Diese und 38 weitere spannende Benimm-Fragen haben wir einfach mal geklärt. Blickt ja keiner mehr durch, was gerade okay ist. Und bestimmt hast Du Dich ja auch schon gefragt, wem man bei Insta eigentlich DMs schreiben darf? Oder ob ghosten jemals okay ist?
1. Muss ich zu meiner Botoxbehandlung stehen oder darf ich sie geheim halten?
Etwas, das offensichtlich ist, braucht keine Headline. Es ist schnell erzählt: Eine Stirn so glatt wie eine Teflonpfanne ist maximal bis zum Alter der Pubertät natürlich. Danach zeichnet das Leben seine Linien. Wenn man also eine Person trifft, die jenseits der Adoleszenz behauptet, die totale Abwesenheit von Falten komme vom Wasser saufen und Kopfstand machen, weiß man, mit wem man es zu tun hat. Dazu braucht es kein Geständnis. Das kann jede:r so handhaben, wie sie/er möchte. Wichtig ist nur eine Sache: das eigene Gesicht niemals mit einem anderen vergleichen. Bringt nichts als Unglück.
Susanne Kaloff, Autorin
2. Wenn du ein Tinder-Match zufällig im echten Leben triffst, darfst du es ignorieren, außer ihr seid bereits in ein (Online-)Gespräch vertieft.
3. Über Geld spricht man nicht? Quatsch! Frag deine Freund:innen, was sie verdienen, wie sie fürs Alter vorsorgen und was du sonst noch wissen willst.
4. Wenn du einen Anruf entgegennimmst, nenn deinen Namen. Wann und wieso haben wir eigentlich je damit aufgehört?
5. Ist ghosten immer falsch?
Den Kontakt ohne Vorwarnung und Erklärung abzubrechen ist respektlos und kann für die andere Person verletzend sein und sich negativ auf ihren Selbstwert auswirken. Deshalb ist eine klare und direkte Kommunikation in der Regel der beste Weg. Wenn allerdings die andere Person selbst ein Muster von respektlosem, missbräuchlichem Verhalten zeigt oder es um deine eigene Sicherheit geht, solltest du den Kontakt konsequent meiden. Dann gilt Ghosting als Selbstschutz und ist auch oft der einzige Weg, um sich zu schützen.
Dianne Dela Cruz, Sexualpädagogin (@fragdianne)
6. Beim Ghosten vor dem ersten Date drücken wir ein Auge zu.
7. Nein, Fragen nach dem Kinderwunsch sind immer noch nicht okay.
8. Arbeitsmails werden nicht nach 20 Uhr (oder vor 6:30 Uhr) verschickt. Pro-Tipp: fertig tippen und die Verschickzeit festlegen. Das kann dein Mailprogramm.
9. Es gibt nicht den richtigen Moment, um mit jemandem Schluss zu machen. Sag es lieber sofort, das ist auch fairer für dein Gegenüber.
10. Es geht dich nichts an, weshalb jemand keinen Alkohol trinkt. Frag also nicht nach dem Grund.
11. Die Zeit, in der du zuhörst, ist nicht dazu da, um im Kopf zu üben, was du als nächstes sagen willst. Hör einfach zu!
12. Wer ghostet, muss auch Geist bleiben.
13. Wem darf ich DMs bei Insta schreiben (und wem nicht)?
Dürfen darf man auf einem Medium, das derart selbstverliebt ist, beinahe alles. Fällt eh kaum jemandem auf, weil alle mit sich selbst beschäftigt sind. Eine Direktnachricht an eine wildfremde Person hat ohnehin gute Chancen, gar nicht geöffnet zu werden. Zumindest kann man so tun, als habe man sie nie gelesen und direkt in den Papierkorb gepfeffert. Absender:innen einer DM sollten sich aber vor dem Senden trotzdem immer folgende Frage stellen: Funktionieren meine Impulskontrolle und mein sozialer Filter noch? Private Nachrichten sind dann okay, wenn sie freundlich formuliert sind, das heißt, wenn sie eine Anrede beinhalten wie "Hallo" statt "Nehme ich!" (sollte es sich um eine Reaktion zu einem Insta-Sale handeln). Sie sollten weder Forderungen noch Vorwürfe beinhalten und im besten Fall mit freundlichen Grüßen abschließen. Und nein, einer Person, die man noch nie im Real life gesehen hat, schickt man keine dreiminütige Sprachnachricht (gestückelt in drei Teile, weil Instagram nur eine Minute erlaubt), als sei’s die beste Freundin. Nein, auch dann nicht, wenn man sie total toll findet und sicher ist, ihr Soulmate zu sein.
