Camilla Zuleger gründete 2017 den Nord Verlag, 2018 brachte sie ihre ersten Bücher heraus, und das vor allem mit Hilfe von Google. EMOTION sprach mit ihr über die Gründung, erste Erfolge und skandinavische Literatur.
Camilla Zuleger spricht über Verlagsgründung
Auf Camilla Zuleger wurde ich aufmerksam, weil ich eine Nachricht von ihr bekomme, die anders ist als die Flut der PR-Mails, die täglich mein Postfach überschwemmt. "Der Nord Verlag wurde neulich von mir gegründet und die ersten beiden Bücher sind gerade erschienen", schreibt sie, als würde es sich dabei um die einfachste Sache der Welt handeln. Als ich mit Camilla telefoniere, erzählt sie mir auf Deutsch von der Verlagsgründung, wie sie alles managt, und zwar oft mit Google-Hilfe, und von ihren Zielen.
EMOTION: Camilla, wie bist du auf die Idee gekommen, einen Verlag zu gründen?
Camilla Zuleger: Es war eine relativ spontane Entscheidung. Ich habe an der Uni Literatur studiert und wollte immer gerne etwas mit Büchern machen. Es gibt in Dänemark allerdings nicht so richtig viele Jobs bei Verlagen und wenn, dann muss man viele Kompromisse eingehen. Ein Freund schlug dann vor, dass ich soch einen eigenen Verlag gründen könnte, der skandinavische Bücher in Deutschland vertreibt. Ich fand die Idee gut und habe mich informiert. Einen Verlag zu gründen, ist einfacher, als man denkt und das mit überschaubarem Geld, jedenfalls in Dänemark. Und genau das habe ich vor einem Jahr getan.
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Was hast du bisher herausgegeben?
Zwei Bücher, die im März diesen Jahres erschienen sind. Es sind beides Gedichtbände. "Warum bin ich so traurig, wenn ich so süß bin" von der Norwegerin Ingvild Lothe und "GOLD" von Victor Boy Lindholm, einem Dänen.
Wieso gerade diese beiden Bücher?
Ich möchte zeigen, dass nordische Literatur anders aussehen kann, als das, was es in Deutschland bisher gibt. Die beiden Autoren sind sehr jung und machen moderne experimentelle Literatur. Sie gelten als Sensationen in den Literaturszenen ihrer Länder. Es sind keine klassischen Gedichte, sondern eher Prosagedichte, sie sind sehr persönlich, nah und alltagssprachlich, aber trotzdem schön und poetisch, und auch sehr politisch.
Inwiefern politisch?
Viele Menschen denken, dass Skandinavier immer glücklich sind. Ich möchte zeigen, dass wir auch Sorgen haben und es uns manchmal schlecht geht, aber auch, dass wir Verantwortung Ernst nehmen. In "GOLD" von Victor Boy Lindholm geht es zum Beispiel darum, wie man ein iPhone kaufen kann, wenn man doch weiß, das da Gold drin ist, das von Kindern in Goldminen geschürft wurde. Lindholm behandelt aber auch Rechtspopulismus, also insgesamt recht schwierige Themen. Literatur hat eine politische Position und die sollten wir auch nutzen.
Das andere Buch dreht sich um die Erfahrung einer jungen Frau in der Welt...
Genau. Bei Ingvild Lothe geht es darum, wie man sich körperlich als Frau findet, in einer Welt wie der unseren. Wie man mit der eigenen Sexualität umgeht, aber auch mit schlimmen Erfahrungen, etwa einer Vergewaltigung. Wie geht man insgesamt mit den Anforderungen um, die an uns junge Frauen gestellt werden? Es ist eine große Traurigkeit darin zu finden, Lothe zeigt aber trotzdem sehr viel Humor.
Was ist das Besondere an skandinavischer Literatur?
