Alle Träume und Wünsche gehen in Erfüllung, wenn wir fest genug davon überzeugt sind – so verspricht es das Prinzip des "Manifestierens". Steckt dahinter nur Pseudo-Wissenschaft oder doch mehr?
"Manifestiere deinen Crush", "Manifestiere alles was du willst im Schlaf", "500.000 Euro in 84 Stunden": Diese Video-Vorschläge spuckt Youtube aus, wenn man in der Suchleiste das Wort "Manifestieren" eingibt. Die Ergebnisse sind schier endlos: überall erklären Menschen, wie ich meine tiefsten Wünsche in Erfüllung gehen lassen kann.
Selbst Promis wie Jim Carey, Oprah Winfrey oder Denzel Washington sind dafür bekannt, dass sie auf das "Glaub fest dran, dann wird’s Realität"-Prinzip schwören. Das Selbsthilfebuch "The Secret" der australischen Autorin Rhonda Byrne gilt quasi als Manifestations-Bibel in der modernen Spiritualitätsszene und wurde bis zum Jahr 2020 rund 35 Millionen Mal weltweit verkauft (mittlerweile dürften die Verkaufszahlen noch deutlich höher liegen).
Warum Manifestieren so eine große Faszination auf Millionen von Menschen ausübt, liegt eigentlich auf der Hand: Es verspricht, das scheinbar Unmögliche möglich zu machen. Alle deine Wünsche zu erfüllen. Du willst deine:n Ex-Partner:in zurück? Manifestiere es. Du willst in einem Luxus-Loft in New York wohnen? Manifestiere es. Du willst zehn neue Freund:innen in deinem Leben dazugewinnen? Manifes– ihr wisst schon.
Funktioniert Manifestieren wirklich?
Auch ich muss zugeben, dass der Gedanke daran, die schönen Dinge wie ein Magnet in sein Leben ziehen zu können, seinen Reiz hat. Trotzdem bin ich skeptisch und verordne solche Theorien gerne gedanklich in der Schublade "Eso-Quatsch". Aber die vielen Manifestations-Erfolgsstorys, die Menschen im Internet teilen, machen neugierig: Gibt es möglicherweise auch wissenschaftliche Erklärungen und Ansätze dafür, ob und wie das Prinzip des Manifestierens funktionieren kann?
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Was bedeutet Manifestieren überhaupt?
Kurz gesagt handelt es sich beim "Manifestieren" um den Vorgang, eine Idee oder einen Wunsch in die Realität umzusetzen, schreibt Ph.D. Tchiki Davis, Autorin und Psychologin. Daran ist zunächst nichts außergewöhnlich, schließlich setzen wir im alltäglichen Leben, etwa im Job, ständig Ideen in die Tat um.
Wenn der Begriff heutzutage von Menschen verwendet wird, fällt er aber häufig auch im Zusammenhang mit dem "Gesetz der Anziehung" – dieses soll besagen, dass man automatisch positive Dinge anzieht, wenn man positive Energie ins Universum heraussendet ("Gleiches zieht Gleiches an"). Ist bloße Gedankenkraft und ein bisschen Optimus also das "Geheimnis" des Manifestierens?
Wissenschaftliche Erklärungen für das Manifestieren
Nein, ganz so leicht ist es dann doch nicht. Davis weist darauf hin, dass bei dieser Vorstellung ("Ich glaube fest dran und dann passiert es auch") ein ganz wichtiger Schritt übersprungen wird, beziehungsweise dass das Manifestieren dadurch häufig missverstanden wird. Glauben und manifestieren genügt nicht. Es erfordert auch Handeln.
Gehen Wünsche in Erfüllung, wenn man fest daran glaubt?
Ein Stein wird sich nicht von selbst bewegen, wenn man ihn nicht selbst ins Rollen bringt. Die Idee, dass das Universum unsere Wünsche und Träume verwirklicht, wenn wir nur oft genug an sie denken und sie ständig auf unseren Vision Boards anschauen, ist aus wissenschaftlicher Sicht natürlich nicht tragbar. Jede:r ist dafür selbst verantwortlich, sein Glück in die Hand zu nehmen.