Susanne Kaloff, Autorin
14. Darf ich Leute nach ihrem Pronomen fragen?
Ich denke, das Wichtigste ist für mich als cis heterosexuelle Frau, meine eigenen Pronomen sichtbar zu machen. Auf meinen Social-Media-Profilen zum Beispiel. Die "vermeintliche Norm" hat das Privileg, unbenannt zu bleiben, sich selbst nicht benennen zu müssen. Der erste Schritt ist daher, das sichtbar zu machen. So wie weiße Menschen auch ihr Weißsein benennen sollten und nicht immer nur "die vermeintlich anderen" benennen.
Tupoka Ogette, Autorin und Expertin für Rassismuskritik. Ihr aktuelles Buch "Tag für Tag aktiv gegen Rassismus" ist im März bei Penguin erschienen.
18. Mein Kind spielt "Cowboy und Indianer". Was tun?
Kinder brauchen Kontext. Wenn sie verstehen, dass diese Verkleidungen für Native Americans verletzend und entwürdigend sind und an Ausbeutung, Tod und Unterdrückung erinnern, wollen Kinder das meiner Erfahrung nach nicht reproduzieren. Kinder haben einen großen Gerechtigkeitssinn. Wenn sie durch rassismuskritische Erwachsene begleitet werden, können sie lernen, sich gegen Ungerechtigkeit zu wehren, anstatt mit stereotypen Bildern gefüttert zu werden. Daher ist es wichtig, dass vor allem die erwachsenen Menschen um die Kinder herum die Geschichte des Rassismus kennen und selbst lernen, darüber zu sprechen.
Tupoka Ogette, Autorin und Expertin für Rassismuskritik
19. Wenn du ein Gesichts-Déjà-vu hast, die Person aber noch nie zuvor getroffen hast, behalt es für dich. Niemand hat gern ein Allerweltsgesicht.
20. Darf ich vor meinen Freund:innen einen Beziehungsstreit führen?
Grundsätzlich ist es nicht in Ordnung, den Beziehungsstreit vor Freund:innen auszutragen, da damit alle in eine unangenehme Situation gebracht werden. Beziehungen, egal ob freundschaftlich oder romantisch, sollten immer auf Respekt beruhen und dazu gehört es, private Details auch privat zu halten. Eine Ausnahme könnte sein, wenn ihr euch den Rat von Dritten einholen wollt und alle Beteiligten vorher damit einverstanden sind.
Dianne Dela Cruz, Sexualpädagogin (@fragdianne)
21. Muss ich zu allem eine Meinung haben?
Eine starke Meinung zu haben gehört in einer Welt, die in den letzten Jahren hier und da absurde Züge angenommen hat, zum guten Ton. Selten war so viel Gesinnung. Alle wissen was, was jene, die anderer Meinung sind oder gar keine haben, offenbar nicht wissen. Haltung zu beziehen, einen Standpunkt zu vertreten, wo stehe ich, wie stehe ich dazu, warum bin ich für und warum gegen das, ist sicher relevant für die mentale Gesundheit, weil das Bilden einer eigenen Betrachtungsweise dabei helfen kann, das manchmal meschuggene Leben besser zu verstehen – oder wenigstens besser zu verstoffwechseln. Zwischen eine Meinung haben und seinen Senf unter allen Umständen jederzeit ungefragt seinen Mitmenschen vor die Füße zu kippen, existiert jedoch ein Unterschied. Wer die eigene Denke schätzt, muss nichts beweisen. Dann hat man die Gelassenheit, einfach mal die Klappe zu halten. Und die Größe zuzuhören, was andere so meinen.