Ich finde schön, dass wir die gemeinsame Sprache haben, weshalb es einen richtig krassen Austausch zwischen den Ländern gibt. Dänen gehen nach Schweden oder Norwegen für die Autorenausbildung, oder andersherum. Es gibt ein Band zwischen den Autoren hier und man erkennt, wer auf der gleichen Schule war. Und es existiert eine große underground-Szene. Wir haben wirklich unendlich viele Verlage, die die schönsten und merkwürdigsten Bücher machen, und das, obwohl es kaum Leser gibt.
Skandinavier sind für ihren guten Design-Geschmack bekannt. War dir die Optik der Bücher wichtig?
Absolut! Ich wollte Bücher herausgeben, die sofort zeigen: Hier geht es um etwas aus dem Norden. Die nordische Bildsprache sollte erkennbar sein. Aber natürlich ist mir auch die Qualität der Bücher sehr wichtig. Deshalb sind sie auf umweltfreundlichem Papier gedruckt. Der Leser muss spüren, dass es um etwas Besonderes geht, wenn er die Bücher in die Hand bekommt.
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Wie schwierig ist es, Bücher drucken zu lassen?
Das ist wirklich einfach. Ich habe mich im Vorfeld ein bisschen damit beschäftigt, die Bücher wurden in Estland gedruckt. Was hingegen schwierig ist, ist die Distribution. Ich habe unterschätzt, wie groß der Markt in Deutschland ist. Es gibt alle möglichen Distributionsmöglichkeiten, etwa Verlagsauslieferungen oder Großbuchhändler, das ist richtig kompliziert. Vor allem, weil ich noch in Kopenhagen bin. Ich hatte keine Ahnung, wie man das macht und habe einfach mal ein bisschen recherchiert.
Bist du schon in Buchhandlungen in Deutschland vertreten?
In einigen schon. Gerade sind die Bücher bei Libri angenommen worden. Das hat unendlich geholfen. Außerdem gibt es Buchhändler, die nicht über Libri Bücher bestellen, sondern direkt bei mir. In Hamburg gibt es meine Bücher etwa bei stories und bei cohen und dobernigg.
Von wem konntest du lernen? Oder hast du dir alles selbst beigebracht?
Ich habe ehrlich gesagt viel gegooglet und bin selbst überrascht, wie gut das klappt. Ich habe meinen Webshop aufgebaut und einfach gegoogelt: "How to build a webshop". Außerdem hilft mir mein Netzwerk, auch in Deutschland.
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Diese Poster der dänischen Illustratorin Mathilde Juul sind im Webshop vom Nord Verlag erhältlich.
Wie managt du das alles im Alltag?
Ich arbeite nebenbei noch und mit 30 Stunden anderer Arbeit wird viel in der Nacht gemacht. Deswegen muss ich mich auch ein bisschen einschränken. Ich habe wirklich große Ambitionen, musste aber auch im letzten Jahr lernen, dass ich nicht unendlich viele Bücher gleichzeitig machen kann, ich bin froh, wenn ich zwei bis drei im Jahr schaffe.
Welche Bücher können wir in Zukunft von dir erwarten?
2019 wird Norwegen das Gastland auf der Frankfurter Buchmesse sein, was auch heißt, dass wir noch ein norwegisches Buch machen. Ich bin gerade in der Phase, in der ich neue Rechte kaufe. Hoffentlich kann ich bald auch ein schwedisches Buch herausgeben. Dann mal gucken, wie viel Geld noch übrig bleibt.
Vielen Dank für das tolle Gespräch!
Camilla Zuleger, 27, hat einen Master in Dänischer Literatur und Rhetorik und ist sehr mit Deutschland verbunden. Bereits auf dem Gymnasium hat sie Deutsch vertieft, für ihr Erasmus-Auslandssemester war sie in Berlin. Heute lebt sie mit ihrem deutschen Freund in Kopenhagen. 2017 gründete Camilla den Nord Verlag, um Literatur aus Skandinavien in Deutschland zu vertreiben.