Selbst die schönste Partnerschaft hat mit schwierigen Themen zu kämpfen. Doch je besser ein Paar seine Wünsche und Trigger kennt, umso besser lassen sie sich lösen. Ausgerechnet drei Methoden aus der Wirtschaft, Forschung und Stilberatung könnten dabei helfen, dass die Liebe sich wieder schwebend leicht anfühlt...
Was macht meinen Look aus? Ist er sportlich, minimalistisch, klassisch? Oder feminin, extravagant, oversized? Die "Drei-Worte"-Methode der New Yorker Stylistin Allison Bornstein verspricht Leichtigkeit beim Shoppen und Stylen. Sie ist überzeugt: Wenn es uns gelingt, unseren Stil mit drei Adjektiven zu beschreiben, bleiben uns viele Fehlkäufe erspart. "Durch meine Arbeit habe ich erkannt, dass viele Menschen nicht unbedingt die Sprache haben, um ihren Stil zu definieren", sagt Bornstein in einem Interview mit der britischen Vogue. "Das führt dazu, dass sie eine Menge Zeug kaufen und einen Haufen verschiedener Trends ausprobieren, ohne sich wirklich die Zeit zu nehmen, innezuhalten und zu verstehen: 'Wer bin ich? Was mag ich? Warum mag ich das? Und wie kann ich einen Stil kultivieren, der einzigartig für mich ist?'"
Was im Kleiderschrank funktioniert, kann auch für Beziehungen gelten
Drei Worte = cooler Look! Könnte es so eine Formel nicht auch für Partnerschaften geben? Tue ich A, B und C, dann ist mir Liebe gewiss? Wir ahnen, so einfach ist es nicht. Von Bornsteins "Drei-Worte"-Methode können wir uns dennoch etwas Wichtiges für die Liebe abgucken. Erstens: Gut und richtig ist allein das, was genau zu mir passt. Eine beglückende Beziehung ist im wahrsten Sinne des Wortes unvergleichlich. Zweitens: Mit Selbsterkundung und Selbsterkenntnis komme ich leichter voran. Was beim Kleiderschrank funktioniert, gilt auch für mich selbst: Je besser ich mich (und meine Stärken, Trigger und alten Wunden) kenne und meine Gefühle in Worte fassen kann, desto entspannter und erfolgreicher kann ich durch die Höhen und Tiefen einer Beziehung navigieren. Ich kann meinen (Beziehungs-)Stil beschreiben, verstehen – und verändern.
Der analytische Blick: Was sind die wesentlichen Themen der Beziehungen?
Auch der Blick auf ein ganz anderes Feld kann helfen, die Liebe leicht zu machen: Nachhaltigkeitsberichte! Vordergründig haben die erst mal wenig mit Liebesbeziehungen zu tun. Dennoch können sie uns in Partnerschaftsfragen weiterbringen. Immer mehr Unternehmen werden in den kommenden Jahren verpflichtet sein, Auskunft darüber zu geben, wie sie in Sachen Umwelt, Menschenrechte und guter Unternehmensführung aufgestellt sind. In der EU ist die Corporate Sustainability Reporting Directive beschlossene Sache. Damit diese Berichte auf den Punkt kommen und tatsächlich wirken, sind die Firmen aufgefordert, für den Bericht vor allem ihre "wesentlichen Themen" zu definieren: Wo besteht bei uns am meisten Handlungsbedarf? Welche Fragen müssen wir klären? Wie kommen wir zu guten Lösungen? Hier ist also der Adlerblick gefragt: Die eine Firma erkennt auf diese Weise, dass sie sich dringend um bessere Arbeitsbedingungen bei der Ernte kümmern muss. Eine andere definiert Bodenverschmutzung als ihr wesentliches Thema. Eine dritte stellt fest, dass sie ganz dringend eine Gleichstellungsbeauftragte braucht.
In unseren Beziehungen ist es nicht anders. Auch wir haben in unseren Partnerschaften ganz individuelle "wesentliche Themen", die Antworten und Veränderungsbereitschaft benötigen, damit es uns als Paar gut miteinander geht.
Was alle Paare auf der Welt eint: Irgendwas ist immer.
Zwei bis drei schwierige Themen hat jede Partnerschaft. Und die könnten kaum unterschiedlicher sein: Das eine Paar ringt vielleicht darum, wie eine Sexualität aussehen könnte, die beide anturnt und glücklich macht. In einer anderen Beziehung mischen wiederum die Herkunftsfamilien bei jeder Entscheidung mit – und die Liebenden müssen endlich lernen, was andere Menschen schon als Teenies können: sich gegen die Eltern abzugrenzen. Ein drittes Paar muss lernen, damit umzugehen, dass ein Partner von beiden deutlich wohlhabender ist. Wie eine große Erbschaft die Dynamik in einer Partnerschaft verändern kann, beschreibt zum Beispiel Georg M. Oswald in seinem großartigen Roman "In unseren Kreisen" (Piper). Als Tatjana von ihrer Tante ein Millionenerbe plus Porsche und Bauhaus-Villa erbt, ergeben sich auch in ihrer Partnerschaft mit dem mittelmäßig erfolgreichen Schriftsteller Nikolai ganz neue Fragen.