Susanne Kaloff, Autorin
22. Du weißt es eigentlich: Ein Super-Like zu vergeben ist cringe.
23. Man sagt ja immer, man soll über Sex reden. Aber darf ich mit meinen Freundinnen über die Geschlechtsorgane meiner Partner:in sprechen?
Offen über Sex zu sprechen bedeutet nicht, persönliche und private Dinge über andere und vor allem über nicht anwesende Personen zu teilen. In jeder Beziehung muss die Privatsphäre und Würde des Partners oder der Partnerin respektiert und verantwortungsbewusst mit sensiblen Informationen umgegangen werden. Intime Details wie die Geschlechtsorgane deines/r Partner:in mit Dritten zu besprechen, ohne sein/ihr Wissen und Einverständnis, ist schlichtweg respektlos. Anders ist es, wenn man zum Beispiel den Rat aufgrund einer Erkrankung einholen möchte. Immer vorausgesetzt, dass Konsens zwischen allen Beteiligten herrscht.
Dianne Dela Cruz, Sexualpädagogin (@fragdianne)
24. Akzente sind nicht süß!
25. Sprachnachrichten in Podcast-Länge müssen nicht angehört werden. Ruf halt an.
26. Darf ich in den Urlaub fliegen, obwohl ich beim Klimastreik mitgelaufen bin?
Selbstverständlich. Wir können als individuelle Mitglieder der Gesellschaft nicht im Alleingang das Klima retten. Dafür sind wir auf weitreichende Entscheidungen der Politik angewiesen. Das Narrativ, die Welt verändern zu können, ohne zu fliegen, und stattdessen eine Bambuszahnbürste zu kaufen, erzählt sich so schön und entbindet Wirtschaft und Politik von ihrer Verantwortung. Deshalb kann ich beim Klimastreik mit- laufen und in den Urlaub fliegen. Diese Gleichzeitigkeit der Dinge müssen wir aushalten. Ob jeder Flug notwendig ist oder ob ich jedes Jahr fliegen muss, das ist eine andere Frage.
Ninia LaGrande, Moderatorin und Autorin
27. Was du zu einer Party mitbringst, bleibt bei der Party – ja, auch der Rest von deinem Lieblingskuchen, den du extra gebacken hast.
28. Frag nicht nach der Herkunft, auch wenn es dich "wirklich" interessiert.
29. Kontere ein Kompliment nicht mit einem Gegenkompliment. Trau dich, danke zu sagen.
30. Wer zahlt beim ersten Date?
Jede:r für sich! Wichtig dabei, vor allem bei unterschiedlich hohen Einkommen: ein Restaurant aussuchen, das sich beide leisten können. Gibt es weitere Dates, sollte man absprechen, wie beide sich am wohlsten fühlen. Getrennte Rechnung? Abwechselnd zahlen? Vom Einkommen abhängig machen? Hauptsache, man spricht darüber. Denn auch wenn das Thema Geld vor allem im Dating als unsexy gilt, darüber zu sprechen ist der Grundstock jeder gleichberechtigten Beziehung.
Anna Dunst, EMOTION-Redakteurin
31. Muss ich geschenkte Bücher wirklich lesen?
Auf keinen Fall! Bücher sind Herzensprodukte, die man (wenn nicht aus beruflichen Gründen) freiwillig und mitviel Lust und Neugier konsumieren darf. Ich glaube, dass man ein geschenktes Buch, das einem nicht wirklich zusagt, mit gutem Gewissen weiterschenken darf. Es gibt mit Sicherheit jemanden, der sich darüber freuen wird. Und der Person, die es mir geschenkt hat, würde ich auf Rückfrage ganz offen sagen, dass es dieses Mal leider nicht meinen Geschmack getroffen hat – und gleich mit ihr zu Lieblingsbüchern und -themen ins Gespräch kommen.
