Grenzen setzen kann das Gebot der Stunde sein, um uns selbst zu retten. Vor Homeoffice 24/7, überzogenen Erwartungen, nervigen Kontakten. 6 Probleme und Lösungsstrategien.
Grenzen setzen: 6 Tipps, wie du dir in der aktuellen Situation selbst helfen kannst
In schwierigen Zeiten ist es selbstverständlich, mehr als sonst zu leisten – doch in der Coronakrise geht das jetzt schon seit Monaten! Der Arbeitgeber erwartet Überstunden trotz Kurzarbeit. Der Partner sitzt gestresst mit im Homeoffice. Die Kinder langweilen sich. Der Nachbar will Hilfe, und eine Freundin nervt auf Facebook mit ihren Verschwörungstheorien.
Auch in einer Krise ist es wichtig, eigene Bedürfnisse und Wünsche nicht zu vergessen. Nur so ist es möglich, über längere Zeit stark zu bleiben und sich nicht völlig zu verausgaben,
sagt Coach und Buchautor Attila Albert.Tweet
1. Nein zum Nachrichten-Stress!
Wenn man wollte, könnte man sich nur noch mit dem Coronavirus beschäftigen: Was sagen die Virologen und Fachärzte, welche Folgen erwarten Unternehmer und Politiker – und wer hat nun Recht, wenn die Experten streiten? Gleichzeitig ist vieles davon überhaupt nicht relevant für dein Leben. Musst du über die Lage in jeder Ecke der Welt Bescheid wissen, jeden empörten Videoclip gesehen, jeden verrückten Internet-Post gelesen haben?
Lösungsidee: Lass dich nicht von der Flut an Nachrichten überrollen und in jede Diskussion hineinziehen. Begrenze deinen Nachrichtenkonsum und wähle gezielt aus: Was ist bedeutsam für dich, welche Quelle ist zuverlässig? Nicht selten sind die lokalen Informationen diejenigen, die über deinen Alltag entscheiden. Wechsle danach bewusst das Programm: Ein schöner Film, gute Musik, ein anregendes Buch oder Magazin entspannen und stärken dich.
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2. Nein zu egoistischen Partnern!
Viele Paare mussten in den letzten Wochen feststellen, dass sie grundlegende Fragen nie geklärt hatten, etwa die Aufgabenteilung in der Beziehung. Vieles wurde stillschweigend vorausgesetzt oder aus Konfliktangst nie angesprochen. Nicht selten fühlen sich nun beide gleichzeitig einseitig belastet und in traditionellen Rollen gedrängt: SIE zu Hausarbeit und Kindern, ER zur finanziellen Hauptverantwortung – obwohl beide arbeiten.
Lösungsidee: Sorgt hier zusammen für einen fairen Ausgleich! Plant den Alltag (z. B. das tägliche Kochen, Kinderbetreuung neben der Arbeit) so, als würdet ihr neu zusammenziehen. Am besten: Aufgabenliste und Wochenplan schreiben, sichtbar aufhängen. Dein Partner ist dabei nicht dein Gegner, aber manches muss hart ausdiskutiert werden. Nehmt Rücksicht, wenn einer etwas gar nicht will (z. B. ein Geschäft betreten). Dafür muss er woanders mehr tun.
3. Nein zu unrealistischen Chefs!
Schon aus eigenem Interesse ist dir das Wohlergehen deines Arbeitgebers wahrscheinlich wichtig. Zeige deshalb Verständnis für betriebliche Sorgen, überlastete Chefs und Kollegen. Gleichzeitig kannst du nicht alle Probleme lösen. Insbesondere, wenn sie schon viele Jahre zurückreichen und nur jetzt nicht mehr wegzureden sind (z. B. zu wenig Mitarbeiter oder Gewinn schon vor der aktuellen Krise). Versuche hier nicht, nun alles auszugleichen.
