Das wollten wir endlich genauer wissen. In unserer EMOTION-Studie in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut "mindline" sind wir der Frage auf den Grund gegangen, was Frauen aufhält. Und wie wir Barrieren endlich abbauen können.
Nicht die Frauen sind faul, sondern die Arbeitsbedingungen sind es. So zumindest lassen sich die Ergebnisse der Umfrage lesen, die EMOTION mit dem Marktforschungsinstitut "mindline" durchgeführt hat. Darin sind wir der Frage auf den Grund gegangen, was Frauen noch immer davon abhält, in Führung zu gehen. Denn in Deutschland waren im Jahre 2021 weniger als ein Drittel der Führungspositionen von Frauen besetzt – 29,2 Prozent, um genau zu sein. Im Vergleich zu den anderen EU-Mitgliedsstaaten lag Deutschland damit nur im unteren Drittel. Das muss sich dringend ändern.
65%
der Befragten denken, für Männer sei es leichter, Karriere zu machen.
40%
der befragten Frauen sind zuversichtlich, den nächsten Karriereschritt im aktuellen Unternehmen zu gehen.
Katharina Fegebank, die Zweite Bürgermeisterin Hamburgs und Mutter von Zwillingstöchtern, fordert: "Die Hälfte der Macht muss den Frauen gehören." Fegebank ist eine von zwölf Frauen in Führungspositionen, die mit biografischen Angaben die Umfrage ergänzt haben. Insgesamt wurden von mindline 500 Frauen und 300 Männer zwischen 21 und 65 Jahren befragt. Alle sind Akademiker*innen, die aktuell im Büro oder Vertrieb arbeiten.
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Barrieren – auch in den Köpfen
"Damit das auch in der Realität abgebildet wird, müssen wir uns anstrengen, Barrieren abzubauen", sagt Katharina Fegebank. Denn diese Barrieren existieren noch immer – sowohl faktisch, aber auch in den Köpfen. Viele Frauen streben deshalb von vornherein gar nicht erst eine Führungsposition an, weil sie befürchten, auf eben diese Barrieren zu stoßen. Fehlende Betreuungsmöglichkeiten, die mangelnde Qualität der Betreuung und zu wenig Akzeptanz von Teilzeit in Führungspositionen sind mit die größten Hürden – kurz: keine (befriedigenden) Möglichkeiten, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.
Zweifel an der Vereinbarkeit
Und Partner (hier gendern wir bewusst nicht!) wie auch Vorgesetzte bestärken Frauen noch in diesem Glauben: 29 Prozent der Frauen, aber vor allem 41 Prozent der Männer bezweifeln, dass sich Karriere und Familie unter einen Hut bringen lassen. "Dieses Ergebnis hat mich besonders bewegt", sagt EMOTION-Verlegerin Kasia Mol-Wolf, "denn wenn junge Frauen davor zurückschrecken, überhaupt Karriere machen zu wollen, weil sie keine guten Möglichkeiten sehen, Familie und Beruf zu vereinbaren, ist klar, dass wir noch längst nicht dort sind, wo wir hinwollen."
67%
der Befragten sagen, das Gros der Care-Arbeit liege bei den Frauen.
72%
der Männer, aber nur
54%
der Frauen sind mit dieser Aufteilung zufrieden.
Besonders erschreckend: Die Umfrage zeigt, dass dieses Stimmungsbild in der jungen Generation der 21- bis 29-Jährigen sogar ausgeprägter ist: In dieser Gruppe halten 42 Prozent der Männer und 33 Prozent der Frauen Familie und Karriere für unvereinbar. Liegt es daran, dass die Gen Z der Work-Life-Balance einen höheren Stellenwert beimisst und vielleicht auch weniger Lust auf zu viel Verantwortung im Job hat? Oder daran, dass in Deutschland die Mutterrolle noch immer überhöht wird? Das wäre genauer zu untersuchen.
Führen Frauen anders?
Eine Rolle spielt sicherlich, dass laut Umfrage die Vorstellung von Führung noch immer männlich geprägt ist. Doch was soll ein männlicher Führungsstil überhaupt sein? Auch hier gibt die Umfrage Aufschluss: Bei der Suche nach Führungskräften wird vor allem auf Eigenschaften Wert gelegt, die mit Männern assoziiert werden, etwa Durchsetzungsstärke. Stärken, die für typisch weiblich gehalten werden, wie soziale Kompetenz, spielen bei der Suche nur eine untergeordnete Rolle.
Interessanterweise zeigt das Stimmungsbild der Umfrage auch: Wenn Mitarbeiter:innen eine ideale Führungskraft beschreiben, werden vor allem Eigenschaften geschätzt, die als typisch weiblich gelten. Es gibt einen klaren Widerspruch zwischen dem, was nach wie vor mit Führung assoziiert wird, und dem, was sich Arbeitnehmer:innen von ihren Chef:innen wünschen. Dieser Widerspruch wurzelt in unserer Sozialisierung – und wir können ihn auflösen: "Wenn es um Sichtbarkeit geht, halten sich Frauen öfter im Hintergrund und warten, vorgestellt oder angesprochen zu werden. Das machen Männer anders. Also habe ich mir das abgeschaut und bin genau so in die Offensive gegangen. Sie hatten damit kein Problem", sagte Umfragen-Teilnehmerin Isabel Hochgesand, CPO Beiersdorf AG.
Mehr weibliche Role Models, bitte!
Woran die Umfrage keinen Zweifel lässt: Frauen sind deutlich unzufriedener mit ihrem Job als Männer, insbesondere hinsichtlich Gehalt, Weiterbildungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen. Denn die Karrieren stehen nach wie vor überwiegend Männern offen. Dabei ist die größte Barriere noch immer die Sozialisierung: Sie zementiert das klassische Rollenmodell. Wir brauchen also vor allem weibliche Vorbilder, die neugierig auf Führung machen und die veralteten Rollenbilder durchbrechen. Und wer jetzt klagt, "aber man finde ja einfach keine Frauen", der soll sich die Nominierten für den EMOTION.award anschauen – sie machen garantiert Lust darauf, selbst zu gestalten.
Dieser Artikel erschien zuerst in der EMOTION 8+9/23.
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