Anne Friebel, Verlegerin, Palomaa Publishing
32. Darf ich im Gespräch aufs Handy gucken?
Wenn ich meinem Gegenüber das Gefühl geben möchte, gehört und verstanden zu werden, sollte ich es lieber nicht tun. Während eines Gesprächs aufs Handy zu schauen, zeugt immer von Ablenkung und vermittelt, dass man gerade Wichtigeres zu tun hat. Ideal wäre, das Telefon zur Seite zu packen, während man sich unterhält. Und falls es doch Dringendes zu checken gibt oder man auf die Uhr schauen möchte, am besten direkt ansprechen: "Du, entschuldige bitte, aber ich muss mal kurz schauen, ob …" – und das idealerweise nicht häufiger als ein- oder zweimal im Gespräch.
Anne Friebel, Palomaa Publishing
33. Kinder- und Hundebilder interessieren niemanden mehr als die Eltern oder Halter:innen. Nach der dritten WhatsApp in Folge dürfen Empfänger:innen sich tot stellen.
34. Beileidsbekundungen per Textmessage – ein No-Go?
Wie bei allen Dingen, kommt es auf den Zusammenhang an. Der Kontext ist nicht Leben oder Tod, sondern in welchem Verhältnis man zu der Person steht, die leidet. Wenn es sich um Familie und Freunde handelt, bekommt man das im besten Fall direkt mit. Wenn es sich aber um entfernte Bekannte dreht, kann man mit dem Timing eklatant danebenliegen. Bei einer Kollegin, mit der man noch nie Privates geteilt hat, am Abend ohne Vorwarnung anzurufen, bloß um das obligatorische, herzliche Beileid abzuladen, ist nicht ideal. Man überschreitet damit im Namen der Anteilnahme eine Grenze, weil man nicht umreißen kann: Wo steht dieser Mensch gerade? In dem Fall zeigt man mehr Mitgefühl mit achtsam gewählten Worten, die man in eine SMS packt. Und lässt die Betroffenen selbst den Zeitpunkt wählen, an dem sie Beileid oder einfach erst mal ihre Ruhe wollen.
Susanne Kaloff, Autorin
35. Gib mit deinen Freund:innen an! Wir alle freuen uns über Support. Deine beste Freundin macht was richtig Tolles? Erzähl es allen!
36. Ist es okay, meine Kamera im Zoomcall auszulassen?
Kommt drauf an – und zwar auf die Anzahl der Personen im Videocall: Ist es eine große Gruppe, mag es okay sein, die Kamera auszuschalten. Seid ihr wenige, ist es respektlos. Wer will schon mit einer schwarzen Kachel reden?
37. Sag nichts über Leute, das du ihnen nicht auch ins Gesicht sagen würdest.
38. Darf ich Fotos vom Abend mit meinen Freund:innen posten, ohne sie zu fragen?
Kurze Antwort: Nein. Lange Antwort: Meine Friends haben genau wie alle anderen Menschen das Recht am eigenen Bild. Ich frage immer, ob es okay ist, wenn ich dieses oder jenes Bild poste. Und ich erwarte auch, dass ich gefragt werde. In 99 Prozent der Fälle sage ich eh ja, aber für mich ist das einfach eine Frage des Respekts. Nicht immer war ich an dem Abend in Laune oder möchte, dass alle sehen, wo ich meine Zeit verbracht habe – oder ich fühle mich einfach unwohl mit dem Bild. Und einmal kurz fragen geht doch echt flott.
Ninia LaGrande, Moderatorin und Autorin
39. Darf ich Obdachlosen ein belegtes Brötchen anstelle von Geld geben, weil ich Angst habe, dass sie mein Geld versaufen?
Nein! Deine kleine Spende wird die (seine/ihre) Welt nicht retten – und auch nicht durch einen Schnaps zu viel beenden. Weißt du, ob er oder sie heute schon drei belegte Brötchen hatte und vielleicht lieber einen warmen Kaffee trinken würde? Sachspenden entmündigen. Deine Spende sollte von Herzen kommen, ohne zu moralisieren.
Sarah Kessler, EMOTION-Redakteurin
40. Darf ich meine Gäste rausschmeißen, wenn ich müde bin?
Unbedingt! Deine Party, deine Regeln.
Dieser Artikel erschien zuerst in der EMOTION 6/23.
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