Hübsche Farben, clevere Schnitte: Die Südtirolerin Ruth Oberrauch hat mit LaMunt eine Bergsportmarke nur für Frauen gegründet. Im Interview mit EMOTION spricht sie darüber, warum es Zeit wurde, endlich die Bedürfnisse von Frauen in der Bergmode mitzudenken – und warum Me-Time am Berg so wichtig ist
Am Anfang war da nur ein "Bauchgefühl", so beschreibt Ruth Oberrauch die Idee zu ihrer Marke LaMunt. Auf einer Skitour saß die Hose nicht perfekt, die Bozenerin hatte das Gefühl: Irgendwie denkt bei der Entwicklung von Bergsportmode niemand so richtig die Bedürfnisse von Frauen mit. Ihr Mann und ihre Freundinnen ermutigten die die 37-Jährige: Dann mach du doch mal selbst! Immerhin ist Oberrauch als Chief Sustainability Officer in der Oberalp-Gruppe beschäftigt, einem Unternehmen für Bergsportmarken wie Salewa oder Dynafit, gegründet von ihrem Vater Heiner Oberrauch. Ruth Oberrauch sammelte Ideen für eine Bergsportmarke "aus weiblicher Perspektive", wie sie sagt. Aber was bedeutet das genau? Ein Gespräch über Frauen am Berg.
EMOTION: 2022 ist die erste Sommerkollektion von LaMunt auf den Markt gekommen. Warum braucht es eine Bergsportmarke speziell für Frauen?
Ruth Oberrauch: Ich bin in den Bergen aufgewachsen. Seit ich denken kann, bin ich in den Bergen sportlich unterwegs. Natürlich entwickelt man da einen gewissen Anspruch an die Funktionalität von Sportmode. Allerdings hat mir immer ein wenig die Finesse in den Outfits gefehlt. Der Bergsport ist relativ laut, mit vielen starken Farben, gerade Linien. Ich konnte mich darin modisch oft nicht wiederfinden. Deshalb wollte ich eine weiblichere Designsprache auf den Markt bringen.
Und mir war mir wichtig, dass wir die unterschiedlichen Körperformen von Frauen berücksichtigen. Bergsportlerinnen sehen nicht alle gleich aus. Also haben wir mit Möglichkeiten gespielt, wie sich Produkte an den Körper anpassen lassen, zum Beispiel über zusätzliche Reißverschlüsse an den Hüften oder extrem elastische Bündchen. Du musst nicht ins Kleidungsstück passen, das Kleidungsstück muss zu dir passen, das ist meine Devise. Es gibt eben Bedürfnisse von Frauen, die bei Unisex-Bergsportmode oft schlicht nicht mitgedacht werden. So ist etwa der untere Rücken sehr sensibel; also habe ich Hosen entwickelt, die einen etwas höheren Rücken haben, der gemütlich gefüttert ist.
Wieso hat es so lange gedauert, bis man im Bergsport die Frauen als Zielgruppe entdeckt hat?
Der Bergsport war lange einfach sehr, sehr männlich geprägt, galt als heroisch. Berge hat man erobert, nicht erlebt. Langsam entwickelt sich aber ein neues Verständnis für den Berg. Viel mehr Frauen gehen in die Berge, um die Natur zu erleben, und das sehr selbstbestimmt, zum Beispiel mit Freundinnen. Natürlich entwickelt sich daraus auch eine neue Zielgruppe für die Bergsportmode, klar.
Womit hängt es zusammen, dass immer mehr Frauen in die Berge gehen?
Outdoorsport ist generell in den vergangenen Jahren beliebter geworden, nicht zuletzt während der Pandemie. Persönlich habe ich das Gefühl, dass die moderne Frau sich einfach mehr zutraut. Es sind nicht unbedingt mehr Frauen, die in die Berge gehen, aber sie tun es unabhängiger. Sie gehen nicht "mal mit den Männern mit", sondern entdecken den Bergsport als Hobby für sich selbst.
Das Thema Hobby ist für viele Frauen schwierig. In Deutschland zumindest sind nur 21 Prozent der Frauen in einem Sportverein angemeldet, aber 35 Prozent der Männer. Wie schafft man es, sich im Alltag zwischen Job und Familienleben noch Zeit für ein aufwendiges Hobby wie Wandern oder Klettern zu nehmen?
