Madeleine Darya Alizadeh, besser bekannt unter ihrem Social-Media-Alias dariadaria, klärt auf Instagram über Nachhaltigkeit auf. Wir haben uns mit der Aktivistin, Gründerin eines Fair-Fashion-Labels und Autorin („Starkes weiches Herz“) über die Verantwortung der Mode-Branche unterhalten.
Madeleine Darya Alizadeh bezeichnet sich selbst als „fair fashion nerd“ und bietet ihren Instagram-Follower:innen eine Mischung aus Nachhaltigkeits-Content, Hundeschnappschüssen und Outfit-Inspirationen. Die 31-Jährige gründete im Jahr 2017 ihr nachhaltiges Mode-Label dariadéh. Schon einige Jahre davor begann sie, über Fair Fashion zu bloggen. Wir haben mit der Wienerin, die mittlerweile mit über 320.000 Instagram-Abonnent:innen zu den erfolgreichsten Sinnfluencer:innen (Wortkreation aus den Begriffen „Sinn“ und „Influencer:in“ ) zählt, über Verantwortung, Fast Fashion und ihren eigenen Weg zur Nachhaltigkeit gesprochen.
EMOTION: Die Modeindustrie produziert 1,2 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr. Anders gesagt: Es muss Veränderungen geben. Wie radikal müssen die sein?
Madeleine Alizadeh: Meiner Meinung nach müssen sie sehr radikal sein, weil die Zeit knapp ist. Wenn wir unsere Klimaziele bis 2050 beziehungsweise bis 2030 erreichen wollen, braucht es einen ordentlichen Turboboost.
Was wünschst du dir von Modeunternehmen?
Verbindliche Ziele. Viele Fashion-Brands verpflichten sich zu Dingen, die nicht an Regulationen gebunden sind. Das ist dann nur ein Pseudo-Commitment. Viele Unternehmen denken auch, dass sie ihr Geschäftsmodell Fast Fashion weiterführen können und nur die Symptome bekämpfen können. Aber es geht so nicht weiter, dass Unternehmen Kleidung produzieren, die so billig ist, dass sie ungetragen weggeworfen werden kann.
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Wie stehst du zu nachhaltigen Kollektionen von Fast-Fashion-Ketten?
H&M hat zum Beispiel die Conscious Collection herausgebracht und will ganz auf Bio-Baumwolle umsteigen. Das ist ein gutes Beispiel, denn sie investieren auch viel Geld in die Technologie. Solange das Geschäftsmodell aber auf Fast Fashion ausgelegt ist, sind das nur kleine Rädchen, an denen gedreht wird.
Dieses Beschämen von Menschen, die sich keine faire Mode leisten können, ist falsch.
Madeleine Alizadeh (dariadaria)Tweet
Dieses Modell ist so erfolgreich, weil es so attraktiv für viele Menschen ist. Vor einiger Zeit hast du auf deinem Instagramkanal ein von bento veröffentlichtes Video kritisiert, in dem die Protagonistin erklärt hat, wieso sie dankbar für Fast Fashion ist. (Anm.: Madeleines Argumentation ist auf ihrem Instagramkanal unter dem Storyhighlight „Fast Fashion“ zu sehen.) Wie viel Verantwortung muss man als Konsument:in übernehmen?
Die Verantwortung liegt nicht bei den Konsument:innen, sondern bei den Unternehmen, vor allem aber in der Politik. Wir diskutieren sehr viel darüber, ob man ein schlechter Mensch ist, wenn man bei Fast-Fashion-Konzernen einkauft. Dieses Beschämen von Menschen, die sich keine faire Mode leisten können, ist falsch. Warum ist es steuerlich günstiger, unethisch und unökologisch zu produzieren? Da muss für mich der Diskurs stattfinden.
Siehst du die Verantwortung bei der Politik oder auch bei den Unternehmen?