Und trotzdem gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, die sich an die grundsätzliche Idee des Manifestierens anlehnen und die erklären können, weshalb so viele Menschen offenbar Erfolg beim Manifestieren haben. Und diese berufen sich in den meisten Fällen schlicht und einfach auf das Prinzip der Selbstwirksamkeit. Aber wie lerne ich das?
Manifestation: Ein "Growth Mindset" führt uns häufiger zum Erfolg
Die "Growth Mindset"-Theorie wurde von der bekannten Motivationspsychologin Carol Dweck von der Stanford University geprägt. Gemeinsam mit Kolleg:innen konnte sie in mehreren Studien mit Schüler:innen feststellen, dass der Glaube des Kindes an seine eigene Intelligenz einen direkten Einfluss auf dessen Erfolg hat. Abhängig davon, wie die Kinder ihrer eigene Intelligenz einschätzten, entwickelten sie entweder einen "Growth Mindset" (deutsch: Wachstumsmentalität) oder ein "Fixed Mindset" (deutsch: "statisches Selbstbild“). Diese Erkenntnisse zeigen deutlich, dass unser Glaube an unsere eigenen Fähigkeiten, unseren Erfolg und unseren Wachstum tatsächlich beeinflussen können, ob wir effektiv manifestieren, was wir uns wünschen.
Die Psychologie des Manifestierens
Wichtig ist aber, dass wir dazu bereit sein müssen, auch Arbeit in das zu stecken, von dem wir überzeugt sind, dass wir es erreichen können. Dies steht im Gegensatz zur Manifestation des Gesetzes der Anziehung, die nahelegt, dass der Glaube allein ausreicht, um eine Manifestation zu bewirken. Letztendlich legt die Wissenschaft nahe, dass unsere Überzeugungen Verhaltensweisen (und Reaktionen von anderen) hervorrufen, die zu den Ergebnissen führen, die wir uns wünschen.
Optimistische Menschen haben es leichter im Leben
Die Psychologie Professorin Dr. Sonja Lyubomirsky konnte zeigen, dass Menschen, die im Allgemeinen glücklich und positiv sind, mehr Chancen und Möglichkeiten in ihrem Leben anziehen, bessere Beziehungen haben und besser in der Lage zu sein scheinen, das zu verwirklichen, was sie sich vorgenommen haben.
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Und es klingt plausibel: Wer anderen aufgeschlossen und mit einem Lächeln begegnet, erntet mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Lächeln zurück und ist dadurch womöglich häufiger in Gespräche verwickelt, die andere positive Entwicklungen im Leben anstoßen.
Selbsterfüllende Prophezeiung mögliche Erklärung für erfolgreiches Manifestieren
In 1948 prägte der Soziologe Robert K. Merton den Begriff der "selbsterfüllenden Prophezeiung". Diese beschreibt, dass sich unsere Verhaltensweisen an unsere Annahmen einer falschen Realität anpassen, sodass diese schließlich zur Realität wird. Ganz ähnlich funktioniert auch das sogenannte "Thomas Theorem": Es erklärt, dass sich eine bestimmte Erwartung oder Befürchtung tatsächlich erfüllt, weil diese Definitionen einer Situation bewusst oder unbewusst Verhaltensänderungen von Menschen hervorrufen. Klingt komplizierter als es ist: Wenn ich zum Beispiel vor einem Jobinterview schon die Erwartungshaltung habe, dass ich den Job nicht bekommen werde (weil ich denke, dass ich etwa nicht genug dafür bin), dann spiegele ich dieses Verhalten höchstwahrscheinlich auch während des Bewerbungsgesprächs wider und verkaufe mich unter Wert – sodass ich den Job am Ende wirklich nicht bekomme.
