Viele nehmen es morgens als Erstes zur Hand und legen es nachts als Letztes weg: das Smartphone. Die Psychologin Dr. Cornelia Sindermann forscht an der Universität Ulm, wie smart unser Umgang damit ist.
Frau Doktor Sindermann, was macht mein Smartphone mit mir?
(Lacht) Das kann ich nicht so leicht beantworten! Denn es kommt ja darauf an, was Sie mit dem Smartphone machen. Welche Apps nutzen Sie auf Ihrem Gerät? Üben Sie darauf Vokabeln und lesen Texte aus internationalen Zeitungen? Oder checken Sie alle fünf Minuten Social-Media-Kanäle? Lassen Sie sich bei der Arbeit durch Push-Nachrichten ablenken? Gebrauchen Sie Ihr Smartphone zielgerichtet oder schnappen Sie es sich sofort beim ersten Gefühl von Langeweile? Wie der einzelne Mensch es nutzt und auf das Smartphone reagiert, ist eine hoch individuelle Angelegenheit.
Heißt das, die Wissenschaft weiß noch wenig über uns und unsere Smartphones?
Das stimmt so nicht ganz. Studien zeigen zum Beispiel, dass Menschen, die viel zum Smartphone greifen, sich leichter ablenken lassen und eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne haben. Wer sich häufig aufs Navi verlässt, scheint schlechter im Kopf eine gedachte Landkarte bilden zu können. E-Book-Nutzer:innen scheinen sich weniger an Inhalte erinnern zu können als jene, die ein auf Papier gedrucktes Buch lesen. Was man fotografiert, scheint weniger gut im Gedächtnis zu bleiben. Und es gibt den Google-Effekt, den einige Expert:innen diskutieren: Was man leicht über eine Suchmaschine finden kann, vergisst man schneller. Aber ganz wichtig: Wir beobachten hier meist Zusammenhänge. Ursache und Wirkung in diesem Forschungsgebiet zu untersuchen, ist schwer. Das liegt unter anderem schon daran, dass es kaum noch Menschen gibt, die "smartphone-naiv" sind.
Ich schätze, dass ich mein Smartphone circa 1,5 Stunden pro Tag in der Hand habe. Ist das ok? Oder schade ich mir damit?
Es gibt keine festgesetzten Zeitangaben, ab wann die Smartphonenutzung problematisch wird. Als schädlich gilt in der Wissenschaft eine Nutzung, die negative Konsequenzen für Beruf, Schule oder Privatleben hat. Ist das in Ihrem Fall so? Hören Sie Ihrem Partner nicht mehr richtig zu? Leidet Ihre Arbeitsleistung, weil Sie jede Nachricht sofort lesen? Schlafen Sie schlechter? In solchen Fällen könnte man von einer Smartphone-Nutzungsstörung sprechen. Das ist bislang aber noch keine offizielle Diagnose mit definierten Kriterien, anders als wir sie zum Beispiel bei der "Gaming Disorder" haben.
Welchen Einfluss hat die Persönlichkeit auf den Umgang mit dem Smartphone?
Man weiß inzwischen, dass bei Menschen, die weniger gewissenhaft sind, eher eine problematische Nutzung auftritt. Auch wenn Personen grüblerisch, ängstlich und sorgenvoll veranlagt sind und negative Gefühle besonders intensiv wahrnehmen, steigt das Risiko für einen problematischen Umgang mit dem Smartphone.
Kann Digital Detox dagegen helfen?
Die Studienlage ist in der Frage uneinheitlich, mal heißt es ja, mal nein, mal weder noch. Interessant ist dieses Ergebnis: Menschen wurden gebeten, für eine Woche auf soziale Medien zu verzichten. Jene, die zuvor auf Social-Media-Kanälen selbst viel gepostet hatten, empfanden den Verzicht als unangenehm. Wer dort vorrangig Inhalte konsumiert hatte, fühlte sich durch die Abstinenz weder besser noch schlechter. Da die Nutzung des Smartphones und sozialer Medien überlappt, könnten diese Befunde darauf hinweisen, dass die Auswirkungen von Smartphone-Abstinenz je nach Individuum und Nutzung unterschiedlich ausfallen.
Meditation via App, kann das gehen?
Kommt darauf an. Wie ist die App genau programmiert? Wie nutzt man das Angebot tatsächlich? Ich denke, wir müssen uns von der Idee verabschieden, dass es hier Antworten gibt, die immer und für jede:n gleich gelten. Offline ist nicht per se besser, genauso wie Online nicht immer die ideale Lösung ist. Nutzer:innen müssen sich selbst beobachten, reflektieren und von Fall zu Fall eigenständig entscheiden: Tut mir das gut? Hilft es mir weiter?
Dieser Artikel erschien zuerst in EMOTION 4/22.
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