In Spaß-Momenten zeigen sich verborgene Teile unserer Persönlichkeit, sagt die Wissenschaftsjournalistin Catherine Price. Das wollten wir genauer wissen. Und fragen sie auch gleich: Woran merkt man, dass man gerade richtigen Spaß hat und sich nicht nur durch Instagram oder einen Film berieseln lässt? Und wie können wir mehr Spaß in den Alltag integrieren?
Catherine Price schreibt unter anderem für die "New York Times" und hat in den USA diverse Ratgeber für ein gesünderes Leben veröffentlicht.
EMOTION: Frau Price, Sie sagen in Ihrem gerade erschienenen Buch „The Power of Fun“, dass wir Spaß dringend eine höhere Priorität in unseren Leben einräumen sollten, weil er unsere Persönlichkeitsentwicklung positiv beeinflusst. Warum ist Spaß dafür so wichtig?
Catherine Price: Wenn wir wissen, was uns wirklich Spaß macht, bringt uns das näher an unser wahres Ich heran. Es ist wie eine Rückbesinnung auf unser inneres Kind, ohne Verpflichtungen und Sorgen.
Ihrer Meinung nach verschwenden die meisten Leute ihre Lebenszeit aber mit Fake Fun. Wie unterscheiden Sie echten und falschen Spaß?
Echten Spaß erkennt man daran, dass man sich in einer Sache oder dem Zusammensein mit anderen verliert, Raum und Zeit vergisst und aufhört, die Dinge zu bewerten. Es ist eine magische Mischung aus Verspieltheit, Verbindung und Flow. Nichts, worüber wir nachts grübeln, spielt dann noch eine Rolle – weder unsere Karriere noch Geld oder ein Scheitern. Dagegen sind Binge-Watching, Fotos in den sozialen Medien posten oder endlos durch Feeds scrollen bloß Ersatzbefriedigungen, also Fake Fun, der eine Leere in uns füllen soll.
Wie kommen wir da wieder raus?
Wer mehr Spaß haben will, braucht als Erstes eine gute Screen-Life-Balance. Wir sind heute 24/7 erreichbar, süchtig nach technischen Geräten und besessen von der Jagd nach einem Instagram-tauglichen Vorzeigeleben. Dabei wissen wir oft genau, dass unser virtuelles Ich herzlich wenig mit unserem wahren Kern zu tun hat. Wir sind nicht perfekt, sondern verletzlich, fantasievoll und verspielt – wenn wir es zulassen. Echter Spaß liegt in kleinen, ganz alltäglichen Momenten.
Sie waren selbst mal süchtig nach Ihrem Smartphone, oder?
Eines Nachmittags saß ich zu Hause, mein Mann und meine Tochter waren nicht da und ich wusste nichts Besseres mit mir anzufangen, als auf mein Smartphone zu starren. Dann fiel mir auf: Ich tat es auch beim Stillen, im Ehebett, überall. Ich war zum Zombie geworden! So wollte ich nicht weiterleben. Ich wollte meine Zeit unbedingt wieder mit schönen, erfüllenden Dingen verbringen. Kurz darauf fing ich an, Gitarre zu lernen.
Wie finde ich denn heraus, was mir wirklich Spaß macht?
Fragen Sie sich: Was macht mich neugierig? Worüber will ich mehr lernen? Worin möchte ich besser werden? Vollenden Sie doch mal folgende Sätze: "Es mag albern klingen, aber ich wollte schon immer mal ...", "Früher habe ich oft ...", "Ich fühle mich lebendig, wenn ..." Man kann Spaß haben, indem man gegen etwas rebelliert, etwas Absurdes tut, kreativ ist, sich intellektuell stimuliert, etwas Neues ausprobiert, die Kontrolle abgibt und Routinen verlässt. Finden Sie heraus: Bin ich dabei lieber allein oder anonym unterwegs? Oder mit jemand anderem oder in einer großen Gruppe? Es ist auch okay, wenn Sie etwas, was viele andere als Riesenspaß beschreiben, völlig kaltlässt.
Wie wirkt Spaß in unserem Körper?
Meine Untersuchungen haben gezeigt, dass es essenziell wichtig für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden ist, Spaß zu haben. Er wirkt sich positiv auf mentaler, psychischer und kognitiver Ebene aus. Wenn es Ihnen gelingt, Spaß als Kompass für Ihr gesamtes Leben zu nutzen, werden Sie sich glücklicher und gesünder fühlen, Sie werden produktiver, weniger nachtragend und gestresst sein. Kurz, eine bessere Version Ihrer selbst.
Sie schreiben, dass Spaß ein schlechtes Image habe und wir uns deshalb so wenig davon erlauben. Warum ist das so?
Viele Menschen betrachten Spaß als nicht besonders nachhaltig, sondern glauben, dass es egoistisch und kindisch sei, viel Spaß zu haben – vor allem angesichts der vielen Probleme in unserer Welt. Aber Fakt ist, dass uns Spaß hilft, neue Energie zu tanken, resilienter und ausgeglichener zu werden. Wer ständig angespannt ist, neigt viel eher zu Demenz, Krebs oder Schlaganfällen. Spaß schützt uns auch vor Einsamkeit und Isolation, die wiederum zu Ängsten und Depressionen führen. Einer der Gründe für unsere aktuelle Mental-Health-Krise ist meiner Meinung nach, dass wir zu wenig Spaß haben!
Ich habe Ihr Quiz auf howtohavefun.com gemacht, um herauszufinden, wie es bei mir in Sachen Spaß aussieht. Ergebnis: Ich bin sogar ein "Fun-Generator"!
Oh, Glückwunsch! Dann sind Sie ein Mensch, der in jeder Situation versucht, Spaß zu haben und eine Party erst so richtig in Gang bringt. "Fun-Generatoren" erzählen gern Geschichten, machen Witze und sorgen dafür, dass andere sich wohlfühlen. Das kostet allerdings auch Energie.
Was, wenn ich im stressigen Alltag mal keine Zeit habe, Spaß zu haben?
Dann sorgen Sie dafür, dass Sie zumindest eine Mikrodosis Spaß bekommen. Es gibt wie gesagt drei Spaß-Säulen: Verspieltheit, Verbindung und Flow. Eine davon sollte zum Tragen kommen.
Dieser Text erschien zuerst in EMOTION 03/22.
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