Sieben Millennials fahren nach Belgien – ohne Smartphones. Für den Trip hat unsere Autorin sich und ihren Freund:innen Handyverbot erteilt, um herauszufinden: Können wir noch analog entspannen?
Automatisch wandert meine Hand zur hinteren Hosentasche. Die ist leer. Kurze Panik. Dann fällt mir ein: Ach ja, wir haben ja Handyverbot. Vier Tage wollen meine sechs besten Freund:innen und ich in einem Haus nahe dem belgischen Örtchen Remouchamps verbringen – ohne Smartphones. Einfach, um der digitalisierten Welt mal für einen Moment zu entkommen und vor allem, um zu sehen: Geht's auch ohne?
Im Vorhinein haben wir uns viele Gedanken gemacht: Wie sollen wir uns bitte in einem fremden Land ohne Google Maps zurechtfinden? Na, wie früher! Mit einer gedruckten Karte, die man auf zwei Meter ausbreiten muss, um den Weg zu finden. Die Karte habe ich tatsächlich in einem Laden für Landkarten gekauft. Kein Witz, so was gibt's noch.
Nächste Frage: Was ist mit Musik? Müssen wir etwa vier Tage lang in kompletter Stille ausharren? Ein Albtraum für beschallungssüchtige Millennials wie uns. Aber auch da gibt's ja eine praktische Oldschool-Lösung: Auf dem Flohmarkt wird kurzerhand ein CD-Player für einen schlappen Zehner geshoppt – und zu Hause werden die eingestaubten CDs herausgekramt.
So ausgerüstet treten wir also unsere Reise an. Kurzes Geständnis: Wir haben ein bisschen geschummelt. Für die Anreise waren Handys noch erlaubt. Dass wir uns schon auf dem Hinweg verfahren und gar nicht erst ankommen, wollten wir nun doch nicht riskieren.
Erste Hürden
Dann der Moment der Wahrheit: Alle Handys – ja, auch die Arbeitshandys! – sollen ausgeschaltet und in eine Kiste gelegt werden. Gar nicht so leicht: Zora, die im Künstler:innenmanagement arbeitet, telefoniert noch bis zur letzten Sekunde, um etwas für ihren Job zu organisieren. Dann klappt es aber: Die Telefone liegen in der Kiste, wir schauen uns an. Fühlt sich komisch an.
Die erste Feuerprobe: einkaufen. Mit dem Auto, weil das Haus ein bisschen abgelegen liegt. Zum Glück haben wir auf dem Hinweg schon einen Supermarkt ausfindig gemacht. Die Hälfte der Gruppe bleibt im Haus, der Rest macht sich auf den Weg. Wir stehen im Supermarkt – natürlich mit einer handgeschriebenen Einkaufsliste. Mist, gab's Öl im Haus? Zu blöd, dass wir nicht schnell die anderen anrufen können. Na ja, dann kaufen wir zur Sicherheit eben eins.
Wir kochen eine Nudelpfanne aus dem Gedächtnis – Rezepte googeln geht ja nicht – und sitzen danach noch ewig an der langen Tafel und reden. Die Handys? Komplett vergessen. Nur wenn wir schnell googeln wollen, in welchem Film dieser eine Schauspieler noch gleich mitgespielt hat, treten kleine Entzugserscheinungen auf. Die Zeit verfliegt schnell, auch weil wir keine Smartphones neben uns liegen haben, die uns ständig daran erinnern, wie spät es ist. Die einzige Uhr, die wir haben, ist die am Ofen in der Küche.
Leben wie im Jane Austen-Roman
Überhaupt ist Zeit ein Faktor, den keiner von uns auf dem Schirm hatte. Unzählige Male am Tag ziehe ich normalerweise mein Handy aus der Tasche, um nachzuschauen, wie viel Uhr es ist. Das nun nicht tun zu können, ist irgendwie befreiend – aber auch ungewohnt. Und es macht mich nervös. In der ersten Nacht wache ich mehrere Male auf, ohne zu wissen, wie spät es ist und ob wir nicht schon den halben Tag verschlafen haben.
Irgendwann habe ich genug vom unruhigen Hin- und Herwälzen und stehe auf. Alle anderen schlafen noch. Normalerweise hätte ich mich jetzt zurück ins Bett gekuschelt und durch Instagram gescrollt. Stattdessen lese ich ein Buch, setze mich auf die Fensterbank, beobachte die Enten unten am Fluss und fühle mich ein bisschen wie die Hauptfigur in einem Jane Austen-Roman.
