Keine mischt Klischees rasanter auf als Maren Kroymann. Mit Witz und Augenzwinkern zeigt die Schauspielerin: Frauen jenseits der 65 sind mehr als betulich, lieb oder die knarzige Alte – sie können: alles sein. Genau, was wir brauchen!
Wenige haben im deutschen Fernsehen so einen Aufstieg hingelegt wie Maren Kroymann: Spielte sie 1988 in ihrer ersten großen TV-Rolle noch eine Pfarrersgattin, verkörperte sie 30 Jahre später niemand Geringeres als: Gott. Also: die Göttin. Und die Sketche in ihrem satirischen Comedy-Format "Kroymann" sind zum Niederknien – schlau, jeder auf eigene Art abgründig, oft feministisch und immer sehr lustig (Tipp: "Kroymann" und "Empathie forte" googlen). Im Juli ist Maren Kroymann 74 geworden, aber ans Aufhören denkt sie nicht. Im September war sie Teil des glänzend aufgelegten Ensembles im Kinofilm "Enkel für Fortgeschrittene". Und in ihrem Podcast "War's das?", der in der ARD Audiothek und auf bremenzwei.de zu hören ist, spricht sie mit Frauen über 50 über das Älterwerden. Ein Thema, über das sie auch mit uns spricht. Dürfen wir bitte auch so lässig altern wie sie?
Frau Kroymann, in der Promi-Datenbank Taddlr habe ich Infos über Sie gefunden. Bereit für einen kleinen Faktencheck? Sternzeichen Krebs?
Ja.
Ihr Beziehungsstatus…
… bleibt unerwähnt.
Hier steht: "Beziehungsstatus: Brautwerbung, seit 2007."
Brautwerbung?! (lacht)
Und: Sie seien nicht schwanger.
Da muss ich noch mal einen Test machen. Aber ich glaube, das kann ich bestätigen.
Letzter Check: "Maren Kroymann erlangte im Jahr 2023 als Schauspielerin, Musiker und Komiker Berühmtheit."
(lacht)
40 Jahre zu spät eingeordnet – oder sind Sie erst jetzt so richtig berühmt?
Richtig berühmt ist man ja, wenn man mehrfach auf der ersten Seite der Bild-Zeitung war. Ich habe mir zwar einen Namen gemacht, aber so richtig berühmt – nee.
Beim Comedy-Preis haben Sie jungen Künstler:innen 2021 geraten: "Ernährt euch gesund, umarmt Bäume, macht Yoga, habt guten Sex", damit sie alt genug werden, um die Anerkennung noch zu erleben – woher haben Sie den Glauben an sich selbst genommen?
Der Glaube an mich ist fragil. Ich kenne kein Mädchen, das in 50er-Jahren aufgewachsen ist, das wirklich ein genuines Selbstbewusstsein hatte. Uns wurde klar vermittelt: Ein Junge ist mehr wert. Aber ich war das unerwartete letzte Kind, das einzige Mädchen, ich wurde geliebt. Daher kommt, glaube ich, ein tiefes Bewusstsein, dass ich irgendwie schon in Ordnung bin. Trotzdem musste ich gegen diese Selbstbewusstseinsschwankungen immer kämpfen.
Wann hatten Sie das Gefühl: Jetzt werde ich als Künstlerin wahrgenommen?
Als ich "Auf du und du mit dem Stöckelschuh" gespielt habe. Das war mein erstes Bühnenprogramm 1982. Da konnte ich singen, selber schreiben, parodieren und ernsthaft sein. Mir ist es von Anfang an darum gegangen, ein anderes Frauenbild darzustellen, Frauen Gewicht zu geben. Bei "Nachtschwester Kroymann"…
lhrer Satire-Sendung in den 90ern…
… hieß es noch: "Die macht was über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, das ist ihr Hobby." Dass Frauenthemen Menschenthemen sind, ist endlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Wie Frauen sexualisiert werden, haben Sie selbst erlebt. Sogar bei "Scheibenwischer", damals DAS Polit-Kabarett, sollten Sie "Arsch wackelnd" über die Bühne laufen. Jetzt widersetzen Sie sich der automatischen Entsexualisierung von Frauen, wenn sie älter werden.
