Honjok ist koreanisch und bedeutet übersetzt Einpersonenstamm. Dahinter steht ein Lebensstil, der das bewusste Alleinsein zelebriert – ohne Ehe oder Kinder und entgegen der gesellschaftlichen Erwartungen.
Honjok: Die Kunst, glücklich mit sich allein zu leben
"Wieso bist du denn eigentlich Single?" – diese Frage wurde sicher vielen von uns schon einmal gestellt. Am besten mit dem Zusatz "du bist doch so hübsch...". Meist steckt hinter dieser Frage keine böse Absicht, aber sie entspricht der gesellschaftlichen Annahme, wir könnten uns nur in einer romantischen Liebesbeziehung komplett fühlen und glücklich sein. Schon von klein auf wird uns vermittelt, die Ehe und eine eigene Familie seien das ultimative Ziel im Leben. Das mag für einige auch genau das richtige Lebensmodell sein. Genauso kann es aber sein, dass Menschen statt einer Beziehung zu einer anderen Person die Beziehung zu sich selbst an oberste Stelle setzen und entscheiden, mit sich allein und nach den eigenen Bedürfnissen zu leben.
Honjok beschreibt das selbstgewählte Alleinsein
In Südkorea gibt es für dieses Lebensmodell eine eigene Bezeichnung: Honjok. Übersetzt heißt das Einpersonenstamm. Menschen, die nach diesem Prinzip bewusst und glücklich allein leben, bezeichnen sich als Honjokker:innen. In ihrem Buch "Honjok, Die Kunst, allein zu leben" (Allegria, 2020) schreiben Francie Healey und Crystal Tai: "Viele Honjokker heiraten nicht und entscheiden sich lieber dafür, das Leben allein und nach den eigenen Bedürfnissen zu gestalten."
Schluss mit den gesellschaftlichen Erwartungen
Erstmals tauchte der Begriff Honjok 2017 als Hashtag auf. Viele junge Koreaner:innen bildeten damit eine Gegenkultur zur kollektivistisch geprägten Gesellschaft Südkoreas und wandten sich von den Erwartungen ab, die an sie gestellt wurden. Insbesondere für Frauen ist das Alleineleben eine Möglichkeit, sich ihre Autonomie und Individualität zu bewahren. Denn leider ist es in Südkorea, so wie in vielen anderen Ländern, noch immer die Norm, dass Mütter ihren Arbeitsplatz verlieren und für die gesamte Care-Arbeit in der Familie verantwortlich sind.
Honjoker:innen sind unternehmungslustig
Honjok bedeutet nicht, komplett zurückgezogen zu leben. Healey und Tai schreiben: "Honjokker sind Menschen, die gern allein sind und dabei viel unternehmen, wobei sie Südkoreas gesellschaftliche Werte, die den Bedürfnissen und Wünschen der Gemeinschaft einen höheren Stellenwert einräumen als dem Individuum, eher kritisch sehen." Honjoker:innen gehen also aus und unternehmen die gleichen Dinge wie andere – nur eben auch gern allein.
Auch in Deutschland leben immer mehr Menschen allein
Doch nicht nur in Südkorea findet Honjok Anklang. In Deutschland steigt der Anteil der Singlehaushalte seit Jahren, zuletzt auf knapp 42 Prozent. Natürlich ist diese Lebensform nicht immer selbstgewählt, doch Studien zeigen: Nicht jede:r Alleinlebende hat auch automatisch mit Einsamkeit zu kämpfen. Das dürfte auch daran liegen, dass die romantische Paarbeziehung zunehmend ihren Status als die ultimative und einzige Möglichkeit zur Lebensgestaltung einbüßt. Klar, eine Beziehung kann wunderbar sein, doch auch tiefe Freund:innenschaften oder Wahlfamilien können unser Bedürfnis nach Nähe befriedigen.
Lernen, Zeit mit sich selbst wertzuschätzen
Am Ende muss jede:r für sich entscheiden, ob Honjok etwas für sie oder ihn ist. Was wir aber sicherlich alle aus dem Lebensmodell mitnehmen können, ist die Wertschätzung der Zeit mit uns selbst. Und hoffentlich das Learning, dass selbstgewähltes Alleinsein keineswegs bemitleidenswert ist, sondern bereichernd und ein Zeichen von Selbstliebe sein kann.
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