Gutes tun, um sich selbst zu promoten? Hat Supermodel Toni Garrn nicht nötig. Mit ihrer Stiftung promotet sie lieber richtig gute Ideen – wie Schulbusse für Mädchen in Afrika.
Toni Garrn – aus dem Leben eines Supermodels
"Wartet, er hat mir gerade eine Sprachnachricht geschickt", sagt Toni Garrn. Die 27-Jährige sitzt mit angezogenen Knien auf einem dezent geblümten Sofa im Berliner Soho House und hört die Nachricht ihres Verlobten ab, dem englischen Schauspieler Alex Pettyfer. Dann muss sie noch schnell entscheiden, welche Frisur sie heute Abend zum Dinner von Zalando tragen soll; sie ist das neue Gesicht des Versandhändlers, der auch Interesse an ihrer Stiftung signalisiert, die sich dem Empowerment von Mädchen in Afrika verschrieben hat.
Dann kann es endlich um die wesentlichen Dinge gehen, die Toni Garrn umtreiben, zum Beispiel, wie sie mehr Schulbusse nach Ghana bekommt.
EMOTION: Du bist mit 14 Jahren als Model entdeckt worden. Was würdest du deinem Teenie-Ich heute raten?
Toni Garrn: Iss, wenn du Hunger hast! Und iss auch nur, wenn du Hunger hast. Früher dachte ich, ich müsste anders aussehen. Manchmal habe ich ein paar Tage gefastet und mich dann wieder vollgestopft. Wenn ich zum Beispiel gehört hatte, dass ein bestimmtes Müsli gesund sein soll, habe ich viel zu viel davon vertilgt. Danach ging’s mir natürlich nicht so gut. „Hör auf deinen Körper“ – das hat meine Mutter schon immer gesagt. Früher habe ich das leider nicht verstanden.
Gab es denn Menschen, die versucht haben, dich zu ändern?
Es gab immer welche, die mir einen bestimmten Look verpassen wollten. Aber ich hatte einen engen Familienzusammenhalt, Menschen, denen ich vertrauen konnte. So bin ich mir treu geblieben.
Als Model kriegt man ja ständig zu hören, du bist nicht genug dies und nicht genug das. Ist es in deinem Job schwieriger, sich selbst zu lieben?
Der Job spielt da keine Rolle, das ist für jeden schwer und gehört zur Entwicklung jeder gesunden Persönlichkeit. Man muss sich immer wieder sagen: Du bist genug. Du darfst Fehler machen. Erst wenn man das verinnerlicht hat, kann man wirklich glücklich sein.
Was nervt am Leben aus dem Koffer?
Man kann nicht langfristig planen. Wir machen jedes Jahr mit etwa 20 Leuten Familienurlaub auf Mallorca. Meine Tante fragte mich gestern, ob ich denn dieses Jahr wieder dabei sein werde. Das kann ich zurzeit noch nicht definitiv sagen. Dabei miete ich die Finca für alle und freue mich jedes Mal riesig darauf.
Gerade weil du so ein rastloses Leben führst – hast du manchmal Angst vor dem Älterwerden?
Ich fühle mich sehr bei mir. Vielleicht weil ich schneller erwachsen werden musste als andere und schon früh selbstständig war. Angst vor dem Alter habe ich nicht, immerhin bin ich ja auch erst 27. Ich freue mich im Gegenteil auf jeden weiteren Lebensabschnitt.
Du bist genug. Du darfst Fehler machen. Erst wenn man das verinnerlicht hat, kann man wirklich glücklich sein.
Toni GarrnTweet
Erzähl uns von Afrika.
Ich hab mich total in den afrikanischen Kontinent verliebt. Wenn ich dort lande, rieche ich schon die Erde. Ich glaube, ich war in einem vorherigen Leben Afrikanerin. Ich habe schon immer gerne afrikanische Musik gehört. Und meine Freunde sagen, ich tanze auch wie eine Afrikanerin.
Was berührt dich sonst an Afrika?
Trotz der Armut, die wir dort erleben, strahlen die Menschen so viel Lebensfreude aus. Ich selbst brauche dort auch nur zwei T-Shirts und eine Hose, das genieße ich. Ich liebe es, auf dem Boden zu sitzen, mit den Händen zu essen. Ich liebe auch die Bodenständigkeit in Afrika, sich richtig authentisch zuzuhören und zu lachen, ohne dass es aufgesetzt ist.
In den Projekten, die wir besuchen, fehlt das ganze Materielle. Und weil ich so früh in Berührung kam mit der materiellen Seite unserer Gesellschaft, fühle ich mich sogar noch stärker zu dieser anderen Welt hingezogen.
Neben deinem Engagement für Plan International hast du deine eigene Stiftung gegründet. Warum?
Ich wollte mich noch intensiver und unabhängig von einer großen NGO engagieren. Wir arbeiten jetzt direkt mit Organisationen vor Ort. Ich kenne viele der Mädchen, denen wir helfen, persönlich und weiß genau, wo die 100.000 Dollar landen, die ich gerade in New York gesammelt habe.
Wo zum Beispiel?
Wir unterstützen Schulen in Ghana, Ruanda, Burundi und Simbabwe, vor allem auf dem Land. Auch wenn ich keine Millionen an Spenden zusammenbekomme, erreichen wir viel. Zum Beispiel haben wir einen Sponsor gefunden, der Schulbusse von Boston nach Ghana verschifft hat, sodass Mädchen dort jetzt sicher zur Schule kommen, ohne viele Stunden hin- und zurücklaufen zu müssen.
Wir haben auch den Bau von Schulwohnheimen und separaten Waschräumen für Mädchen finanziert. Mädchen kommen häufig nicht mehr zur Schule, sobald sie ihre Tage haben. Sie brauchen einen Ort, an dem sie ihre Binden ausspülen und trocknen können, abgeschirmt von den Jungs.
Trotzdem würden die meisten Eltern dort eher in ihre Söhne investieren.
Deshalb organisieren wir Girl-Camps mit Tanz und Talentshows. Dort dürfen die Mädchen einfach Mädchen sein; sie bekommen einen geschützten Raum, in dem es nur um sie geht und sie über ihre Bedürfnisse, Ängste und Träume sprechen können. Ein anderes Problem ist, dass viele Gesetze in den ländlichen Gegenden gar nicht umgesetzt werden, weil die Gemeinschaften noch nach alten Regeln leben. Heirat erst ab 18? Das entscheidet am Ende oft der Dorf-Chief.
Wenn man immer nur stark sein will, verpasst man viel.
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Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern ist ja auch bei uns ein brennendes Thema. Was macht Frauen zu guten Führungskräften?
Frauen sind empathisch, können sich besser in andere hineinversetzen als Männer. Und sie hören richtig zu, verstehen auch das Zwischenmenschliche. Meist ist ihr Ego auch nicht so groß. Wenn man immer nur stark sein will, verpasst man viel.
Und was können wir uns im Gegenzug von den Männern abgucken?
Egoistischer zu sein. Ich übernehme mich oft, sage zu allem Ja – und werde später dann prompt krank. Wir Frauen müssen mehr an uns selbst denken.
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