
If you stand for equality, then you’re a feminist. Sorry to tell you.
Emma WatsonTweet
Auf Deutsch: "Wenn du für Gleichberechtigung bist, dann bist du Feminist:in. Tut mir leid, dir das sagen zu müssen." Zuvor berichtet die Schauspielerin ebenfalls von ihren Beobachtungen, dass der Begriff "Feminismus" häufig mit Männerhass assoziiert wird, weswegen sich wenige Menschen gern als Feminist:in bezeichnen. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Das Ziel von Feminismus ist Gerechtigkeit, kein Hass. Männern soll nichts weggenommen werden – im Gegenteil. Auch sie profitieren davon, wenn sexistische Gesellschaftsstrukturen aufgebrochen werden.
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Feminismus im Alltag: Was wir tun können
Wir alle können unseren Beitrag dazu leisten, die Welt zu einem gleichberechtigteren Ort zu machen. Das heißt aber nicht, dass wir die Verantwortung für die patriarchalen Strukturen tragen, in denen wir leben. Das heißt nicht, dass wir Arbeit leisten oder etwas sagen müssen, um diese aufzubrechen und ansonsten "selbst schuld" sind. Das Problem sind gesellschaftliche, politische und institutionelle Strukturen, die Menschen diskriminieren. Trotzdem haben wir die Möglichkeit, einige Dinge in unserem eigenen Alltag zu überdenken und zu hinterfragen, um diesem System den Kampf anzusagen und selbst keine unbewussten Diskriminierungen zu reproduzieren. So können wir selbstbestimmter leben und auch anderen Frauen gegenüber besser sein.
1. Eine eigene Meinung bilden und diese vertreten
Die eigene und freie Meinung ist eines der wertvollsten Güter, die wir haben, in einer Demokratie wie Deutschland wird sie in Artikel 5 des Grundgesetzes gesichert. Versuche, dir zu relevanten Themen eine eigene Meinung zu bilden und diese immer wieder zu hinterfragen. Beziehe dabei verschiedene Standpunkte mit ein und schrecke nicht davor zurück, auch das Gespräch mit Menschen zu suchen, die ganz anders denken als du.
2. Andere Frauen unterstützen und solidarisch sein
Rivalitäten und Missgunst unter Frauen behindern, gerade in einer von männlichen Machtstrukturen geprägten (Arbeits-)welt. Viel zielführender ist ein solidarisches und motivierendes Miteinander. Lasst uns anderen Frauen den Rücken stärken, ihre Ideen sichtbar machen und zusammen zeigen, was wir drauf haben.
3. Feminismus intersektional denken
Gehe auf deinem Weg zu mehr Gleichberechtigung nicht nur von dir selbst aus. Menschen haben mit verschiedenen Formen von Diskriminierung zu kämpfen und es ist wichtig, dass wir diese mitdenken und möglichst viele unterschiedliche Perspektiven, beispielsweise von Schwarzen, behinderten und queeren Frauen sowie inter* und trans* Personen, berücksichtigen. Als Begründerin der Intersektionalität gilt die US-amerikanische Juristin und Professorin Kimberlé Crenshaw.
4. Wut zulassen und zeigen
Mädchen werden von klein auf so erzogen, dass sie nett, ruhig und bescheiden sein und nicht widersprechen sollen. EMOTION-Autorin Kristina Appel hat einen Artikel darüber geschrieben, weshalb weibliche Wut so wichtig ist – und wie sie die Welt verändern kann. "Frauen gelten schon als "angry women", als keifende Weiber, wenn sie Probleme nur ansprechen", schreibt sie. "Offen Kritik zu üben macht Frauen zu Meckerziegen und Männer zu guten Managern." Wenn wir unseren Ärger für uns behalten, dann halten wir uns selbst zurück. Deshalb: Wut rauslassen und nicht unterdrücken, sie gehört zu dir und darf ausgelebt werden.