Lösungsidee: Es kann sinnvoll sein, deine reale Arbeitszeit und erledigte Aufgaben zu protokollieren, wenn dein Chef immer neue Wünsche hat. Frage nach Prioritäten und was notfalls verschoben oder gestrichen werden kann. Falls du trotz Kurzarbeit widerrechtlich voll weiterarbeiten sollst, fordere flexiblere Arbeitszeiten oder einen anderen Ausgleich. Ansonsten: Auch jetzt kannst du Bewerbungen verschicken, deine Kontakte mal anrufen oder anschreiben.
4. Nein zu Internet-Nervensägen!
Wenn dir jemand Artikel oder Videos schickt, die eine Verschwörungstheorie belegen sollen, kannst du sie ignorieren und ungelesen löschen. Auch, wenn die Nachricht von Verwandten, Freunden oder Bekannten kommt. Meist fehlt sowieso eine persönliche Anrede oder sie geht an mehrere Empfänger ("Anschauen und teilen!"). Wird es dir zu viel, hilft oft ein Anruf oder eine Sprachnachricht: "Ich möchte nicht, dass du mir diesen Unsinn schickst!"
Lösungsidee: Auf Facebook kannst du nervige Kontakte stummschalten, ohne dass sie es merken. Auf WhatsApp darfst du andere blockieren. Das ist zwar unangenehm, aber: Wer Unsinn verbreitet, muss mit den Konsequenzen leben. Es braucht dir also nicht peinlich sein. Eine diplomatische Begründung wäre: "Ich rede lieber persönlich mit dir." Weniger freundlich, dafür unmissverständlich: "Du hast dich online einfach nicht unter Kontrolle."
5. Nein zu aufgedrängten Gesprächen!
Jedes gute Gespräch setzt voraus, dass sich beide Seiten für das Thema interessieren und einander auch zuhören. Wenn dich das Thema (z. B. Impfungen) nervt, langweilt oder gar abstößt, darfst du sagen: "Ich möchte mich nicht darüber unterhalten. Das interessiert mich nicht." Und wenn es nicht aufhört: "Tut mir leid, aber dann können wir uns vorerst nicht mehr sehen." Du musst dich nicht erklären, rechtfertigen oder dir etwas aufzwingen lassen.
Lösungsidee: Besonders einseitig verlaufen Online-Diskussionen, etwa auf Facebook. Hier ist es fast immer besser, das Gespräch auf eine persönliche Ebene zu verlagern: Ein Telefonat oder einen Videochat vereinbaren oder sich zu einem Spaziergang treffen. Dann über Sorgen und Ängste auszutauschen, aber auch schöne Aspekte nicht vergessen: Was habt ihr in dieser Zeit über eure Stärken gelernt, welche Talente (z. B. Haareschneiden) entdeckt?
6. Nein zu ausuferenden Bitten!
Aus allen Ecken kommen in Krisenzeiten immer neue Bitten. Ein Nachbar fragt nach Hilfe beim Einkauf und schreibt u. a. zwölf 1,5-Liter-Flaschen Mineralwasser (18 Kilo Gewicht) auf. Der Lehrer möchte ein Klassenkonzert via Skype organisieren, Instrumente mögen die Eltern irgendwo leihen. Deine Mutter würde gern mehrmals am Tag mit dir telefonieren, da sie sich einsam fühlt. Deine Lieblingsbar erbittet Spenden, um nicht pleite zu geben.
Lösungsidee: Hier hat es keinen Sinn, sich zu ärgern oder zu verzweifeln. Jeder hat das Recht, dich um Hilfe zu fragen oder um Gefallen zu bitten. Du hast aber auch weiterhin das Recht, zu all dem auch Nein zu sagen – ohne lange Erklärungen oder Diskussionen. Wenn du dich nicht schlagfertig genug fühlst, übe vorab mögliche Antworten vorab: "Das möchte/kann ich nicht", "Das passt mir nicht". Hilf gern, aber freiwillig und nur innerhalb deiner Ressourcen.
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