Erst letztens habe ich eine Grafik (siehe unten) geteilt, die gezeigt hat, dass die größte Verantwortung beim Produzenten liegt. Der wird aber von einer Brand beauftragt. Und solange Brands weiterhin viel Geld verdienen können, wenn sie wenig Geld einsetzen, werden sie das machen. Natürlich wäre es schön, wenn Unternehmer:innen altruistisch handeln würden. Am Ende des Tages heißt es aber „money leads the way“. Der Rahmen, in dem wirtschaftliches Handeln stattfindet, ist meiner Meinung nach falsch und funktioniert nicht, wenn wir ethisch und ökologisch wertvoll handeln wollen. Eine Alternative wäre eine Gemeinwohlökonomie.
Kann die Politik in dieses System, das nicht funktioniert, eingreifen? Oder ist diese Lebensweise zu tief in uns verwurzelt, als dass wir da wieder rauskommen könnten?
Die Politik ist keine unbefangene Instanz. Im EU-Parlament sitzen beispielsweise Politiker:innen, die bei Lobbys gearbeitet haben, bevor sie in die Gesetzgebung gegangen sind und die im Interesse verschiedener Lobbys handeln. Also ich glaube, unbiased ist auch die Politik nicht.
Welche Wünsche hast du an die Politik?
Ich glaube, man darf sich keiner populistischen Rhetorik bedienen. Der wichtigste Appell ist: Die Zeit rennt uns davon!
In deinen Anfangszeiten hast du über Fast Fashion gebloggt. 2013 gab es einen Umschwung, 2017 hast du sogar dein eigenes nachhaltiges Label dariadéh gegründet. Was braucht es, damit jemand, der nur Fast Fashion konsumiert, auf Nachhaltigkeit achtet?
Geduld. Man wird nicht mehr auf die gleiche Art konsumieren können wie vorher. Wenn jemand gerne viel kauft, ist die nachhaltigste Art von Konsum Secondhand. Für manche kann auch eine Capsule Wardrobe der richtige Ansatz sein. Auch dariadéh-Kleidung findet man Secondhand, wir werden jetzt auch bald eine Plattform anbieten, wo wir Secondhand- oder B-Ware anbieten.
Auf Instagram wird Perfektion erwartet!
Madeleine AlizadehTweet
Ist Nachhaltigkeit manchmal anstrengend?
Ja. Auf Instagram wird Perfektion erwartet, im echten Leben macht man immer Kompromisse. Man hat nicht immer die nachhaltigste Lösung parat, aber vielleicht eine, die ein bisschen nachhaltiger ist. Als Unternehmerin finde ich es nicht anstrengend, sondern eher spannend, diesen Spagat zwischen „Was ist wirtschaftlich sinnvoll?“ und „Was ist nachhaltig?“ zu schaffen.
Was lässt du dir durch den Kopf gehen, bevor du etwas kaufst?
Ich stelle mir vor, ob ich drei bis fünf Outfits damit kreieren kann. Wenn ja, ist es etwas, was ich wahrscheinlich auch gerne trage. Aber auch ich betreibe manchmal „Retail Therapy“, wenn ich einen schlechten Tag hatte. Aber vielleicht kauft man sich dann eben nur einen Lippenstift.
Ist dir der Ansatz wichtig, Menschen wegen Dingen wie Impulskäufen nicht zu verurteilen?
Ja. Gerade als Frau muss man sich da auch ein bisschen Freiraum schaffen. Es gibt genug Dinge, die uns vorgeschrieben werden: Wie man isst, wie man aussieht, was man sagt. Zu diesen wichtigen ethischen und ökologischen Fragen braucht man einen gesunden Zugang. Es gibt Grauzonen zwischen dem Kauf von 20 Wegwerfteilen und dem kompletten Verzicht auf Konsum. Weich mit sich selber zu sein, das ist am Ende des Tages am nachhaltigsten – sowohl seelisch, als auch ökologisch.
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