Ein Gespräch mit Expertin Inga Höltmann darüber, wie Meetings im New Work-Zeitalter aussehen können.
Inga Höltmann - Expertin für die Zukunft der Arbeit
Inga Höltmann ist fast so etwas wie eine Chronistin von New Work in Deutschland. Mit ihrem New Work Salon, zwei Podcasts und ihrer Accelerate Academy kennt sie fast alle Akteure in Deutschland, die sich mit der Zukunft der Arbeit beschäftigen. Sie ist aber auch selbst Akteurin. Zusammen mit der Organisationsberaterin Julia Gräfin von Kanitz hat sie jetzt zum ersten Mal eine New Work Masterclass entwickelt und durchgeführt. Ihr Thema: Meeting.
EMOTION: Meetings und New Work - wie passt das eigentlich zusammen?
Inga Höltmann: Wir haben uns für unsere erste New Work Masterclass das Thema Meetings aus guten Gründen ausgesucht. Einerseits habe ich in Gesprächen und im Rahmen meiner Aufträge in Unternehmen immer wieder festgestellt, dass die Meeting-Kultur ein großer Schmerzpunkt für viele Menschen in Organisationen ist. Viele leiden darunter, wie das in ihrer Firma läuft. Und andererseits kann man an Meetings wie unter dem Mikroskop die Kommunikationskultur einer Organisation betrachten. Ein Unternehmen, das in seiner Kommunikation strauchelt, wird auch keine „gesunden“ Meetings haben. Die gute Nachricht darin: Meetings und Sitzungen bieten genau deshalb kraftvolle Hebel, um dran zu gehen und Schritt für Schritt auszuprobieren, was funktionieren könnte – kleine Experimente zu wagen und zu gucken, was passiert.
Was stört uns am meisten an Meetings?
Meetings können zu häufig anberaumt werden, zu lang sein, zu ineffizient, oder sie erfüllen ihren Sinn nicht. Es kann auch sein, dass in den Meetings Besprochenes versandet oder Vereinbartes nicht umgesetzt wird. Niemand würde sagen, dass eine gute Kommunikation nicht wichtig ist für Zusammenarbeit, aber trotzdem empfinden viele Meetings als störend oder lästig. Sie haben nicht das Gefühl, dass dort Arbeit erledigt wird, sondern eher, dass sie sie an ihrer Arbeit hindern oder sie von ihrer Arbeit wegreißen. Das zeigt doch schon, dass da was im Argen liegt.
Wir alle kennen ja die Hoffnung „Ach, das klärt sich schon im Meeting“. Warum ist die trügerisch?
Im besten Falle bedeutet das: „Das kann ich gerade nicht allein klären, aber wenn wir uns das gemeinsam vornehmen, werden wir zusammen eine Lösung finden.“ Doch „Das klärt sich im Meeting“ kann in der Tat tückisch werden, wenn damit die Verantwortung auf die anderen abgeschoben wird. Denn „Das klärt sich im Meeting“ heißt manchmal nichts anderes als „Das wird jemand anderes klären als ich“. Die Verantwortung diffundiert dann in die diffuse Masse „Team“ oder „KollegInnen“ – und wenn alle verantwortlich sind, ist manchmal am Ende niemand so richtig verantwortlich.
Ihr empfiehlt auch, Meetings zu beenden, wenn sie nicht produktiv sind, Strafen zu verhängen, wenn Menschen unpünktlich sind – sind wir in Büros zu nett miteinander?
Erst einmal: Nein, ich denke nicht, dass wir zu nett zueinander sind! Im Gegenteil: Ein zu viel an Augenhöhe oder Wertschätzung kann es auch gar nicht geben – und so werden unsere Ratschläge hoffentlich auch nicht verstanden. Wir meinen damit eher: Geht offen miteinander um, ob ihr gerade auf dem richtigen Weg seid. Traut Euch an Metakommunikation heran und sitzt nicht einfach nur Eure Zeit ab, weil dieses Meeting eben gerade in Eurem Kalender stand. Das heißt auch, immer wieder zu überprüfen, ob man zusammen noch auf dem richtigen Weg ist. Meetings sind im besten Falle wichtige Austauschorte in Unternehmen, aber man muss auch ein bisschen was dafür tun, damit sie diese Funktion auch erfüllen können.
Alpha-Mann sagt, was er denkt, zweiter und dritter Meeting-Teilnehmer wiederholen das Gesagte - ist das immer noch Realität?
In vielen Unternehmen gibt es ganz individuelle Muster in der Kommunikation oder in Strukturen oder Prozessen. Das ist wie ein Fingerabdruck des Unternehmens. Und manchmal sind es genau solche Dinge, die beklagt werden. Es können aber auch ganz andere Sachen sein – das ist so unterschiedlich wie das Unternehmen und auch abhängig von seiner Größe oder seiner Branche.
Welche Kommunikationshindernisse müssen wir in Meetings noch überwinden?
Redeanteile und Redeverteilung sind ohne Frage in den Top 10 der Bauchschmerzfaktoren von Meetings. Da braucht es mindestens Vereinbarungen, die getroffen werden, und eine gute Moderation. Daneben gibt es oft keine klare Agenda, so dass man manchmal gar keine Richtschnur hat um festzustellen, ob man inhaltlich noch auf dem richtigen Weg ist oder gerade abschweift.
Wie versöhnt man Effektivität mit dem Flow eines kreativen Prozesses in Meetings?
Indem man es vorher definiert und den Zweck des Meetings ganz klar macht: Geht es kurz und knackig um Status-Updates? Oder ist es tatsächlich eine Zusammenkunft, in der es um Ideengenerierung geht? Wenn das klar ist oder beidem seine Zeit eingeräumt wird, ist es auf einmal gar kein Problem mehr. Im Übrigen: Ich bin ein großer Fan von Time-Boxing, also von Zeitmessung. Wenn er richtig durchgeführt wird, kann auch ein Ideenprozess zügig und effizient über die Bühne gehen. Ich empfehle jedem Team, da einfach mal ein bisschen herumzuprobieren, was passen könnte – die Effekte können enorm sein!
Inga Höltmann ist Expertin für die Themen Kulturwandel in Unternehmen, New Work und Digital Leadership. Sie ist Gründerin der “Accelerate Academy”, einer Plattform für Neues Arbeiten und neues Lernen, und Macherin der New Work Masterclass, einem innovativen Format für die Aus- und Fortbildung in der Arbeitswelt. Sie ist außerdem ausgebildete Wirtschaftsjournalistin, zu ihren Auftraggebern gehören der Berliner Tagesspiegel und der Deutschlandfunk Kultur. Bekannt ist sie auch für ihren erfolgreichen Newsletter über Kulturwandel in Unternehmen, neue Arbeit und moderne Führung und ihre beiden Podcasts zur Zukunft der Arbeit . Auf Twitter kann man sie hier finden.
Die New Work Masterclass kombiniert Coaching, Sparring, Beratung, E-Learning und eine Community. Sie ist ein digitales Format, mit dem niedrigschwellig viel Wirksamkeit erzeugt werden kann - anders als mit tagelangen Workshops, für die man manchmal einfach keine Zeit hat, und anders als mit großangelegten Beratungsaufträgen, die leicht tausende Euro kosten können. Stattdessen: Ein digitales, nahbares, intelligentes Format, leicht in den Alltag zu integrieren und dadurch nachhaltig und wirksam. Im Herbst startet der zweite Durchgang, wen das interessiert, der kann sich hier in den Newsletter eintragen.