Teamarbeit optimieren gehört zu den täglichen Herausforderungen im Job – und muss immer wieder neu gedacht werden. Ein Plädoyer für ein neues Verständnis von Teamarbeit.
Gelten Sie als Teamplayer? Falls nicht, haben Sie wahrscheinlich ein Problem. Denn die Zeit der Einzelkämpfer ist vorbei. Die heutige Arbeitswelt ist auf Teams ausgerichtet. Man kooperiert bei Aufgaben und Projekten, innerhalb von Unternehmen und über den ganzen Globus hinweg.
Die Idee dahinter ist stets die gleiche: Teams sind toll. Gemeinsam sind wir klüger und kreativer. Zusammen erreichen wir mehr. Teamarbeit gilt als sympathisch und positiv, ja als moralisch wertvoll. Jeder halbwegs moderne Manager spricht heute von seinem "Team", wenn er seine Mitarbeiter meint. Wer die Leistung eines Einzelnen oder gar die eigene hervorhebt, der verstößt gegen den "Teamgedanken". Selbst im Privatleben führen wir nicht einfach nur eine Beziehung, sondern bilden ein "Team".
Teamarbeit als Ideologie
Der Teamgedanke ist zur Ideologie der modernen Arbeitswelt geworden. Er steht für eine angenehme Arbeitsatmosphäre, flache Hierarchien und eine moderne, demokratische Unternehmenskultur. Teamarbeit ist heute derart allgegenwärtig und selbstverständlich, dass kaum jemand noch fragt, wozu man Teams überhaupt braucht, wo ihre Grenzen und Gefahren liegen. Der Begriff "Team" sei "mehr eine politische Vokabel als eine wertschaffende Organisationsform", schreibt etwa der Unternehmensberater Reinhard K. Sprenger.
Nicht zuletzt aufgrund meiner eigenen Erfahrung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass wir Teams und Teamarbeit neu denken müssen.
Thomas Vašek, Chefredakteur Hoheluft MagazinTweet
Wir müssen Teamarbeit neu denken
Ich habe schon in vielen Teams gearbeitet. Ich habe selbst Teams zusammengestellt, ich habe schwere Teamkonflikte erlebt und immer wieder versucht, so etwas wie "Teamgeist" zu versprühen. Ich habe mit Teams viel Alkohol getrunken, ich bin mit ihnen über reißende Flüsse gepaddelt. Ich arbeite gern in Teams. Aber ich arbeite auch gern allein. Nicht zuletzt aufgrund meiner eigenen Erfahrung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass wir Teams und Teamarbeit neu denken müssen. Teams sind kein Wert an sich. Sicher: Der Mensch ist ein soziales Wesen. Ohne Zusammenarbeit geht es nicht. Aber brauchen wir dazu immer ein "Team"?
Teamarbeit für das "Wir-Gefühl"
In der Teamidee steckt die Idee der Gemeinschaft. Mehrere Menschen verfolgen ein gemeinsames Ziel, man zieht an einem Strang, es gibt ein "Wir-Gefühl". Der Vater des Teamgedankens war der griechische Philosoph Aristoteles. In seiner "Politik" schrieb er: "Die vielen nämlich, von denen jeder Einzelne kein tüchtiger Mann ist, mögen trotzdem, vereint, besser sein als sie, nicht als Einzelne, sondern als Gesamtheit." Jeder könne nämlich einen Teil der Tugend und Klugheit besitzen und in der Gesamtheit "wie ein einziger Mensch werden, der viele Füße, Hände und Sinne hat". Das klingt zunächst sehr überzeugend.
Dieser Artikel stammt aus dem aktuellen WORKING WOMEN-Magazin.
Neugierig auf unsere weiteren Themen? Hier geht es zur Ausgabe!
Teams sind nicht immer schlauer
Niemand weiß oder kann alles. Je größer und komplexer eine Aufgabe ist, desto mehr unterschiedliche Fähigkeiten braucht es zu ihrer Lösung. Schon das spricht also für Teamarbeit. Allerdings ist ein Team gerade nicht "wie ein einziger Mensch", wie Aristoteles dachte. In einem Team wirken mehrere Personen zusammen. Nicht jeder im Team leistet das Gleiche, und es kann "Trittbrettfahrer" geben, die sich weniger anstrengen als die anderen. Teams sind auch nicht immer schlauer oder kreativer als Individuen. So weiß man zum Beispiel, dass etwa Brainstormings nicht mehr neue Ideen produzieren, als wenn jeder für sich nachdenkt.