Manifestieren ist Psychologie
Umgekehrt setzt das Manifestieren aber einen festen Glauben an etwas voraus, damit es auch wirklich eintreffen kann. Und Menschen, die von vornherein davon überzeugt sind, dass ihr Wunsch sich erfüllen wird, legen unterbewusst schon eine ganz andere Verhaltensweise an den Tag, die ihnen beim Erreichen dieses Wunsches hilft.
Weshalb übrigens so viele Menschen von Erfolgserlebnissen beim Manifestieren berichten, könnte auch damit zusammenhängen, dass wir laut Wissenschaft ("Negativitätsbias") dazu neigen, neutrale Geschehnisse negativer zu bewerten, wenn wir uns bereits in einer negativen Stimmung befinden. Umgekehrt heißt das, dass Menschen mit einer positiveren Grundeinstellung auch vermehrt Fokus auf das legen, was sie bereits von ihren Träumen manifestiert haben.
Manifestieren: Eine Anleitung
Du möchtest Manifestieren auch einmal ausprobieren? Manifestieren kann man lernen. Es lassen sich im Internet zig Anleitungen dafür finden und keine ist so wie die andere. Im Kern lässt sich der Vorgang des Manifestierens aber auf vier Schritte herunterbrechen, welche auch die Psychotherapeutin und Professorin Denise Fournier (Ph.D.) vorschlägt:
- Erschaffe deine Vision: Werde dir darüber bewusst, was du eigentlich willst und formuliere dein Ziel so konkret wie möglich ("Glücklich sein" zählt nicht). Wenn du einen bestimmten Job manifestieren möchtest, überlege dir ganz genau, wie dein Alltag in diesem Job aussieht und welche Aufgaben du darin erfüllst.
- Versuche dir vorzustellen, du hättest deinen Wunsch schon erreicht: Stelle dir mit deinen Gedanken vor, als wäre dein Wunsch schon Realität geworden. Hierbei geht es es darum, dein Mindset auf dein Ziel auszurichten und dich von jeglichen Zweifeln zu verabschieden, die dich davon abhalten könnten.
- Tue alles, was in deiner Macht steht, um deine Vision zu erreichen: Komme ins Handeln und deinem Wunsch dadurch Schritt für Schritt näher. Wenn du zum Beispiel von einem Leben in Selbstständigkeit träumst, dann spricht mit anderen Menschen darüber, wie sie es geschafft haben, setze dich mit deinen Finanzen auseinander etc.
- Beobachte, wie deine Vision langsam Realität wird
Das Problem mit Sätzen wie "Ändere einfach dein Mindset"
Es spricht nichts dagegen, sich Träume und Ziele zu setzen und auf sie hinzuarbeiten. Jeder Mensch hat Wünsche und Vorstellungen davon, wie sein Leben noch besser aussehen könnte. Und gleichzeitig sollte gesagt sein, dass nicht allen Menschen die Türen und Möglichkeiten offen stehen, ihr Wunschleben zu erschaffen – weil sie zum Beispiel keine finanzielle Privilegien besitzen oder sie so sozialisiert sind, dass sie nicht dieselben Chancen haben wie der weiße und wohlhabende Durchschnittsmensch.
Bedeutung nicht überschätzen
Eine Person, die weiß, dass sie finanziell aufgefangen wird, kann es sich auch erlauben, in ihrem Leben ganz andere Entscheidungen zu treffen als jemand, der Entscheidungen in Momenten der Angst und Unsicherheit treffen muss. Daher können vielleicht gut gemeinte Sätze wie "Du musst einfach nur fest genug daran glauben" oder "'Ändere einfach dein Mindset" in den Ohren der Betroffenen dann ignorant und unsensibel klingen. Und wer von einem Schicksalsschlag getroffen wird, hat nicht gut genug manifestiert? Es gibt durchaus Anlass, auch mit einem kritischen Blick auf das Versprechen des Manifestierens zu schauen.
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