5. Mutig sein
"Einer Frau steht Mut immer gut", sagte Antonia Rados im Interview mit EMOTION. Einer toller Satz, den sich jede Frau beherzigen sollte. Mutig sein bedeutet, Grenzen zu überwinden – aber auch welche zu setzen, laut zu sein, die eigene Stimme zu benutzen. Deine Komfortzone auch mal zu verlassen, lässt dich wachsen und macht dich stärker.
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6. Die eigene Sozialisierung hinterfragen
Wir alle werden in eine Gesellschaft hinein erzogen und nehmen dabei gewisse Dinge als gegeben hin. "Das macht man eben so" oder "das gehört sich nicht" hören wir als Kinder häufig. Jetzt, wo du deine eigenen Entscheidungen treffen kannst ist die beste Zeit um dich zu fragen: Aber wieso denn eigentlich (nicht)? Es ist nicht einfach, gesellschaftliche Strukturen zu erkennen und noch schwieriger, sie zu durchbrechen – aber in den allermeisten Fällen es lohnt es sich, wenn du dich fragst: Was würde ich eigentlich gern tun, wenn niemand mich dafür verurteilen würde?
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7. Eigene Entscheidungen treffen
Bin ich gut in dem, was ich tue? Sollte ich kündigen? Sieht diese Hose nicht irgendwie komisch an mir aus? Häufig verlassen wir uns bei Fragen, die uns selbst betreffen, viel zu sehr auf das Urteil von anderen. Natürlich kannst du um Rat fragen, aber die finale Entscheidungen solltest du nicht andere für dich treffen lassen.
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8. Mehr Bücher von Frauen lesen
Lesen ist gut für uns. Es hilft, verschiedenste Areale in unserem Gehirn zu aktivieren, wie etwa visuelle und motorische Areale, Sprachareale oder Areale unserer Emotionen. Wenn du mehr Bücher von Frauen liest schlägst du gleich zwei Fliegen mit einer Klappe und tust dir selbst und der Gleichberechtigung etwas Gutes. Denn Autorinnen sind in der Literatur immer noch unterrepräsentiert. Starten kannst du zum Beispiel mit diesen feministischen Büchern.
9. Allein unterwegs sein
Ob ins Café, Restaurant oder Kino – häufig sind wir bei solchen Unternehmungen mindestens zu zweit unterwegs. Die Hemmschwelle, alleine auszugehen, ist hoch, dabei hat es einige Vorteile, allein unterwegs zu sein. Man nimmt Sachen ganz anders wahr, kann komplett selbst entscheiden, was man macht und muss keine Kompromisse eingehen. Es ist befreiend und stärkt dein Selbstbewusstsein. Probier's mal aus! In Korea gibt es sogar ein Lebensmodell, das das bewusste Alleinsein zelebriert: "Honjok", was übersetzt Einpersonenstamm bedeutet. Das gilt übrigens auch für neue Hobbys. Du möchtest Salsa lernen, Klavierunterricht nehmen oder Bergsteigen? Aber niemand hat Lust, mit dir gemeinsam anzufangen? Hobbys eigenen sich wunderbar dafür, neue Menschen kennenzulernen. Also lass dich nicht aufhalten und mach dich schlau, wie du deine (neue) Leidenschaft lernen oder ausüben kannst.
10. Tolerant und offen bleiben!
Man sollte sich nie zu sehr in den eigenen Meinungen einrichten. Es ist wichtig, immer ein Auge auf die andere Perspektive zu werfen und sich auch gegenteilige Meinungen anzuhören. Nutze alle Möglichkeiten, dazu zu lernen, informiere dich und bleibe neugierig, trage deine Meinung nach außen, aber versuche, auch andere Sichtweisen zu akzeptieren und nachzuvollziehen. Das gilt natürlich nicht für Sexismus, Rassismus und Co. – denn das sind keine Meinungen.
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