Digitale Gewalt anzeigen
Auch wenn es sich nicht immer danach anfühlt: Im Netz gelten Gesetze und auch vermeintlich anonyme Angriffe lassen sich häufig zurückverfolgen. Digitale Gewalt kann und sollte zur Anzeige gebracht werden. Unterstützung dabei bietet zum Beispiel die Beratungsstelle HateAid, die sich auf Hass im Netz spezialisiert hat. Betroffene können hier konkrete Fälle über ein Formular melden und erhalten Beratung und Unterstützung – sowohl emotional, als auch bei der Einleitung rechtlicher Schritte. Außerdem gibt es auf der Website Informationen dazu, wie man die Beweise für Hass im Netz rechtssicher dokumentiert. Besonders wichtig bei einem Screenshot, der als Beweis dienen soll: Neben dem Kommentar oder der Nachricht selbst, muss unbedingt das vollständige Datum und die Uhrzeit der gemeldeten Inhalte zu erkennen sein. Außerdem der (User-)Name der/des mutmaßlichen Täter:in und der Kontext, in dem der Kommentar gepostet oder die Nachricht gesendet wurde.
Was fällt unter digitale Gewalt?
Digitale Gewalt kann viele Gestalten annehmen: Von unerwünschten Nachrichten über beleidigende Kommentare bis hin zu sexistischer oder rassistischer Hetze. Unter anderem zählen die folgenden strafrechtlich relevanten Tatbestände dazu:
Viele Formen der digitalen Gewalt, wie zum Beispiel Cybermobbing, beinhalten zum Beispiel folgende Straftatbestände: Beleidigung (§ 185 StGB), Nötigung (§ 240 StGB) oder üble Nachrede (§ 186 StGB). Auch die Drohung mit einer rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit soll bald, nach einer angedachten Reform des § 241 StGB, strafbar sein.
Auch Hate Speech, oder "Hassrede", beschreibt eine Form digitaler Gewalt, bei der sich die sprachlichen Angriffe gegen marginalisierte Gruppen richten und auf Merkmale wie Hautfarbe, Herkunft, Sexualität, Geschlecht, Alter, Behinderung oder Religion von Menschen zielen. Häufig basiert Hate Speech auf der Annahme, bestimmte Menschengruppe seien weniger wert als andere.
Doxing ist eine Kurzform für "document tracing" und bezeichnet das Erforschen und anschließende Veröffentlichen von persönlichen Daten konkreter Personen mit Hilfe des Internets – also Datendiebstahl. Das Ausspähen von Daten ist nach § 202a StGB strafbar.
Cyberstalking ist die digitale Variante des Stalking: Mithilfe von Internet, sozialen Netzwerken, Smartphones und Co. Laut § 238 StGB ist es strafbar, wenn Stalker:innen durch (Tele-)Kommunikationsmittel versuchen, Kontakt zu Betroffenen aufzunehmen.
Auch die unerwünschte Zusendung pornografischer Bilder (insbesondere "Dick-Pics") ist eine Form digitaler sexualisierter Gewalt. Ein unerwünschtes Penisbild ist gemäß § 184 StGB eine Straftat und kann zur Anzeige gebracht werden.
Du bist nicht allein!
Doch auch, wenn Betroffene sich wehren, Täter:innen blockieren oder rechtliche Schritte einleiten – die seelischen Verletzungen digitaler Gewalt bleiben. Vielen hilft es zu wissen, dass sie mit ihren Erfahrungen nicht allein sind – und mit jemandem darüber zu sprechen. Das können vertraute Personen aus dem eigenen Umfeld sein, aber auch Beratungsstellen. Der Verein Frauen gegen Gewalt bietet Informationen rund um (digitale) Gewalt an Frauen und Beratungsangebote. Beim Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" erhalten Betroffene, Angehörige, Freund:innen und Fachkräfte unter der Telefonnummer 08000 116 016 oder online rund um die Uhr kostenfrei und anonym Unterstützung.
Wenn ich einen generellen Rat geben würde, bzw. etwas mitteilen möchte, dann wäre das die Gewissheit: Man ist nicht allein.
