Positive Psychologie setzt den Grundstein für mehr Zufriedenheit im Leben. Wir verraten dir, wie das funktioniert und mit welchen Übungen du sofort anfangen kannst.
Positive Psychologie: Die Kunst, glücklich zu leben
Eigentlich geht es uns doch ziemlich gut. Wir Menschen in der "Ersten Welt" sind so reich, so gesund und leben so sicher wie niemals zuvor. Das führt aber nicht dazu, dass wir automatisch glücklich sind. Depression steht in Ländern mit mittlerem oder hohem Einkommen inzwischen an erster Stelle der Krankheitslast. Woran liegt das?
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Das Überleben ist gesichert
Unsere menschlichen Grundbedürfnisse können wir heutzutage schnell befriedigen. In Großstädten findet man nicht selten gleich mehrere Supermärkte im Umkreis von wenigen Hundert Metern, die alles anbieten, was das Herz begehrt. Wenn wir frieren, müssen wir kein Feuerholz mehr sammeln, sondern drehen einfach die Heizung auf. Aber was kommt, wenn unser Kühlschrank bis oben hin gefüllt ist und wir es uns in der warmen Wohnung gemütlich gemacht haben?
Bei der positiven Psychologie geht es nicht darum, Schäden zu begrenzen – und von minus acht auf minus zwei der Befindlichkeitsskala zu kommen. Sondern wie wir uns von plus zwei auf plus fünf verbessern können.
Martin Seligman, Psychologe Tweet
Positive Psychologie und die Frage: "Wozu das Ganze?"
Sobald wir nicht mehr mit dem eigenen Überleben beschäftigt sind, bleibt viel Raum für die großen Sinnfragen. Wozu das Ganze? Was will ich eigentlich? Was macht mein Leben lebenswert? Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist wohl eine der größten der Menschheit und sicherlich nicht richtig, falsch oder gar universell zu beantworten. Sich diese Frage nicht beantworten zu können, kann uns unzufrieden und unsicher machen.
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Nur wer sich wohlfühlt ist gesund
In der Satzung der WHO wird Gesundheit als "ein Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit oder Gebrechen" definiert. Zu einem erfüllten Leben gehört also nicht nur "gesund sein", sondern auch zufrieden.
Positive Psychologie: Was macht mein Leben lebenswert?
Die Psychologie hat sich lange Zeit mit negativen Gefühlen, psychischen Problemen und deren Behebung beschäftigt. Die positive Psychologie beschäftigt sich dagegen mit den Grundlagen eines "guten Lebens", mit dem, was das Leben lebenswert macht und mit begünstigenden Eigenschaften und Bedingungen des Wohlbefindens.
Die positive Psychologie richtet sich ausdrücklich nicht nur an Menschen mit psychischen Schwierigkeiten oder Krankheiten.
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Damit richtet sich die positive Psychologie ausdrücklich an alle Menschen. Sie soll kein Ersatz für Therapien sein, sondern eine Ergänzung im positiven Bereich. Der Psychologe Martin Seligman, der als Pionier im Gebiet der positiven Psychologie gilt, erklärte in der Zeitschrift "Psychologie heute": "Bei der positiven Psychologie geht es nicht darum, Schäden zu begrenzen – und von minus acht auf minus zwei der Befindlichkeitsskala zu kommen. Sondern wie wir uns von plus zwei auf plus fünf verbessern können."
Positive Psychologie: Konzentration auf das Positive
Statt zu fragen "Was ist falsch mit dir?", wie es sonst in der Psychologie häufig der Fall ist, fragt die positive Psychologie "Was ist besonders gut an dir?" und arbeitet mit positiven Gefühlen, um den Menschen ein erfülltes und glückliches Leben zu ermöglichen.
Glück entsteht in uns selbst
Jetzt bleibt natürlich die große Frage: Wie komme ich zu diesen positiven Gefühlen, wie werde ich glücklich? (Leider) gibt es keine gute Fee, die uns ab sofort jeden Wunsch erfüllt. Doch darum geht es auch gar nicht. Seligman fand heraus, dass Menschen, die ihre Charakterstärken erkannt haben und diese nutzen, am zufriedensten und optimistischsten sind.