Die ewigen Großmutter-Rollen! Es gab diese tolle Aktion von Palais F*luxx und Gesine Cukrowski, "Let's Change The Picture", die fordert, dass Frauen über 47 vielseitigere Rollen bekommen. Mir ist wichtig, zu zeigen, dass ich, egal wie alt ich bin, Erotik empfinde. Dass ich ein erotisches Subjekt bin – mein erotisches Subjekt –, und als solches möchte ich rüberkommen. Das Paradoxe ist, dass mir jetzt hilft, dass wir Frauen über die Physis definiert werden, dieser Schönheitsdarwinismus, gegen den ich immer gekämpft habe.
Wie meinen Sie das?
Wir werden alle unterschiedlich alt. Ich bin eine Spätentwicklerin und habe im Alter physisch noch eine relativ gute Phase. Ich habe früher getanzt, mache viel Sport und bin körperbewusst. Und weil ich mich relativ "gut gehalten" habe, bekomme ich Rollen, die Frauen in meinem Alter meist nicht bekommen. Dass ich jetzt von dieser Bewertung profitiere, ist ein Paradox, mit dem ich leben muss. Und ich will das nutzen, um zu zeigen: Wir sind alt, aber empfindungsfähig. Ich habe einen Körper, in dem meine Seele sehr gut wohnt – auch ohne Eingriffe von außen. Wir haben alles zur Verfügung, was wir wollen.
In "Enkel für Fortgeschrittene" gibt es eine Party, die erst nur ums Alter kreist und dann eine wilde Wende nimmt. Macht der gesellschaftliche Blick das Älterwerden schwer, oder geben sich viele zu früh auf?
Beides. Auf uns wird in jeder Lebensphase auf eine bestimmte Art geguckt und das verinnerlichen wir. Wie man sich fühlt, wird oft davon beeinflusst, wie man gesehen wird. Im Alter ist das besonders stark. Da gibt es dieses Bild von der Oma mit Lesebrille und Stock, bei der nix mehr passiert. Wir nehmen ja schon unsere Mütter nicht als sexuelle Person wahr. Und die Omas erst recht nicht. Aber immer mehr Frauen realisieren, wie sehr das auseinanderklafft – wie wir gesehen werden und wie wir uns dagegen selbst fühlen – und schaffen es, sich von diesem Blick freizumachen. Weil wir mit steigendem Alter einfach lockerer werden.
Die Frau, die Sie spielen, kommt nach einem Jahr als Granny Au-pair aus Neuseeland zurück. Kann so ein Film auf neue Ideen bringen?
Es ist Zeit, dass in Filmen, Serien und Literatur andere Möglichkeiten vom Älterwerden gezeigt werden. Es gibt ja diese Phase, in der man schon als alt gilt, obwohl man noch total gut drauf ist, die post-klimakterielle Phase. Die entdecken wir gerade für uns neu, und ich möchte Frauen sagen, lasst euch das nicht erzählen, dass ihr zu alt für was auch immer seid, gestaltet das Alter selbst, ihr seid total fähig zu vielem.
Eine der Figuren wird nicht überleben, spielt sich so was anders mit Mitte 70?
Das kommt einem immer nahe, egal, wie alt man ist. Aber ich bin gerade 74 geworden, und – um es mal so hart zu sagen – ich bin umgeben von Verfall und Sterben. Wenn man einen Film mit dieser Altersgruppe macht, muss der Tod vorkommen, denn er beschäftigt uns. Wir leben manchmal gegen den Tod an, oder leben so, dass wir den Tod noch etwas hinausschieben wollen, und wir sind in einer Phase, die nur durch den Tod beendet wird! Ich finde aber sowieso, in Komödien sollen tragische Momente vorkommen. Das ist das Leben.
Hilft ein gewisses Alter, um schamlos zu werden, die Scham loszuwerden?