Das Gute daran, keine Uhr zu haben: Man lebt einfach in den Tag hinein, ohne sich von irgendwelchen Zeiten etwas vorschreiben zu lassen. Wir essen, wenn wir Hunger haben, und gehen schlafen, wenn wir müde sind. Langweilig wird uns in dem großen Haus, das wir auf belvilla.de gebucht haben, nicht: Es gibt einen Billardtisch, eine Sauna, ein Außenbad und eine Boulebahn.
Entdeckungstour
Am dritten Tag machen wir uns dann doch mal auf, um uns die Umgebung anzuschauen. Siehe da: In diesem kleinen belgischen Dörfchen befindet sich doch tatsächlich eine Grotte mit der längsten unterirdischen Bootsfahrt der Welt (das behaupten zumindest die Guides).
Nach der atemberaubenden Führung durch die Tropfsteinhöhlen wollen wir noch schnell für abends einen Tisch im Restaurant reservieren. Beim ersten der drei Lokale in Remouchamps lesen wir die Öffnungszeiten: "Fermé le mercredi" – äh, welcher Wochentag war "mercredi" auf Deutsch noch gleich? Anscheinend Mittwoch, denn es sieht nicht so aus, als ob sie geöffnet haben. Wahrscheinlich ist da Ruhetag in ganz Remouchamps, denn auch die anderen Restaurants haben geschlossen – leider genauso wie die Touristeninfo. Zum Glück ist einer der Guides aus den Grotten noch da. Als wir ihn fragen, wo man hier noch was zu essen bekommt, lacht er nur: "Da müsst ihr wohl in die nächstgelegene Stadt fahren."
Challenge accepted! Endlich kommt die Landkarte zum Einsatz. Es dauert eine Weile, bis wir uns zurechtfinden, aber wir schaffen es tatsächlich bis in die nächste Kleinstadt. Bei der Auswahl des Restaurants müssen wir uns wohl oder übel auf unsere Intuition verlassen – und nicht auf Google-Bewertungen.
Aus den Augen, aus dem Sinn
Nach vier Tagen handyfreiem Urlaub sind wir uns einig: Es hat richtig gut getan, mal nicht die ganze Zeit erreichbar zu sein. "Ich will mein Handy gar nicht zurück", seufzt Jacky, die in unserer Gruppe eigentlich als Insta-Queen bekannt ist. Ein paar von uns lassen ihr Smartphone noch eine Weile ausgeschaltet. Friedrich, der als Journalist arbeitet, checkt als allererstes die Nachrichten. Und Lisa ruft ihren Freund an, der nicht dabei sein konnte, weil er als Musiker gerade seine erste Tour als Voract gespielt hat. Dass sie ihn in dieser aufregenden Zeit nicht unterstützen konnte, sei ihr schwergefallen, sagt sie. Aber als Entschädigung hat sie ein Poesiealbum für ihn besorgt, in das wir alle kleine Nachrichten geschrieben haben.
Wirklich vermisst haben wir unsere Smartphones allerdings alle nicht. Wie sagt man so schön? Aus den Augen, aus dem Sinn. Die vier Tage haben uns daran erinnert, dass unsere Handysucht doch mehr mit Gewohnheit als mit echtem Bedürfnis zu tun hat. Wir haben uns schnell daran gewöhnt, das kleine Gerät nicht mehr ständig griffbereit zu haben und alles gleich nachsehen zu können.
Für uns ist es mittlerweile so normal, jedes Problem mit einem Klick oder einem Swipe zu lösen, dass wir oft vergessen, in der analogen Welt präsent zu sein. Eine digitale Auszeit gibt uns die Chance, unsere Umgebung und unsere Mitmenschen bewusst wahrzunehmen und wertzuschätzen. Ab und zu loszulassen und das Leben mit all seinen kleinen Abenteuern auf sich zukommen zu lassen, tut unglaublich gut. Es erinnert uns daran, was wirklich wichtig ist: unvergessliche Momente zu erleben, mit Menschen, die man liebt. Und diese Momente sind noch mehr wert, wenn man sie nicht sofort auf Instagram teilt.
Die Unterkunft:
Die Ecolodge du Moulin in Remouchamps bietet Platz für bis zu 21 Gäste (auch die hauseigene Sauna). Buchen auf belvilla.de.
Erkunden:
Das Dorf Remouchamps ist relativ beschaulich, wartet aber mit einem großen Highlight auf: die Grotten von Remouchamps. Eine Führung mit Bootsfahrt durch die Tropfsteinhöhle lohnt sich! Die Natur und die Wälder um den Ort laden zudem zum Spazieren und Wandern ein.
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