In den Chefetagen deutscher Unternehmen sind Männer immer noch deutlich in der Mehrheit. Das könnte auch mit Vorurteilen gegen weibliche Führungskräfte zusammenhängen, die eine Studie entlarvt.
Zwar bekunden die meisten deutschen Unternehmen offiziell, dass sie sich mehr Diversität und mehr Frauen in den obersten Führungsebenen wünschen. Passiert ist aber wenig. Zuletzt kam der Wandel nur in Mini-Schritten voran, wie der Gender Diversity Index 2022 der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) dokumentiert.
Kaum Bewegung in den Chefetagen
BCG analysiert dafür jährlich die größten 100 deutschen Unternehmen, die in den Indizes DAX, M-DAX und S-DAX gelistet sind. Das Ergebnis: Der Frauenanteil in den deutschen Vorstandsetagen liegt derzeit nur bei 15 Prozent. Das ist eine kleine Verbesserung von zwei Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Im europäischen Vergleich steht Deutschland mit dieser Frauenquote auf dem 24. Platz.
Es herrscht also Stagnation in Sachen Diversität im deutschen Top-Management. Das könnte auch daran liegen, wie Managerinnen von Unternehmen gesehen werden. Wenn Unternehmen einen Vorstandsposten neu besetzt haben, feiern sie sich dafür gern mit einer Pressemitteilung. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich hier recht große Unterschiede, je nachdem ob der Neuzugang ein Mann oder eine Frau ist.
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Wie Unternehmen ihre Manager:innen darstellen
BCG hat 250 Pressemitteilungen über weibliche und männliche Führungskräfte gesammelt und mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) ausgewertet. Es zeigt sich, dass Unternehmen bei der Kommunikation über Chefinnen zurückhaltender sind als bei Männern. Ihren Top-Managerinnen schreiben sie in ihren Pressemitteillungen weniger Fähigkeiten zu als den Männern. Bei der Ernennung weiblicher Führungskräfte werden in den Pressemitteilungen durchschnittlich drei bis fünf Kompetenzen erwähnt. Bei ihren männlichen Kollegen ist die Zahl höher –hier sind es im Schnitt sechs Kompetenzen.
Wenn es um den Vorstandsvorsitz geht, fällt der Unterschied zwischen den Geschlechtern noch eklatanter aus: Chefinnen werden im Schnitt 2,5 Fähigkeiten zugeschrieben, dem Chef aber durchschnittlich 5,8.
Zum Vergleich wurden auch die LinkedIn-Profile der Manager:innen einer Analyse unterzogen. Dort zeigt sich, dass weibliche und männliche Führungskräfte die gleiche Anzahl an Kompetenzen angeben.
Unterschiede gibt es auch bei der Art der Fähigkeiten, die den Führungskräften zugeschrieben werden. Bei Männern stehen häufiger Leadership-und Business-Kompetenzen im Vordergrund. Bei Frauen werden häufiger Kompetenzen im Talent-und Projektmanagement hervorgehoben.
Gender Bias in der Unternehmenskommunikation
Die Debatte um die Dominanz männlicher Chefs dreht sich häufig darum, wie Frauen sich im Unterschied zu Männern präsentieren, wie sie auftreten und sich selbst darstellen. Unbestritten entscheidende Faktoren. Aber es geht auch sehr stark darum, was man über Frauen sagt. Die neue Analyse liefert belastbare Daten über (unbewusste) Vorurteile, die die Kommunikation prägen und den Status quo auf diese Weise ein Stück weit zementieren.
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