Schmerzen beim Sex? Vaginismus kann die Ursache sein. Etwa 20% der Frauen in Deutschland haben Schmerzen beim Sex oder dem Einführen eines Tampons. Diese Übungen und eine neue App auf Rezept helfen gegen die Schmerzen.
Vaginismus – Was ist das?
Die Betroffenen haben solche Schmerzen im Unterbauch, dass Sex, das Einführen eines Tampons oder gynäkologische Untersuchungen oft unmöglich sind.
Meist kommt es plötzlich zu einer gefühlten Verkrampfung der Beckenbodenmuskulatur. Der Schmerz fühlt sich pochend, brennend, schneidend oder stechend an.
Tritt der Schmerz bei jedem Einführen auf, also unabhängig davon, ob es sich um einen Tampon oder das Spekulum bei einer gynäkologischen Untersuchung durch die Frauenärztin oder den Frauenarzt handelt, so wird dies als totaler Vaginismus bezeichnet.
Schmerzen beim Sex – Woher kommt das?
Die Ursachen von Vaginismus sind vielfältig. Es wird zwischen dem Primären und dem Sekundären Vaginismus unterschieden. Primärer Vaginismus ist angeboren und wird meist in der Pubertät entdeckt. Sekundärer Vaginismus kann aufgrund von traumatische Erfahrungen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sowie unsanften gynäkologische Untersuchungen entstehen. Weitere Auslöser können Angst, negative Gedanken oder ein gesteigertes Kontrollbedürfnis sein. Sekundärer Vaginismus kann in jeder Lebensphase auftreten und die Betroffenen auch ganz plötzlich treffen.
Die Folgen von Vaginismus
Die Betroffenen leiden auf unterschiedlichen Ebenen. Zum einen ist Vaginismus schmerzhaft, was in der Folge oft zu einer Vermeidung von Geschlechtsverkehr führt. Zum Anderen ist es eine starke psychische Belastung und geht meist mit Selbstzweifeln und Verzweiflung einher. Viele Menschen haben das Gefühl, nicht genug zu sein und ihrem Partner sexuell nicht zu genügen. Dies kann die Beziehung stark belasten, was wiederum Stress bei den Betroffenen auslöst und den Vaginismus womöglich noch verstärkt. Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen. Doch gerade weil vielen Menschen das Thema Vaginismus unbekannt ist und sie sich für ihr Problem schämen, vergeht oft viel Zeit, bis eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht wird. Zudem erschweren die Schmerzen oft eine gynäkologische Untersuchung.
Vaginismus: Was tun?
An erster Stelle sollte der Gang zur Gynäkologin oder zum Gynäkologen stehen. Auch wenn das oft mit einer großen emotionalen Anstrengung verbunden ist, so ist es der erste Schritt in Richtung Schmerzfreiheit.
Leider sind die Therapieangebote für Vaginismus immer noch sehr begrenzt. Seit kurzem gibt es jedoch eine App auf Rezept, die Vaginismus App von Hello Better. Die App hilft dabei, den Unterbauch gezielt zu entspannen und mit verschiedenen Übungen zu einer Schmerzfreiheit zurück zu finden. Für das Training wird ein etwa Tampon großer Kegel in die Scheide eingeführt, welcher mit einer App auf dem Smartphone gekoppelt ist. Mithilfe von Biofeedback, bekommt die Anwenderin eine Rückmeldung, ob die Übungen richtig ausgeführt werden. Da die App eine sogenannte DiGa, kurz für Digitale Gesundheitsanwendung, ist, kann sie von Ärzt:innen verschrieben werden und die Kosten werden von der Krankenkasse übernommen.
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Übungen für zu Hause
Zum Glück gibt es auch einige Übungen, die bequem von zu Hause aus durchgeführt werden können:
1. Entspannung üben
Progressive Muskelentspannung kann helfen die Beckenbodenmuskulatur zu entspannen und so dem Schmerz entgegenzuwirken.
