So können Frauen ein besseres Gehalt verhandeln: Expertin Claudia Kimich gibt im Interview Tipps, wie man damit erfolgreich ist – und erklärt, was Frauen oft falsch machen.
Mehr Gehalt fordern - fällt besonders Frauen schwer
Gehaltsverhandlungen fallen vielen Menschen schwer. Besonders Frauen scheinen damit ein Problem zu haben. Eine Tendenz, die aktuelle Statistiken wie der Gender Pay Gap stützen. Laut den offiziellen Zahlen zur Einkommenslücke verdienen Frauen in Deutschland im Durchschnitt 21 % weniger als Männer.
Erfolgreich um mehr Gehalt verhandeln: Tipps von Expertin Claudia Kimich
Eine Maßnahme, dem entgegenzuwirken? Selbstbewusst und aus eigenem Antrieb heraus den Chef oder die Chefin nach mehr Gehalt fragen. Damit es auch für Frauen mit der Gehaltserhöhung klappt, sollten sie einige Dinge beachten. Wir haben bei Claudia Kimich, Coach und Expertin für Gehaltsverhandlungen, nachgefragt.
EMOTION: Frau Kimich, wieso fällt es Frauen so schwer, nach mehr Gehalt zu fragen?
Claudia Kimich: Frauen sehen so etwas nicht sportlich genug. Sie nehmen extrem viel persönlich und haben ein hohes Maß an Perfektionismus und Tieftstapelei. Das ist eine giftige Mischung. Ein Mann bewirbt sich, wenn er 10 % einer Anzeige erfüllt, eine Frau noch nicht, wenn sie 90 % erfüllt. Tatsächlich fragt mich nahezu jede Frau, die sich von mir coachen lässt: "Wie viel kann ich denn verlangen?" Ein Mann hat mich das noch nie gefragt.
Trauen sich Frauen zu wenig zu?
Das tun sie und zwar von Vornherein. Männer stellen sich hin und sagen: "Ich habe drei Excel-Sheets erstellt." Und wir Frauen denken: "So what? Habe ich schon vor dem Frühstück gemacht." Trotzdem kriegt der Mann das bessere Projekt. Weil er seine Leistung mehr nach außen trägt. Frauen haben furchtbar Angst für eine Dampfplauderin gehalten zu werden. Um etwas zu erreichen und sichtbar zu werden ist es extrem wichtig, an der richtigen Stelle über Leistungen zu sprechen, auch über vermeintlich selbstverständliche Leistungen.
Müssen Frauen sich also wie Männer verhalten?
Frauen und Männer messen mit unterschiedlichem Maß und so lange Frauen nicht so gut aufgestellt sind, dass sie anständig mitbestimmen können, so lange müssen wir leider das Maß der Männer nehmen. Das ist auch eines der Hauptprobleme. Nein, Frauen sollen nicht die besseren Männer sein, aber sie müssen deren Sprache sprechen, um dahin zu kommen und etwas zu verändern.
Im Job geht es nicht um Liebe, sondern um Respekt, vom kleinen Zehnagel bis zur Haarwurzel.
Claudia Kimich, Expertin für GehaltsverhandlungenTweet
Wie kann ich mich auf ein Gehaltsgespräch vorbereiten?
Ich kann raten, vorher zu üben. Üben, üben und noch mal üben. Kein Mensch würde auf einen sportlichen Wettkampf gehen, ohne zu trainieren. Wenn sie die Zahl, die sie sich überlegt haben, 5 oder 6 Mal oder sogar 50 Mal laut ausgesprochen haben, dann wird es im richtigen Gespräch deutlich leichter. Nehmen sie sich eine Freundin oder vielleicht sogar einen Profi zum Üben, nehmen Sie es auf Video auf. Spielen Sie das Gespräch so nach, wie es stattfinden könnte.
Was hilft noch im Vorwege?
Ganz wichtig ist es, sich seiner Leistungen klar zu werden. Die meisten machen den Fehler, dass sie mit Eigenschaften argumentieren, dabei ist es wichtig, herauszustellen, was für einen Nutzen das Unternehmen von einem hat. Messbare Argumente sind immer die besten, z.B. Umsatz, gewonnene Neukunden etc. Machen Sie sich vor dem Gespräch eine Liste mit den Projekten, die sie betreuen und schreiben Sie auf, was Ihr persönlicher Anteil daran ist.
Eine klassische Situation: Ich bin im Gespräch und mir fällt keine Antwort auf die Aussage des Chefs/der Chefin ein...
Schlagfertigkeit ist trainierbar und bei Machtmenschen braucht es eine gewisse Schlagfertigkeit und Souveränität. Da kommen wir wieder auf den Punkt, dass Frauen sehr viel persönlich nehmen. Frauen sind eben so programmiert, dass jeder sie lieb haben soll. Im Job geht es aber nicht um Liebe, sondern es geht um Respekt, vom kleinen Zehnagel bis zur Haarwurzel. Wenn wir das mal verstanden haben, dann wird das ganze leichter.
Claudia Kimich ist DIE Expertin in Deutschland, wenn es um Gehaltsverhandlungen geht. Die studierte Diplom-Informatikerin ist seit über 20 Jahren als Coach und Trainerin selbstständig, berät mit ihrer einzigartigen Energie sehr erfolgreich. Kimich ist Autorin mehrerer Bücher, wie z. B. "Verhandlungstango. Schritt für Schritt zu mehr Anerkennung".
Wie bereite ich mich auf den konkreten Geldbetrag vor?
Ganz wichtig: Keine Spanne, sondern einen klaren Betrag. Und wenn sie unbedingt eine Spanne haben wollen, dann müssen sie immer mehr verlangen. Wenn sie 40 bis 45 haben wollen, dann sagen sie 45 bis 50.
Im Gespräch kommt dann irgendwann die Frage: Was haben Sie sich denn vorgestellt?
In diesem Moment ist alles zum Zerreißen angespannt, inklusive des Personalers, der einem gegenüber sitzt. Man kann es mit Humor machen: "Also, vorgestellt habe ich mir 2 Millionen, eine himmelblaues Käfercabrio und eine Yacht in Monte Carlo. Vorstellen kann ich mir viel." Dann wird gemeinsam gelacht, und dann können Sie sagen: "Ok, Tacheles: 68.000." Dabei aber ganz klaren Augenkontakt halten und nicht dieses typische Frauenlächeln aufsetzen. Frauen legen außerdem oft den Kopf schief. Im Tierreich bedeutet das: Beiß mich, ich hab aufgegeben.
Augenkontakt halten, Kopf gerade lassen, nicht lächeln: Frauen müssen also einiges üben...
Das sind alles so Kleinigkeiten, die einfach extrem viel Übung und Bewusstsein für sich selbst erfordern. Frauen sind einfach gewöhnt, dass sie sich ständig für alle anderen aufopfern. Für Ihre beste Freundin könnten sie wahrscheinlich prima verhandeln, doch für uns selbst wird es schwierig.