Dass Frauen immer noch zur Bescheidenheit erzogen werden, regt unsere Chefredakteurin Katarzyna Mol-Wolf auf. Denn das bremst uns aus. Zeit, die Fesseln abzustreifen.
Frauen, die ihre Erfolge feiern
Eigentlich wollte ich über die unglaublichen Diskussionen im Netz über die SPD-Staatssekretärin Sawsan Chebli schreiben. Sie hatte doch tatsächlich gewagt, sich eine teure Uhr zu kaufen. Und das als Frau mit Migrationshintergrund und Sozi! Bei Christian Lindner, dem Vorsitzenden der FDP, hätte sich niemand über eine Rolex aufgeregt. Ist es der Neid, der solche Kommentare treibt?
Ich erinnere mich an eine ehemalige Kollegin aus meinem alten Job, die sich zum Ende ihrer Arbeitszeit einen weißen Porsche gekauft hat. Ich weiß noch, wie die Kollegen heimlich über sie lästerten. Die M. einen Porsche! Ich fand das super. Sie hatte sich ihren Traum erfüllt und fuhr selbstbewusst mit ihrem Auto durch die Gegend.
Frauen sollen bescheiden bleiben
Zwar wird langsam allen klar: Die Wirtschaft braucht uns Frauen. Trotzdem gilt immer noch, wir sollen bitte nicht übertreiben. Lieber bescheiden. Keine Statussymbole, keine kurzen Röcke und am besten nicht zu hübsch. Wieso ist es gesellschaftlich akzeptiert, dass sich erfolgreiche, sogar scheinbar erfolgreiche Männern, mit Statussymbolen umgeben und auf der Bühne aus kleinen Erfolgen eine große Sache machen? Ich glaube, wir sind es einfach gewöhnt. Und höre ich mal wieder einen Heiße-Luft-Redner auf der Bühne, dann gehe ich generös darüber hinweg.
Bei Frauen ist es leider immer noch komplizierter: Werden wir gefragt, ob wir über unseren Erfolg auf einer Bühne sprechen möchten, denken viele von uns erst mal: Ach, nee! So was Großes war das doch gar nicht. Trägt der Kollege dann vor, ärgern wir uns. Ist es die Angst auf der Bühne zu versagen? Hoffentlich nicht, liebe Leserinnen, denn es gibt nichts Schlimmeres als perfekte Redner, die wenig authentisch sind. Übung macht die Meisterin!
"Sei lieb und bescheiden, dann kann dich jeder leiden!"
Ist es unsere demütige Haltung, eigene Erfolge nicht so in den Vordergrund zu spielen? Aber Demut bedeutet doch eher, dass ich meine Erfolge angemessen wiedergebe und nicht arrogant durch die Gegend laufe.
Alte Glaubenssätze bremsen uns. Diese überholten Poesiealbum-Sprüche wie „Sei wie das Veilchen im Moose, bescheiden, sittsam und rein. Und nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein“. Oder die Glaubenssätze, die uns unsere Eltern mitgegeben haben, weil sie es damals nicht besser wussten: „Nur nicht auffallen!“ war das Motto meiner Mutter, als wir uns in Deutschland integrieren mussten. Bei der großartigen Claudia Gersdorf, die mit einer spastischen Erkrankung lebt und gerade auf dem Cover unseres Sonderhefts Working Women ist, war es der Satz: „Sei lieb und bescheiden, dann kann dich jeder leiden!“ Damit wollten ihre Eltern sie vor fiesen Mitschülern schützen.
Frauen brauchen sichtbaren weiblichen Erfolg
Wollen wir gleichberechtigte Teilhabe, müssen wir uns von diesen Fesseln befreien. Wir sollten stolz und selbstbewusst zu dem stehen, was wir bewegen. Wir brauchen sichtbaren weiblichen Erfolg! Wir brauchen strahlende Frauen, die ihre Erfolge feiern und uns alle bestärken, selbst nach vorn zu gehen.
Ich mag keine Angeber – egal ob männlich oder weiblich. Aber ich mag selbstbewusste Menschen, die von ihren Erfolgen erzählen. Sie inspirieren mich. Es wird Zeit, dass wir lernen, von den eigenen Erfolgen zu sprechen. Und dass wir andere Frauen dafür feiern. Damit das Bild erfolgreicher Frauen in allen Köpfen zur Selbstverständlichkeit wird und nicht – wie so oft auf der Bühne – die Ausnahme. Und ich warne Sie schon mal vor: Wenn die Zeit reif ist, werde ich mich für meine Erfolge mit einem röhrenden Sportwagen belohnen.