Auf Instagram und TikTok wehrt sich Tara Wittwer gegen Frauenfeindlichkeit und toxische Männlichkeit. Für ihr Engagement ist sie jetzt als Bloggerin des Jahres ausgezeichnet worden. Am 8. Mai kannst du Tara als Speakerin beim EMOTION Women's Day erleben. Wir haben sie interviewt.
Tara Wittwer wird nicht müde, auf Frauenfeindlichkeit und toxische Männlichkeit im Netz aufmerksam zu machen und sich lautstark dagegen zur Wehr zu setzen. Im Interview mit EMOTION spricht sie darüber, wie sehr Frauen (und auch Männer) von Beurteilung und Verurteilung geprägt sind und wie wir dazu beitragen können, dem ein Ende zu setzen.
EMOTION: Liebe Tara, für wen hast du dein neues Buch "Drama Queen" geschrieben?
Tara Wittwer: Mein Buch ist für alle Menschen, die sich mit Misogynie und der Rolle der Frau in der Gesellschaft auseinandersetzen wollen. Ich hole sie damit aber eher ein wenig aus der "Bubble" raus, wo wir uns gegenseitig erklären, was alles schlimm ist. Oft habe ich nämlich den Eindruck, dass wir dabei nicht wirklich inklusiv denken und Worte verwenden, die vielleicht nicht jede:r kennt.
Goldene Bloggerin
Tara Wittwer ist im April als Bloggerin des Jahres ausgezeichnet worden. Sie gewann den Preis für ihre TikTok- und Instagram-Formate, in denen sie sich gegen toxische Männlichkeit wehrt. Tara Wittwer entschied kurzerhand, dass sie den Preis als Symbol für Diversität mit der Drag-Queen Aria Addams teilen möchte: "Ich möchte ein Zeichen setzen, Aria hat diesen Preis so sehr verdient", sagte Wittwer. Die Verleihung der Goldenen Blogger fand zum 16. Mal statt.
Tara bei Instagram: @wastarasagt
Wie definierst du Misogynie?
Misogynie beschreibt die bewusste und unbewusste Abwertung der Frau und Dinge, die mit Weiblichkeit verbunden werden. Leider beeinflusst diese Frauenfeindlichkeit unser aller Leben, und zwar täglich.
Wie verbannen wir dieses Bild aus unseren Köpfen?
Indem wir an uns arbeiten und keine Angst davor haben, zu realisieren, dass wir selbst umdenken müssen. Es geht darum, Vorurteile abzubauen und etwa zu verstehen, dass ein kurzer Rock, auffälliges Make-up oder eine gewisse Lautstärke beim Sprechen nicht die Glaubwürdigkeit einer Frau mindert.
Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?
Ich selbst war selbst misogyn. Auf allen Ebenen. Slutshaming, Fatphobia – ich habe das alles nicht böse gemeint, weil ich einfach dachte, das sei die richtige Art zu denken. Aber genau darum geht es ja: "nicht böse gemeint" ist trotzdem komplett daneben und reicht als Entschuldigung nicht aus, wenn man Menschen mit Aussagen verletzt. Daher habe ich jahrelang an mir gearbeitet und mich selbst mit meinen internalisierten Dingen, also Verhaltensmuster, Wertvorstellungen und gesellschaftliche Vorurteile konfrontiert. Gott sei Dank hat sich da ordentlich was gelöst. Rückblickend kann ich nur den Kopf über mich schütteln. Mir ist sehr wichtig, nicht mit dem erhobenen Finger aufzuklären. Weil ich weiß, wie es ist, wenn man anders sozialisiert wurde oder vielleicht auch Angst davor hat, Fehler zu machen, sodass man es gar nicht wagt, sich damit auseinanderzusetzen. Nur zählt "wusste ich nicht besser" ab einem Punkt nicht mehr. Man muss sein Denken ändern.
Du willst dich weiterentwickeln? Beruflich und privat? Dann komme jetzt auf den EMOTION Women’s Day. Am 8. Mai veranstalten wir DIE Jobkonferenz für Frauen. Sei dabei im Cinemaxx Hamburg Dammtor!
Kannst du uns ein bisschen auf diesen Prozess mitnehmen? Welche Verhaltensmuster hinterfragst du heute?
Ich glaube, ich hinterfrage alles kritisch. Aber ich bin jetzt endlich die Frau und Freundin, von der ich sagen kann, dass ich stolz auf sie bin. Für die Person, die ich mal war, habe ich mich selbst sehr verurteilt. Vielleicht ist das nicht der gesündeste "selfacceptance-heile-Welt-healing-Way", den wir so oft auf Instagram sehen. Aber ich glaube, dass ich persönlich nur mit einer ordentlichen Ansage an mich selbst lerne. Seitdem bin ich aber ehrlich gesagt auch strenger, wenn es darum geht, wie andere mit mir sprechen. Weist mich jemand in einem herablassenden oder unfreundlichen Ton auf etwas hin, spreche ich direkt an, dass es mich stört. Viele Menschen vergessen oft, wie viele Nachrichten manche von uns am Tag kriegen. Ich lege mittlerweile viel Wert darauf, dass die Leute zumindest höflich sind, auch wenn sie meine Meinung zu einem Thema nicht teilen.
Warum handeln nicht nur Männer frauenfeindlich, sondern auch Frauen untereinander?
Weil Misogynie geschlechterunabhängig ist. Das ist ja etwas, was uns allen anerzogen wurde, womit wir aufgewachsen sind. Deswegen betrifft es uns natürlich alle. Auch Männer leiden unter Geschlechterrollen, die ihnen zum Beispiel verbieten, Schwäche oder Gefühle zu zeigen. Es ist ja fast so, als würden sie zu Maschinen gemacht, was ich menschlich nicht vertretbar ist.
Auf TikTok greifst du in deinem Format "Tiktoxic" auf, wie stark klassische Geschlechterrollen in den sozialen Netzwerken reproduziert werden. Was macht dich besonders wütend?
Besonders wütend macht mich, dass der gesamte Wert einer Frau an die Rolle der fürsorglichen Mutter gekoppelt ist. Auf so vielen Ebenen ist das absolut falsch. Frauen, die beispielsweise gerne Mutter wären aber keine Kinder kriegen können, werden damit noch einmal auf eine besonders perfide Weise abgewertet. Ich möchte zeigen, dass es so viele unterschiedliche Lebensmodelle für Frauen gibt.
Was macht toxische Männlichkeit für dich aus?
Will ich nicht beantworten, weil irgendwelche Männeraktivisten dann ausrasten.
Was wünscht du dir für die Zukunft, besonders wenn es um Female Empowerment geht?
Dass Female Empowerment ernst genommen und nicht als "neue modische Spinnerei" oder "Marketing-gag" verkauft wird. Das kriege ich momentan nämlich leider immer öfter mal mit.
Tara Wittwer spricht auf dem EWD über toxische Maskulinität und internalisierte Misogynie. Erlebe sie live und sei dabei!
Mehr Themen: