Ein Glückspilz hat nicht immer mehr Glück als andere, sondern manchmal auch die Fähigkeit, mit glücklichen Zufällen produktiv umzugehen. Serendipität nennt man das. Kann man das lernen?
Wenn ich darüber nachdenke, warum ich gerade auf dieser Veranda sitze und an diesem Text schreibe, erscheint alles als eine Verkettung von Zufällen. Meine Arbeit, meine Wohnsituation – nichts davon hatte ich noch vor einem Jahr so erwartet. Klar, es waren viele Schritte und durchaus weite und anstrengende Wege, doch die Türen haben sich dann ganz unverhofft geöffnet und an anderer Stelle als erwartet. So ist es ja oft. Wie hast Du etwa deine besten Freund:innen kenngelernt? Warum lebst Du heute in dieser und nicht in einer anderen Stadt? Und wie kommt es, dass du gerade diesen Text liest?
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Lassen sich Zufälle beeinflussen?
Beim Zufall scheiden sich die Gemüter. Manche vermuten dahinter etwas Übernatürliches, das Schicksal, was uns im Leben lenkt. Für andere ist der Zufall völlig willkürlich. Dinge passieren grundlos und sie bedeuten nichts weiter als das, was sie offensichtlich bedeuten. Der Autor Max Frisch hätte wohl zu einer dritten Gruppe gezählt, denn in einem seiner Tagebücher schrieb er: „Der Zufall zeigt mir, wofür ich zurzeit ein Auge habe, und ich höre, wofür ich eine Antenne habe.“ Heißt das umgekehrt, dass sich dieser Zufall beeinflussen lässt? Indem ich etwa meine Antennen ausstrecke? Und meine Ohren öffne?
Ja! Zumindest ist das eine Annahme, die hinter dem Begriff Serendipität steckt. Der Begriff geht auf eine Erzählung über drei Prinzen zurück, die auf ihrer Reise vieles entdeckten und für sich nutzten, was andere einfach übersahen. Sie stießen auf Dinge nach denen sie gar nicht suchten. Serendipität meint also die Fähigkeit, glückliche Zufälle wahrzunehmen und sich zu ihnen produktiv zu verhalten. Es heißt, nach rechts und links zu schauen und auf ein Ziel nicht immer gradlinig zuzusteuern. Es geht darum, den eigenen Blick zu öffnen. Und wie kann man das üben?
1. Kleine Häkchen auswerfen
Streue in ein Gespräch auch gerne ein paar Informationen, die nicht direkt mit dem Thema zu tun haben. So machst du es für die andere Person leichter, einen Anknüpfungspunkt zu finden. Vielleicht kommt so etwas Unerwartetes zustande?
2. Hab keine Angst vor Zurückweisung!
Oft hindert die Sorge abgelehnt zu werden daran, dass du etwas ausprobierst und sich daraus etwas positiv und unerwartet entwickeln kann. Indem du einen Wunsch äußerst, hilfst du dem glücklichen Zufall manchmal auf die Sprünge. Manchmal bringt es Glück nach den Sternen zu greifen.
3. Mit offenen Augen durch die Welt gehen
Wer Scheuklappen aufsetzt, wird wohl kaum das Geld auf der Straße sehen oder die Blumen im Park. Man kann sich darin üben, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen.
4. Ein glücklicher Zufall beendet Krisen
Gerade wenn alte Gewohnheiten erschüttert wurden, ist manchmal Platz für glückliche Zufälle. Vielleicht hat man dann den Blick für etwas, was im Alltag untergegangen wäre.
Auf vieles haben wir im Leben natürlich keinen Einfluss und es ist immer einfacher, sich für glückliche Zufälle zu öffnen, wenn man Muße und Zeit dafür hat. Das ist manchmal gar nicht so leicht, denn wer sehr eingebunden ist, hat vielleicht nicht die Kraft, aufmerksam und neugierig zu sein. Dass in der ursprünglichen Erzählung gerade drei Prinzen diesen offenen Blick für alles Zufällige hatten und es zu nutzen wussten, während sie ohne Existenzsorgen und Verantwortlichkeiten durch die Welt streunten, sagt schon einiges. Aber eben nicht alles. Serendipität kann man auch ein bisschen trainieren, wie einen Muskel. Vielleicht nimmst du deinen Alltag heute schon etwas aufmerksamer wahr.