Autor Tobias Haberl ist klar, dass Männer sich verändern müssen für eine Welt, in der alle gleichberechtigt leben können. Vorwürfe seien aber ein mieser Motor für diesen Wandel, sagt er. Mit unserer Kollegin Silvi Feist hat er darüber gesprochen, was seiner Meinung nach die größten Herausforderungen des neuen Mannseins sind.
Tobias Haberl ist kein Warmduscher. Er liebt seine Wanne. Dass schon das einigen vorkommen wird wie ein Abgesang auf wahre Männlichkeit, ist ihm bewusst – vielleicht erzählt er genau deshalb, dass er "lächerlicherweise ein Honigschaumbad" nahm, als er in einem "Spiegel"-Interview den Satz von Alice
Schwarzer las, der der Auslöser zu seinem Buch ("Der gekränkte Mann", Piper Verlag) werden sollte: "Rechtsradikale und Islamisten sind im Grunde gleich toxisch, es geht um den gekränkten Mann." Die Worte hallten in ihm wider, zumal er spürte: Männer müssen sich nicht an extremen Rändern bewegen, um zu erleben, dass ihre Männlichkeit hinterfragt, ja, dass das Mannsein oft selbst als toxisch infrage gestellt wird.
Schon aufgeschlossen, machohafte Reste noch vorhanden
Haberl, 47, lebt als Journalist in München. Im heimischen Bayerischen Wald gelte er als "fortschrittlich", sagt er. Dass er so was wie Gendern (Anm. der Red: In unserem Gespräch hat er übrigens konsequent gegendert) ablehnt, ist dort kein Statement, sondern selbstverständlich; in München hingegen trägt das zu seinem Ruf als "Konservativer" bei. Sich selbst sieht er irgendwo zwischen "modern" und "traditionell", "schon aufgeschlossen", "machohafte Reste" noch vorhanden. In diesem Dazwischen war Mann lange gefühlt im Team der Guten. Bis der Feminismus unserer Zeit kam – der konfrontiere Männer heute mit zwei Arten von Kränkungen, sagt Haberl und zitiert den Spruch: "Wenn du Privilegien gewohnt bist, fühlt sich Gleichstellung wie Unterdrückung an." Von den Männern wünscht er sich, dass sie diese Dynamik erkennen und souverän genug sind, Privilegien abzugeben und sich zu verändern.
Aber er sieht auch eine Kränkung, gegen die sich Männer zu Recht zur Wehr setzten. "Mir ist klar, dass Feminismus auch überziehen und laut sein muss", sagt er, "aber wenn die Kritik undifferenziert, ideologisch und destruktiv wird, kann man selbstbewusst dagegen argumentieren und darauf hinweisen, dass es kontraproduktiv ist, wenn eine Diskriminierung mit umgekehrten Vorzeichen fortgesetzt wird." Wir stecken eben alle in unserer eigenen Normalität. Die Diskussionen über Feminismus, Rassismus, Klassismus beginnen gerade erst, das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie ungleich Privilegien verteilt sind.
Männer müssten auch Platz machen, sagt Haberl
Haberl ist überzeugt, es sei weder alles zerstörerisch noch alles egoistisch oder schlecht, was weiße Männer in den letzten Jahrhunderten getan hätten. Die Dinge seien komplizierter und ambivalenter, sagt er, und "mir sind Männer, die sich im Alter ein bisschen bewegen, allemal lieber als kleingeistige Schleimer, die den ganzen Tag feministische Tweets absondern, aber ihren eigenen Ansprüchen im täglichen Leben selten gerecht werden." Von Feministinnen wünscht er sich, dass sie "nicht völlig empathielos auf Männer losgehen", vor allem nicht auf die, "die ganz anders gelebt haben als wir heute". Seine Sorge: "Man verliert diese Männer, sie gehen in die innere Emigration oder rücken nach rechts. Das kann nicht in unserem Sinne sein, wir wollen doch eine gerechtere Gesellschaft und keine verletzten Seelen."
Das mit den verletzten Seelen können natürlich gerade Frauen und marginalisierte Gruppen gut nachempfinden. Sein Männlichkeitsideal? Ein Mix aus Empathie und Verantwortungsbewusstsein, Durchsetzungsvermögen und der Bereitschaft, wenn nötig, auch Risiken einzugehen. Dazu gehöre auch, dass Männer Platz machen müssen. "Sie müssen lernen, den Machtverlust zu akzeptieren, ja, ihn vielleicht sogar selbst zu wollen. Das ist die Kränkung, die sie aushalten sollten und müssen, durch die sie lernen und sich entwickeln und letztlich selbst freier werden können."
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