Gemeinsam herauszufinden, welche Themen es genau sind, die immer wieder Schmerzen, Frust und Holprigkeit in der Beziehung verursachen, fühlt sich ganz anders und letztlich viel besser an, als nur die Schuld beim Gegenüber zu suchen. "Immer sagst du … nie machst du …" – statt sich gegenseitig Vorwürfe zu machen, können Paare gemeinsam auf das Dritte blicken, nämlich auf ihre Beziehung und auf das, was darin Frust und Schwere verursacht. Vielleicht ist es die Art und Weise, wie die Partner:innen streiten. Oder es sind unterschiedliche Vorstellungen von Kindererziehung. Oder es gibt Wünsche nach Nähe und Unabhängigkeit, die schwer vereinbar sind. Wie neugierige Wissenschaftler:innen kann ein Paar seine "wesentlichen Themen" von allen Seiten betrachten: "Aha, interessant, hier stolpern wir also immer wieder." Die Beziehungsprobleme werden sozusagen zum gemeinsamen Forschungsprojekt. Oder man stellt sich die ganze Sache vor wie einen Kleiderschrank-Check mit Allison Bornstein: Was ist da? Was fehlt? Wo wollen wir hin?
Zu so einer Bestandsaufnahme gehört übrigens auch zu benennen, was gut läuft, zum Beispiel: "Geld, Haushalt, Sex? Häkchen dahinter." Die Stärken der Beziehung einmal in Großbuchstaben an die Wand projizieren – und wow, aus Streitenden werden plötzlich zwei Hauptgewinner:innen! In der richtigen Stimmung kann es auch erkenntnisbringend und vergnüglich sein, sich die gemeinsame Beziehung einmal als echtes Drama zu erzählen – natürlich in der dritten Person – und anschließend nochmal als großartige Erfolgsgeschichte.
Wie der Blick von außen uns Klarheit verschaffen kann
Was haben die "Drei-Worte"-Methode von Allison Bornstein, Nachhaltigkeitsberichte oder Paargespräche, in denen einmal nicht die Schwächen des Partners, sondern die Beziehung selbst zum Thema wird, gemeinsam? Richtig, den Blick von außen. Psycholog:innen nennen das die "Metaperspektive". Wenn es uns gelingt, immer wieder einen Schritt zurückzutreten und dann (am besten gemeinsam) von außen auf unsere Liebesbeziehung zu schauen, wird vieles leichter.
Der Berliner Psychologe und Paar- und Sexualtherapeut Umut Özdemir hat die "IN*TEAM-Beziehungskiste" entwickelt, die genau dabei hilft. Es ist ein Kartenspiel mit 20 Fragen, mit extra Infos aus der Sexualwissenschaft und mit vielen Ideen, wie man als Paar anders ins Gespräch kommen kann. Und sein neues Buch "Leichter lieben. Weil Beziehung auch einfach geht" (dtv) erzählt in neun Kapiteln von großen Themen, die Paare haben können. Stress, Sex, Familie, Bedürfnisse, Glaubenssätze, Grenzen, Kommunikation, Eifersucht. Zu jedem Kapitel gibt es am Ende "Beziehungsblätter", die Leser:innen dazu bearbeiten können. "Es gibt bestimmte Punkte, die viele von uns, als Individuum oder als Paar, im Leben einholen. Ist man sich dieser Punkte bewusst, ist man der Leichtigkeit in der Liebe auf jeden Fall einen Schritt näher", schreibt Özdemir.
Definiert, was euch ausmacht
Es kann übrigens auch kurzweilig und interessant sein, Allison Bornsteins "Drei-Worte"-Methode direkt auf die Partnerschaft anzuwenden. Ist die Beziehung explosiv, aufregend und lebendig? Oder eher gelassen, robust und wertvoll? Oder vielleicht glamourös, dramatisch und herausfordernd? Es ist jedenfalls interessant zu erfahren, ob beide Partner:innen finden, dass die Beziehungsbeschreibung gut ist, wie sie ist. Oder ob ein Adjektiv vielleicht ausgedient hat und welches stattdessen in Zukunft dazukommen sollte. Einfach mal ausprobieren.
In aller Kürze: drei Wege zu mehr Innigkeit
Jede Partnerschaft hat Problemthemen. Mit diesen Methoden könnt ihr sie gemeinsam angehen!
1. Drei-Worte-Methode
Beschreibt eure Beziehung in drei Worten, z.B. explosiv, aufregend, lebendig. Seid ihr beide mit den Adjektiven einverstanden? Welche(s) würdet ihr ändern wollen?
2. Der Nachhaltigkeitsbericht
Macht es wie ein Unternehmen beim Nachhaltigkeitsreport: Definiert die wesentlichen Themen in eurer Partnerschaft, die Handlungsbedarf erfordern. Überlegt euch dann, wie ihr diese Dinge verbessern könnt.
3. Forschungsblick
Statt euch gegenseitig Vorwürfe zu machen, versucht einen Schritt zurückzutreten und quasi von außen auf eure Beziehung zu schauen – wie bei einem Forschungsprojekt: "Ach, hier liegen unsere Knackpunkte? Interessant! Wie können wir die lösen?"
Dieser Artikel erschien zuerst in EMOTION 8/9/23.
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