Wow, wow, wow! Wir haben Cate Blanchett persönlich getroffen. Klar hatten wir mächtig Respekt vor dem Gespräch mit einer der größten Schauspielerinnen unserer Zeit. Und ja, sie war beeindruckend, selbstbewusst, elegant. Aber auch: bodenständig, lustig und sehr offen. Wir quatschten mit ihr über Gender-Grenzen, pubertierende Kinder und darüber, ob sie dem Filmbusiness tatsächlich bald den Rücken kehrt.
"Sorry für die Verspätung, ich musste pinkeln", entschuldigt sich Cate Blanchett und grinst, als wir sie für unser erstes von zwei Interviews zusammen mit Armani beauty in einer Suite im Ritz-Carlton in Berlin treffen. Kurzer Reminder, dass auch eine der besten Schauspielerinnen unserer Zeit mal für kleine Mädchen muss. Dabei kann von klein gar keine Rede sein: 1,74 Meter pure Eleganz betreten den Raum. Das könnte einschüchternd wirken – wenn Cate Blanchett nicht so herzlich, witzig, nahbar wäre. Dass die Über-Schauspielerin bereits zwei Oscars im Schrank stehen hat, vergisst man da fast. Aber nur fast. Denn ihre Darstellungen in "The Aviator" als Katharine Hepburn und in "Blue Jasmine" als ehemalige Society-Lady Jasmine Francis waren einfach unvergesslich. Zu Recht nennt man sie in Hollywood "Cate the Great".
Die 54-Jährige hat ein ziemlich gutes Fingerspitzengefühl, wenn es darum geht, ihre Rollen auszuwählen, die alle von rauer Verletzlichkeit geprägt sind. Dabei sei die Figur gar nicht der ausschlaggebende Faktor, wenn sie einen Job annimmt. Im Gegenteil: "Wenn ich Projekte wegen des Drehbuchs ausgewählt habe, haben sie meistens nicht funktioniert. Der Dialog mit dem Regisseur oder der Regisseurin ist das Wichtigste für mich." Sie müsse sich in der Rolle nicht unbedingt wiederfinden, um sie glaubhaft zu verkörpern.
Dafür stürzt sich Blanchett dann aber knietief in die Recherche: Für das Drama "Tár" beispielsweise, das ihr eine weitere Oscar-Nominierung einbrachte und in dem sie die Dirigentin Lydia Tár spielt, lernte sie das Dirigieren, Klavierspielen, Deutsch und das gesamte Drehbuch auswendig. Für Blanchett sind die Figuren, die sie spielt, bei ihrer Projektauswahl vielleicht nicht die oberste Priorität, aber sie gibt sich ihnen voll und ganz hin – bis sie ein Teil von ihr werden. Lydia Tár verfolgte sie sogar bis in ihre Träume. "Manchmal bin ich aufgewacht und ich hatte noch meine Hände zum Dirigieren erhoben."
Von Gender-Grenzen und pubertierenden Kindern
Es ist tatsächlich eine von Blanchetts eindringlichsten und abgründigsten Performances. Die Figur Tár benutzt und missbraucht ihre Machtposition – etwas, das man sonst eher Männern zuschreibt. Genau das habe sie an der Rolle gereizt, sagt Cate. "Das ist viel herausfordernder und unbehaglicher, eben weil sie eine Frau ist und wir so selten sehen, wie Frauen ihre Macht missbrauchen." Für sie habe das Geschlecht der Figur keine Rolle gespielt – und sowieso schert sie sich wenig um Gender-Grenzen. Nicht erst, seit sie in "I'm Not There" eine androgyne Version von Bob Dylan gespielt hat. "Menschen sind für mich Menschen. In meinen Augen definiert das Geschlecht nicht, wer oder wie sie sind. Es wird erst zum Problem, wenn ein Mensch aufgrund seines Genders nicht er selbst sein darf."
Genauso genderneutral erziehe sie auch ihre Kinder, sagt sie. Ihre Adoptivtochter Edith spiele mit demselben Spielzeug wie ihre drei älteren Brüder. Worauf sie bei der Erziehung hingegen Wert lege: gute Manieren und Respekt – vor sich selbst und vor anderen. Auch eine Cate Blanchett kämpft dieselben Kämpfe wie alle Mütter. Sie gesteht, dass ihre Kinder sie auch mal peinlich finden. "Mein 14-Jähriger sagt dann: 'Mama, du nervst.'" Vor pubertierenden Kindern sind selbst Hollywood-Stars nicht gefeit.
Obwohl Cate Blanchett eine der angesehensten Schauspielerinnen der Filmbranche ist, hält sie sich vom Starrummel weitgehend fern. Klatsch und Tratsch liest man über sie so gut wie nie. Seit 1997 ist sie mit dem Drehbuchautor und Regisseur Andrew Upton verheiratet. Mit ihren Kindern leben die beiden in England im eher ländlichen Sussex. Dass sie gebürtige Australierin ist, vergisst man leicht, weil sie so mühelos in die Akzente schlüpft, die ihre Figuren ihr vorschreiben. Aber, sagt sie, sie fühle sich immer noch sehr verbunden mit ihrem Herkunftsland. "Das letzte Mal, dass ich da war, regnete es bei meiner Ankunft. Es roch nach Erde und Eukalyptus und ich dachte nur: Hier komme ich her. Australien ist so ein besonderer Ort, der mich immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt", schwärmt sie.
Es ist diese Bodenständigkeit, die einen fast vergessen lässt, mit welchem Superstar man gerade spricht. Und das passt da auch ins Bild: So selbstsicher sie auch wirke, verrät sie uns, vor Auftritten auf dem roten Teppich sei sie immer noch nervös. "Man fühlt sich einfach so entblößt. Eine deutsche Freundin hat mir mal zwei kleine Füße als Talisman geschenkt und gesagt: 'Sei, wo deine Füße sind.' Ich trage sie immer in meiner Handtasche, sie erinnern mich daran, durchzuatmen und im Moment zu sein."
Die Jasagerin
Immer wieder gibt es Gerüchte, Cate Blanchett wolle dem Filmbusiness den Rücken kehren. Bei unserem ersten Interviewtermin fragen wir gleich nach. "Oh ja", sagt sie überraschend offen, "ich will eigentlich die ganze Zeit schon aufhören mit der Schauspielerei. Ich kann meine eigene Stimme nicht mehr hören, es ist Zeit." Doch als wir sie zwölf Wochen später noch mal sprechen, diesmal über Zoom, macht sie bereits Werbung für ihren nächsten Film, das Historiendrama "The New Boy", und hat schon weitere Projekte in der Pipeline. Wie war das noch mit dem Aufhören? Sie lacht: "Ich bin einfach eine Jasagerin. Mir fällt es schwer, Nein zu sagen."
Wie passend, dass sie bereits seit zehn Jahren das Gesicht des Dufts "Sì" von Armani beauty ist, was bekanntlich zu deutsch "Ja" bedeutet. In den letzten Jahren habe sie oft Ja zu ihrem Job gesagt, sagt Blanchett, in Zukunft wolle sie mehr darauf achten, Ja zu ihrem Privatleben zu sagen. "Ich habe viel Energie, aber manchmal muss man sich auch die Zeit nehmen, in sich hineinzuhören und sich auf sich selbst besinnen." Ihr wichtigstes Ja: das zu ihrem Mann Andrew, mit dem sie auch die Filmproduktionsfirma "Dirty Films" gegründet hat. "Unsere Beziehung hat mein Leben verändert. Wir haben so viele Abenteuer gemeinsam gemeistert. Wir reden über alles, er bringt mich zum Lachen."
Blanchett bezeichnet sich selbst als "experience junkie", immer auf der Suche nach der nächsten Inspiration. Ihre Neugier auf neue, lebensverändernde Erfahrungen ist größer als ihr Ego. "Am Anfang meiner Karriere meinte mal ein Regisseur zu mir: 'Du musst aufhören, kleine Rollen zu spielen.' Ich habe geantwortet: 'Aber dann hätte ich nicht die Möglichkeit, so viel Neues auszuprobieren.' Mir ist egal, ob ich die Hauptrolle oder die Nebenrolle spiele. Ich sehe die Schauspielerei als ein Experiment, aus dem ich so viel mitnehmen kann." Wahrscheinlich macht genau das sie zu einer großartigen Schauspielerin: ihr Hunger darauf, die Welt zu erkunden. Cate Blanchett wirkt wie ein freiheitsliebender Mensch, der nicht festgelegt ist in dem, was er ist. Wie ein Schwamm nimmt sie alles in sich auf, was ihr von Nutzen sein könnte.
Ein echtes Girl's Girl
Es ist naheliegend, dass sie es liebt, mit Menschen zusammenzuarbeiten. Sie sagt: insbesondere mit Frauen. "Ich finde es schrecklich, wenn Frauen gegeneinander ausgespielt werden. Vor allem, weil unser natürlicher Impuls eigentlich ist, uns gegenseitig zu unterstützen. Ich habe schon mit vielen mächtigen Männern gearbeitet. Mit Frauen ist es einfach ... anders. Gerade in meiner Branche, die sehr männerdominiert ist, bin ich immer dankbar, wenn ich mit weiblichen Kolleginnen Ideen austauschen kann."
Folgerichtig besteht ihr persönliches Team hauptsächlich aus Frauen. Mit ihrer Stylistin Elizabeth Stewart, die auch mit Julia Roberts und Sandra Bullock zusammenarbeitet, kreierte sie unzählige legendäre Red-Carpet-Looks. Aber Blanchett stellt auch klar: "Ich bin selbst für meinen Style verantwortlich." Denn so sehr sie es liebt, zu kooperieren: Sie weiß sehr genau, was sie will und wofür sie steht.
Da lässt sie sich auch von den ungeschriebenen Regeln der Modepolizei nicht beeinflussen. "Ich verstehe nicht, warum es als Fauxpas gilt, wenn man ein Outfit mehrmals zu Veranstaltungen trägt. Von meinem ersten Gehalt habe ich einen Hosenanzug von Armani gekauft – den trage ich bis heute. Ich finde, bei Fashion sollte es nicht darum gehen, immer das Neueste zu tragen, sondern darum, wie man Neues im Alten findet. Endloser Konsum hat so gar nichts Schönes an sich."
Die Königin der zeitlosen Eleganz hat gesprochen. Dass sie unserer Interviewerin bei beiden Begegnungen ein Kompliment für ihr Outfit machte, gleicht da fast einem Ritterschlag. Denn so nahbar Cate Blanchett sich auch geben mag: Sie ist und bleibt "Cate the Great".
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