Das unterschiedliche Glücksempfinden von Menschen ist nur zu 10 Prozent von äußeren Faktoren abhängig. Ganze 40 Prozent hingegen entstehen durch das eigene Denken und Handeln. Die positive Psychologie fördert daher aktiv die eigene Empfindung von Zufriedenheit.
Die Säulen der Zufriedenheit: Das PERMA-Modell
Martin Seligman benannte im PERMA-Modell fünf Säulen (Positive Emotions, Engagement, Positive Relationships, Meaning, Accomplishment), auf denen das persönliche Wohlbefinden und die eigene Zufriedenheit aufbauen:
1. Positive Emotionen
Einfach nur keine negativen Emotionen zu haben reicht nicht. Für unser Wohlbefinden ist es wichtig, positive Emotionen zu erleben, diese ganz bewusst und deutlich zu spüren und optimistisch zu sein.
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2. Engagement
Kennst du das Gefühl, dich total in etwas zu verlieren und plötzlich sind drei Stunden vergangen, ohne dass du es überhaupt gemerkt hast? Wenn ja: Glückwunsch! Das ist ein sogenanntes Flow-Erlebnis und unglaublich förderlich für das eigene Wohlbefinden. Die Aufmerksamkeit ist dabei vollkommen auf den Moment gerichtet und die Aufgabe fordert uns genau im richtigen Maße heraus. Man fühlt sich weder gelangweilt, noch überfordert. Experten empfehlen, sich in seinem Leben immer wieder Herausforderungen zu suchen, in denen man auf diese Weise aufgeht. Dabei kann der Flow überall entstehen: bei der Arbeit, in Computerspielen, aber auch bei kreativen Tätigkeiten. Extremsportler suchen den Flow beim Marathon, Freeclimbing oder Tiefseetauchen.
3. Soziale Beziehungen
Das Bedürfnis nach sozialen Beziehungen ist tief im Menschen verankert. Mehrere Studien belegen, dass die Abwesenheit sozialer Bindungen häufig unglücklich macht und Depressionen hervorrufen kann. Unsere sozialen Beziehungen sind daher ein wichtiger Grundstein der Selbstfürsorge und Zufriedenheit.
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4. Sinn erleben
Dem eigenen Leben Sinn verleihen. Aber wie? Seligman meint mit diesem Punkt, sich in den Dienst einer Sache zu stellen, von der man glaubt, sie sei größer als man selbst. Zum Beispiel kann das eine ehrenamtliche Tätigkeit sein, Engagement im politisch-gesellschaftlichen Bereich oder ein sinnstiftender Job. Sinn entsteht im Alltag dadurch, dass wir verstehen können, welche Bedeutung unser Tun für uns oder andere hat.
Sinn entsteht im Alltag dadurch, dass wir verstehen können, welche Bedeutung unser Tun für uns oder andere hat.
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5. Erfolg
Menschen fühlen sich gut, wenn sie erreichen, was sie sich vorgenommen haben. Sie erleben Selbstwirksamkeit, egal wie groß oder klein das erreichte Ziel ist. Dafür ist es wichtig, sich selbst immer wieder lang- und kurzfristige Ziele zu setzen und zu überlegen, wie man diese erreichen kann. Das positive Gefühl, wenn es endlich geschafft ist, sollte man dann bewusst und achtsam wahrnehmen und genießen.
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Drei Übungen für dein Glücksempfinden
Die positive Psychologie hat zahlreiche Übungen hervorgebracht, die das Glücksempfinden und die Zufriedenheit stärken sollen. Drei Klassiker stellen wir dir im Folgenden vor. Zum Teil war die Wirksamkeit dieser Übungen sogar noch drei bis sechs Monate nach der Durchführung bei Probanden nachweisbar.
- Übung 1: „Drei gute Dinge“ – der Tagesrückblick
Nimm dir mindestens eine Woche lang jeden Abend ein paar Minuten Zeit und lasse den Tag Revue passieren. Notiere dir drei Dinge, die heute positiv bzw. schön waren und schreibe auf, was du dazu beigetragen hast. Das müssen keine großen oder außergewöhnlichen Dinge sein. Vielleicht hast du ein schönes Gespräch mit einer Kollegin geführt oder dir dein Lieblingsessen zubereitet? Wenn du dich jetzt fragst, was dein Beitrag dazu war: Das könnte zum Beispiel die Zeit sein, die du dir zum Kochen genommen hast, deine freundliche Art deinen Kolleg*innen gegenüber oder du hast dir einfach einen Job mit einem tollen Team ausgesucht. Darüber nachzudenken, was du zu positiven Situationen beigetragen hast, stärkt die Selbstwirksamkeit und zeigt dir, durch welche Verhaltensweisen du positive Gefühle erlangst.