Wer zu eigenständig denkt, passt nicht ins Team
Theoretisch profitieren Teams zwar von den Stärken jedes Einzelnen. Aber das setzt voraus, dass jeder im Team auch wirklich sagt, was er denkt, selbst wenn das von der Meinung der Mehrheit abweicht. Genau darin liegt das Problem bei vielen Teams, wie man aus der sozialpsychologischen Forschung weiß. Wenn die Mehrheit im Team einen bestimmten Fehler begeht, neigen die anderen dazu, den gleichen Fehler zu machen. Wer allzu eigenständig denkt oder sonstwie auffällig ist, der wird schnell ausgegrenzt, der "passt" nicht ins Team. "Was wir Team nennen, das ist der Kriegsruf der alten Masse, die Unterwerfung der Begabten unter die Mittelmäßigen. Alles vermischt sich, verliert seine Kontur", polemisiert Sprenger.
Starke Teams sind keine Wohlfühlgemeinschaften.
Thomas Vašek, Chefredakteur Hoheluft-MagazinTweet
Teamarbeit als Gefahr
Für den Soziologen Richard Sennett begründet der Teamgedanke das Arbeitsethos des modernen, flexiblen Kapitalismus. Teamarbeit orientiere sich in der Regel an kurzfristigen Aufgaben, es handle sich um eine "Gruppenerfahrung der erniedrigenden Oberflächlichkeit". Nach Sennett hat das Team-Ethos vor allem die Funktion, reale Machtverhältnisse zu verschleiern: "Es entsteht die Fiktion, Arbeitnehmer und Vorgesetzte seien keine Gegenspieler; der Chef moderiert stattdessen den Gruppenprozess. Das Machtspiel wird vom Team gegen die Teams anderer Firmen gespielt", so der Soziologe. Oft benutzen Manager die Teamfiktion dazu, Verantwortung auf ihre Mitarbeiter abzuschieben. Wenn alle ein "Team" sind, dann ist eben auch das Team schuld, wenn etwas schiefläuft.
Starke Teams sind keine Wohlfühlgemeinschaften
Seit Ende der 90er-Jahre, als Sennetts Buch "Der flexible Mensch" erschien, sind die Arbeitsbeziehungen noch flüchtiger geworden. Projektorientiertes Arbeiten nimmt weiter zu, längst über Unternehmensgrenzen hinweg. Immer öfter müssen wir mit Menschen zusammenarbeiten, die wir vielleicht nie zuvor gesehen haben – und auch später nie wieder sehen werden. Das ist ein Problem für Teams, weil Zusammenarbeit auf eine gewisse Kontinuität angewiesen ist, um das nötige Vertrauen aufzubauen. Doch in neuen kollaborativen Arbeitsformen liegt auch eine Chance, den alten Teammythos aufzubrechen. Starke Teams sind eben keine Wohlfühlgemeinschaften, die kuschelige Wärme und Zugehörigkeit vermitteln, in denen sich alle nett finden. Sie brauchen starke Individuen, die ihre Meinung offen sagen, die Konflikte nicht scheuen.
Gute Teamarbeit - diese Faktoren behindern sie
Teamarbeit hat nur dann einen Wert für alle Beteiligten, wenn sie sich permanent auch selbst reflektiert und gegebenenfalls korrigiert. Eingespielte Routinen können Kreativität und Innovation behindern, übertriebenes Harmoniebedürfnis kann zu schlechten Entscheidungen führen, ja sogar zu gefährlichem Gruppendenken. Was wir brauchen, das sind nicht eingeschworene "Teams", die "wie ein einziger Mensch" agieren, sondern Arbeitsgruppen aus Individuen, die einfach nur versuchen, gemeinsam eine Aufgabe möglichst gut zu lösen. Das ist anspruchsvoll genug.