2. Der emotionalen Belastung entgegenwirken
Vaginismus ist eine starke psychische Belastung. Oft begleiten die Betroffene Selbstzweifel, die Angst jemals schwanger werden zu können oder das Gefühl, nicht den Wünschen des Partners oder der Partnerin zu genügen. Dabei helfen aufbauende Gedanken und Gespräche mit Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Das ist leichter gesagt als getan, doch wenn wir der lieben Stimme in uns mehr zuhören als der kritischen, steigert das langfristig unser Wohlbefinden und hebt unseren Selbstwert. Während es früher schwer war, mit anderen Betroffenen in Kontakt zu treten, so erleichtert heutzutage unsere globale Vernetzung und die zunehmende Sichtbarkeit und Entstigmatisierung dieses Themas die Kontaktaufnahme. Es gibt Selbsthilfegruppen und Foren, offline wie auch in sozialen Netzwerken. Die Gewissheit, nicht allein mit seinen Schmerzen zu sein, kann bei dem Heilungsprozess helfen.
Viele Menschen zweifeln bei Vaginismus an der Beziehung zu ihrem Partner oder ihrer Partnerin. Auch von vielen Ärztinnen und Ärzten wird der Schmerz oft psychischen Einflüssen zugeschrieben und Betroffene werden in ihrem Leiden häufig nicht richtig wahrgenommen. Doch es gibt unglaublich viele Übungen, die zu Schmerzfreiheit und einer unbeschwerten Sexualität führen können.
3. Beckenboden trainieren
Der Beckenboden ist ein Geflecht aus Muskeln und Bindegewebe. Er stützt unsere Organe und wenn wir ihn anspannen, können wir unseren Enddarm, die Harnröhre und die Scheide ziemlich gut verschließen. Indem wir den Beckenboden trainieren, entwickeln wir auch ein besseres Gefühl für ihn und können ihn dann beim Sex bewusst entspannen, was die Schmerzen lindert.
Ein Klassiker unter den Beckenboden Übungen ist die klassische Anspannung – Entspannungsübung. Hierbei wird der Beckenboden zunächst angespannt, so als säßen wir auf der Toilette und wollten den Urinstrahl unterbrechen. Im Anschluss daran erfolgt die Entspannungsphase. Diese Übung lässt sich super in den Alltag integrieren, zum Beispiel während des Sitzens im Bus oder im Auto.
4. Vaginaltraining
In Absprache mit der Ärztin oder dem Arzt kann sogenanntes Vaginaltraining sinnvoll sein. Hierbei werden Dilatoren (konisch geformte Stäbe) verschiedener Größe sanft in die Scheide eingeführt, damit die Muskeln lernen nicht zu verkrampfen. Nach und nach ist oft eine schmerzfreie Einführung möglich. Das Training kann entspannt zu Hause, entweder alleine oder zusammen mit der Partnerin oder dem Partner durchgeführt werden.
5. Vaginale Selbstuntersuchung
Eine weitere sehr erfolgreiche Methode zur Heilung von Vaginismus ist die Vaginale Selbstuntersuchung. Sie bezeichnet das Erforschen, Entdecken und Verstehen des eigenen Körpers, insbesondere der Vulva und der Vagina. Entstanden in der Frauenrechtsbewegung der 1970er Jahre, hat es sich mittlerweile als eine gängige und überaus erfolgreiche Methode zur Heilung von Vaginismus etabliert. Bei der Vaginalen Selbstuntersuchung lernt der Mensch mithilfe seiner Hände oder eines Spekulums seinen Intimbereich besser kennen. Das kann helfen einen neuen Bezug zu seinem Körper herzustellen und sich in seiner Körperlichkeit neu wahrzunehmen.
6. Darüber sprechen!
Vaginismus ist oft mit Scham behaftet, was viele Betroffene davon abhält, sich Hilfe zu suchen. Das muss sich schleunigst ändern! In dem wir mit dem Thema offener Umgehen und mehr Sichtbarkeit dafür schaffen, holen wir es aus der Tabu-Ecke. Das erleichtert es Betroffenen, Hilfe und Unterstützung zu finden, diese anzunehmen und auf Dauer schmerzfrei zu Leben.
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