- Übung 2: Der Dankbarkeitsbesuch
Dankbarkeit ist eine sehr positive Emotion und kann Beziehungen stärken. Bei dieser Übung bedankst du dich bei einem Menschen, der - vielleicht auch schon vor längerer Zeit - etwas getan oder gesagt hat, was einen positiven Einfluss auf dein Leben hatte. Denke einmal darüber nach, wer das sein könnte. Am besten ist es jemand, der nicht zu weit entfernt wohnt und den du innerhalb der nächsten Woche besuchen könntest. Schreibe der Person einen Brief, in dem du deine Dankbarkeit ausdrückst, aber schicke ihn nicht ab. Wie genau der Brief aufgebaut ist und wie sehr er ins Detail geht, bleibt ganz dir überlassen. Dann verabredest du dich mit dem Menschen, ohne von dem Brief zu erzählen. Auch wenn es im ersten Moment etwas befremdlich erscheint, lies den Brief bei eurem Treffen vor und überreiche ihn anschließend. Diese Übung wird dich vielleicht Überwindung kosten, doch sowohl für dich als auch deinen Gegenüber eine sehr positive und emotionale Erfahrung sein.
- Übung 3: Der Freundlichkeitstag
Freundlichkeit ist in der positiven Psychologie eine charakterliche Stärke und kann uns dabei helfen, zufriedener zu sein. Erkläre für diese Übung, spontan oder geplant, einen Tag zum Freundlichkeitstag. Sei an diesem Tag ganz bewusst freundlich zu Menschen, die du kennst, aber auch zu Fremden. Du könntest zum Beispiel jemanden an der Supermarktkasse vorlassen, der es eilig hat, einem Obdachlosen etwas zu Essen kaufen, jemandem ein Kompliment machen, deinen Liebsten kleine Notizen hinterlassen oder einen netten Brief schreiben. Mit kleinen Aufmerksamkeiten schenkst du sowohl dir als auch der anderen Person ein positives Gefühl.
Positive Psychologie vs. toxische Positivität
Das Ziel der positiven Psychologie ist es, die Lebenszufriedenheit und das Wohlbefinden von Menschen durch positive Emotionen zu steigern. Nicht zu verwechseln ist dieser Ansatz mit "toxischer Positivität". Dieses Phänomen beschreibt die zwanghafte Konzentration auf positive Emotionen und die konsequente Ablehnung unangenehmer Gefühle.
Wenn wir immer versuchen "emotionale Abkürzungen" zu nehmen und negative Gefühle verdrängen, werden die aber nicht verarbeitet. Auch negative Gefühle haben ihre Berechtigung, Angst zum Beispiel kann uns vor drohenden Gefahren warnen und Trauer ist notwendig, um Verluste zu verarbeiten.
Toxische Positivität in den sozialen Medien
In den sozialen Netzwerken wird uns häufig ein fröhliches und ausschließlich positives Leben vorgelebt. Wir vergleichen uns, bekommen den Eindruck, negative Gefühle seien nicht akzeptiert und zweifeln an uns. Denn es muss ja an uns liegen, wir müssen ja etwas falsch machen, wenn alle anderen rund um die Uhr glücklich sind, nur wir nicht.
Auch wenn wir objektiv wissen, dass Instagram und Co. nur einen kleinen Teil des Lebens zeigen (und zwar den positiven) ist es schwierig, sich dem Vergleich zu entziehen. Mit der toxischen Positivität entsteht ein selbst auferlegter Druck, ausschließlich positiv und glücklich zu leben und zu fühlen. Was schlichtweg nicht möglich ist.
Auch negative Emotionen haben ihre Berechtigung
Die positive Psychologie möchte an dieser Stelle keinen Druck erzeugen, sondern lediglich eine Hilfestellung geben, den Fokus auf die positiven Aspekte zu legen. Negative Emotionen sind dabei aber nicht "verboten".
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