Raúl Aguayo-Krauthausen, Aktivist & Medienmacher, via HateAid
Was Betroffenen geholfen hat
In einem Video der Organisation HateAid berichten Betroffene, was ihnen beim Umgang mit digitaler Gewalt geholfen hat:
Julia Ebner ist Extremismusforscherin und Autorin. Online erhielt sie Drohungen – viele sexueller Natur, aber auch Morddrohungen. Sie sagt, für sie sei es enorm wichtig gewesen, auch während ihr im Netz so viel Hass entgegenschlug in ein Café gehen zu können und zu merken: Eigentlich ist ja doch nicht die ganze Welt gegen mich, sondern auch komplett fremde Menschen schenken mir ein Lächeln. Auch Philipp Awounou, Journalist und Fotograf, berichtet im Video von einer verzerrten Realität: Es gäbe im Netz Räume, die suggerierten, wie die deutsche Gesellschaft sei. Doch wenn er aus diesen Räumen wieder herausginge hätte er nicht den Eindruck, dass das der Realität entspräche.
Julia Ebner findet es außerdem wichtig, sich daran zu erinnern, dass digitale Gewalt nichts mit einer konstruktiven Diskussion zu tun hat und man in solchen Situationen auf inhaltlicher Ebene nichts erreicht. Einige Betroffene wagen sich zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal aus der Deckung und versuchen zu zeigen, was digitale Gewalt mit Menschen macht. So auch Philipp Awounou: "Trotzdem habe ich später dann schon versucht, die Menschen zu kontaktieren. [...] Das war mir auch wichtig", sagt er. "Manchmal hat es das nur schlimmer gemacht und ich habe irgendwie noch mal was abbekommen oder die Menschen haben, glaube ich, so einen kleinen AHA-Effekt gehabt, dass sie gemerkt haben, das trifft tatsächlich gerade jemanden."
Auch Lijana Kaggwa geht als Betroffene aktiv gegen Hass im Netz vor. Die 25-Jährige ist Model und Influencerin und seit ihrer Teilnahme bei Germany's Next Topmodel vor zwei Jahren von digitaler Gewalt betroffen: "Im ersten Moment ist man wütend, aber komischerweise auf sich selber. Und man verliert sich ein Stück weit, [...] weil so viele Leute immer wieder das Gleiche schreiben, dass du am Anfang denkst, die haben recht", sagt sie in einer Dokumentation des ZDF. Lijana schämte und isolierte sich, dachte sogar an Suizid. Jetzt möchte sie anderen Mut machen: "Ich weiß, was mir damals gefehlt hat: eine Schippe Selbstbewusstsein. Und ich hoffe, das kann ich Betroffenen heute mitgeben. Aber ich hoffe auch, ich kann vielleicht einen Täter erreichen oder jemanden, der einfach nur zuschaut und ihn dafür sensibilisieren, was das mit Betroffenen macht und ihn vielleicht zum Umdenken bewegen."
Digitaler Gewalt vorbeugen
Genauso wichtig wie Betroffenen zu helfen ist auch die Prävention digitaler Gewalt. So wird das Problem an der Wurzel gepackt. Der Verein ichbinhier möchte Nutzer:innen sozialer Netzwerke, Medienvertreter:innen und politische Entscheidungsträger:innen für das Thema Hass im Netz sensibilisieren und über Ursachen digitaler Gewalt aufklären. Ziel ist es, mehr digitale Zivilcourage zu fördern. Dazu bietet die Initiative zum Beispiel Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich der Gegenrede sowie Workshops an.
Außerdem unterstützt der Verein die Facebook-Gruppe #ichbinhier, Deutschlands größte Initiative zur Gegenrede. Die über 40.000 Gruppenmitglieder setzen täglich den pauschalisierenden, abwertenden und aggressiven Stimmen in den Kommentarspalten sachliche, konstruktive und menschenfreundliche Kommentare entgegen. Vorbild ist die schwedische Facebook-Gruppe #jagärhär.
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