Als ich jung war, gab es auch schon Leute, die sich getraut haben, die aufbegehrt haben, freier leben wollten. Aber ich glaube auch, dass wir älter und freier werden. Wir müssen nichts mehr erreichen, bestimmten Vorgaben nicht mehr so entsprechen. Und ich habe auch die Phase hinter mir, in der ich unbedingt sexy sein musste. Dass ich als eine Person jenseits von Gut und Böse gesehen werde, ist eine extreme Befreiung.
Sie haben Beine to kill for!
(lacht) In jedem Fall genieße ich die Phase der Freiheit. Brecht hat "Die unwürdige Greisin" geschrieben, ich finde, die ist ein super Role Model. Eine Freundin, keine Greisin, aber im Pensionsalter, hat mir gerade ein Video geschickt, wie sie von der Straße getragen wird. Das ist eine ganz Sensible, Seriöse, Bildungsbürgerliche und die macht jetzt mit bei der Letzten Generation. Die Gruppe wird so angegriffen – dass sie sich diesem Protest anschließt, finde ich sehr kühn und sehr schamlos.
Das ist ja auch ein Clash der Generationen. Zwischen jüngeren und älteren Feministinnen tut sich auch eine Kluft auf. Bei "Kroymann" scheinen Sie mit Ihrem wechselnden Ensemble mühelos eine Brücke zu schlagen. Wie geht das?
Wir dürfen uns vor allem nicht dahin drängen lassen, dass wir verfeindet sind. Ja, es gibt unterschiedliche Positionen, aber die kann man auch zur Kenntnis nehmen, ohne sich gegenseitig fertig zu machen. Das wird oft auch medial befeuert. Und die Konflikte laufen auch nicht nur entlang der Generationen. Es gibt jüngere feministische Lesben, die trans Menschen skeptisch gegenüberstehen, um nicht zu sagen, transfeindlich. Mir ist es wichtig, feministisch und offen lesbisch zu sein, aber vor allem sehe ich mich solidarisch mit jedem Menschen, der nicht den herrschenden Rollenbildern entspricht. Wir erleben gerade, dass die Gewalt gegen Schwule, Lesben, aber vor allem gegen trans Menschen stark zunimmt. Da bin ich natürlich auf deren Seite. Und ich fühle mich als Frau auch nicht bedroht, wenn eine trans Frau aufs selbe Klo geht wie ich. Ich würde immer das Verbindende betonen.
Sie haben 40 Jahre lang heterosexuell gelebt, bevor Sie sich 1989 zum ersten Mal in eine Frau verliebt haben. Heute wird Gender und Sexualität gerade in der LGBTQ+-Community als viel fluider verstanden. Wäre Ihr Coming-out heute ein anderes?
Vermutlich würde ich es einfach mal in einem Gespräch fallen lassen. Damals war das anders. Es gab außer Hella von Sinnen und Cornelia Scheel im gesamten Kulturbereich keine offen sichtbare Lesbe. Ich bin ja, wie ich immer sage, über den zweiten Bildungsweg lesbisch geworden. Ich hatte keine lesbische Sozialisation, bei der mir schon als Jugendlicher unterschwellig mitgegeben worden wäre: Das darf man nicht! Ich bin da rangegangen wie eine Bürgerrechtlerin und bin damit auch bei Lesben angeeckt, denn sie hatten sich in ihrem Leben damit eingerichtet, dass man es nicht sagt.
Da hat sich zum Glück was verändert. Darf man als Frau heute auch schlau sein oder eckt man damit immer noch an?
Das ist immer noch schwierig. Aber wenn mehr Frauen in Führungspositionen sind – Regie, Drehbuch, Redaktion, Produktion – können wir auch so was wie Late Night machen. Langsam wird akzeptiert, dass wir Hirn haben. Und ich habe auch das Gefühl, mein Hirn wird stärker akzeptiert, seit ich älter bin.
Dieser Artikel erschien erstmals in EMOTION 10/23.
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