Einkauf absprechen, Treffpunkte vereinbaren, Herzchen schicken: Unsere Kollegin Miriam und ihr Mann schreiben sich viel übers Smartphone. Tut das der Beziehung noch gut? Für uns verzichteten sie zwei Wochen lang aufs Texten.
Der Versuch ist gerade mal drei Stunden alt, da habe ich das Handy schon in der Hand. Normalerweise hätte ich dem Mann jetzt geschrieben, dass ich an ihn denke. Fast ein bisschen schade, solche Nachrichten bekommt man doch gern. Der Mann und ich regeln eigentlich alles übers Smartphone. Er arbeitet außerhalb Hamburgs, ich in der Stadt. Wir organisieren Einkäufe, Verabredungen, aber vor allem das Leben mit Hund und Pferd per Textnachrichten. Wer ist wann im Büro fertig? Muss der Hund noch mal länger raus? Fahren wir zusammen zum Stall? Wir haben nur ein Auto, deshalb müssen wir uns oft absprechen. Der Mann ist selbstständig und leitet eine Firma, das Handy ist also auch digitales Support-System: Wenn es mal nicht läuft oder ein schwieriger Termin ansteht, bin ich zumindest per Nachricht für ihn da.
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Neue Wege finden
Es bedingt sich also, dass wir vielleicht etwas mehr texten als der Durchschnitt. Dennoch frage ich mich oft, ob es der Beziehung wirklich guttut, wenn man ständig so nah aneinander dran ist – und sei es nur virtuell. Schaffen wir es wohl, uns 14 Tage lang keine Nachrichten zu schicken? Der Mann ist von der Idee erst mal wenig begeistert, macht aber mit und führt auch gleich noch Tagebuch darüber:
Er: Der erste textfreie Tag und gleich ein Notfall: Der Hund ist krank. Ursel war den Vormittag über schlapp und hat sich ständig gekratzt. Die Tierärztin diagnostiziert ein entzündetes Ohr. Ich schreibe der Frau eine Mail.
Das mit der Mail hatte ich erwartet. Ich maile zurück: "Das ist auch verboten! Außerdem ist ein entzündetes Ohr kein Notfall." Trotzdem greife ich zum Telefon. Aber im Gegensatz zu sonst, um anzurufen. Wir besprechen auch gleich den Rest des Tages. Die nächsten beiden Tage laufen besser. In der Mittagspause telefonieren wir kurz miteinander und besprechen den Abend.
Ein guter Nebeneffekt ist, dass unsere Verabredungen verbindlicher werden, weil wir nicht ständig schreiben: "Ich brauch 30 Minuten länger!" Außerdem ist es angenehm, dass das Handy sonst die meiste Zeit still ist. Die wichtigsten Themen besprechen wir jetzt im Auto. Wir diskutieren mehr, weil es doch etwas anderes ist, als wenn man nur eine kurze Nachricht rüberschießt.
Kein Handy, kein Streit – aber dafür zu viele Eier
An Tag vier arbeite ich zu Hause. Im Kühlschrank stoße ich auf drei Bio-Paprika in Plastik. Verpacktes Obst und Gemüse ist eigentlich tabu. Normalerweise würde ich dem Mann sofort schreiben: "Geht gar nicht!" Genau die Art von impulsiver Nachricht, die später zu Streit führt. Stattdessen beginne ich einen inneren Dialog: "Wenn ihr wirklich was fürs Klima tun wollen würdet, müsstet ihr aufhören, zu fliegen!" Totschlagargument, Mist. Jetzt muss ich die Unwägbarkeiten des modernen Lebens mit mir selbst aushalten.
Tag 5: Die Frau trifft sich spontan auf ein schnelles Getränk mit einer Freundin. Wir hatten besprochen, danach Omelett zu essen. Ich kaufe Eier.
Nach dem Drink habe ich noch schnell Eier gekauft. Kurz hab ich noch überlegt, den Mann anzurufen. Jetzt haben wir eben 20 Eier.
Ich hätte lieber weniger Eier und dafür den Einkauf vernünftig organisiert.
Weniger schreiben, mehr quatschen!
Das Wochenende läuft entspannt. Der Mann ist unterwegs, ich hänge mit dem Hund ab, der immer noch krank ist. Früher hätte ich dem Mann zwischendurch geschrieben, wie es Ursel so geht. Aber er hat das die Woche über auch nicht gemacht. Jetzt freut er sich wahrscheinlich, die Verantwortung für den Hund abzugeben, der sonst bei ihm im Büro ist.
Am Montag kocht der Mann, wir essen am Tisch, was quasi nie passiert, weil wir schlimme Couchesser sind. Ich zünde sogar Kerzen an. Es ist nicht so, als würden wir sonst wenig miteinander reden. Aber jetzt nehmen wir uns mehr Zeit, die Dinge zu besprechen. Außerdem wissen wir tatsächlich weniger, was bei dem anderen so passiert. Dennoch haben wir nicht das Gefühl, etwas zu verpassen, stattdessen sind wir tagsüber unabhängiger voneinander. Eigentlich würde ich unsere Beziehung nie als zu eng beschreiben. Offenbar warten wir trotzdem ständig unterbewusst darauf, dass sich der andere meldet. Es ist, als hätten wir mit dem Experiment eine Tonspur abgeschaltet, die immer im Hintergrund lief.
Wenn ich doch was von der Frau hören will, nutze ich unseren Freunde-Gruppenchat bei Whatsapp. Offensichtlich checkt sie nicht, dass ich so etwas schummle. Ein bisschen fehlen mir ihre Nachrichten zwischendurch. Andererseits bin ich überrascht, wie viel unserer Infokommunikation wir lassen können.
Am Ende kommt es dann doch noch zum Plastik-Showdown. Der Mann legt verpackten Spinat in den Einkaufswagen. Stimmt, zu der Paprika hatte ich gar nichts mehr gesagt. Deshalb trifft ihn mein Protest jetzt unvorbereitet. Aber so ein bisschen Face-to-face-Reibung ist doch auch mal gut: Das schafft schließlich auch Nähe.
Dieser Artikel erschien zuerst im EMOTION Sonderheft Liebe 02/22.
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