Das Stichwort ist für mich hier Me-Time. Es gibt ja ganz unterschiedliche Anforderungen an kleine Auszeiten für sich selbst, manche malen, andere lesen, ich persönlich gehe eben am liebsten in die Berge. Auch deshalb habe ich LaMunt gegründet: Mir geht es mit darum, Frauen zu inspirieren, ihre Me-Time in den Bergen zu verbringen, an der frischen Luft zu sein, Natur zu erleben. Es geht erst einmal nicht darum, sämtliche sportlichen Ambitionen zu verwirklichen – obwohl man natürlich ehrgeizig am Berg sein kann, klar – sondern darum, sich bewusst Zeit für sich selbst zu nehmen.
Du hast selbst einen anspruchsvollen Job – wie organisierst du denn persönlich deine Mountain-Me-Time?
Vor allem habe ich auch zwei Kinder (lacht). Mein Partner teilt die beruflichen wie die privaten Herausforderungen mit mir, für mich ist das die Grundvoraussetzung. Als die Kinder sehr klein waren, war’s schon schwierig, inzwischen – sie sind jetzt acht und zehn – sind wir aber beide sehr gut darin geworden, uns Zeit für uns selbst zu nehmen. Wir haben beide gemerkt, dass wir diese Zeit wirklich brauchen, um den anspruchsvollen Alltag managen zu können. Ich habe zum Beispiel am vergangenen Wochenende eine elf Stunden lange Bergtour gemacht über 1900 Höhenmeter und 22 Kilometer. Danach war ich körperlich total müde, aber im Kopf wieder frei. Natürlich geht man Kompromisse ein – in meiner Jugend war ich schon noch mehr in den Bergen unterwegs als jetzt, außerdem mache ich nicht mehr alle Bergsportarten. Zum Beispiel Klettern, das muss man schon sehr regelmäßig machen, um bei der Sicherheit up-to-date zu bleiben. Darauf verzichte ich dann, weil mir das Wandern und Skitourengehen wichtiger ist.
Wie schaffst du es, am Berg wirklich abzuschalten – Handy aus?
Das Handy habe ich prinzipiell mit, auch aus Sicherheitsgründen, aber ich lasse es meist im Rucksack stecken. Für mich heißt aber Abschalten nicht, dass ich mir verbiete, etwa an die Arbeit zu denken. Vielmehr ist es so, dass ich am Berg oft über Probleme in Ruhe nachdenken kann, die mich die ganze Woche beschäftigt haben, manche Gedankenknoten lösen sich an der frischen Luft wie von selbst auf. Meine Freunde kennen das schon, dass ich auf gemeinsamen Touren manchmal ganz in Gedanken versunken bin; ich ziehe dann das Handy auch schon mal heraus, schreibe mir ein paar Ideen auf, packe es dann aber wieder weg.
Was können auch Urlauber:innen von einem Aufenthalt in den Bergen mitnehmen?
Es kommt darauf an, wie man den Berg nimmt. Der Berg ist eine Umgebung der Naturgewalten, mit denen man umgehen muss. Es kann schon mal eine Gefahrensituation geben, zum Beispiel, wenn ein Gewitter aufzieht. Man muss sich einfach bewusst sein, dass man in der freien Natur ist. Ich mag diesen Respekt vor der Natur, und ich finde es beruhigend, dass es Dinge gibt, die der Mensch nicht kontrollieren kann, wie eben das Wetter. Am Berg lernt man, auf die Natur zu hören – auf das Blätterrauschen, auf das Pfeifen der Murmeltiere, aber eben auch auf das Donnergrollen. Persönlich verstehe ich deshalb auch überhaupt nicht, wie man in den Bergen Musik hören kann! (lacht)
Welche entspannte Bergtour kannst du empfehlen in Bozen und Umgebung – auch für Menschen, die nicht in den Bergen aufgewachsen sind?
Ich gehe gern auf den Tschafon, der ist mit dem Auto eine halbe Stunde von Bozen entfernt gelegen. Man wandert über eine Forststraße und dann über Waldsteige zu einer Hütte, in der es das beste Spinat-Omelett weit und breit gibt. Von dort aus hat man einen superschönen Blick auf den Rosengarten – meinen absoluten Lieblingsberg.
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