Weiblich, jung, stark: 9 junge Frauen, die 2020 ihre Stimme erheben und sich gegen Rassismus und Gewalt, für Klimaschutz und Gleichberechtigung engagieren.
9 junge Frauen, die die Welt verändern
Jung, weiblich, stark: Weltweit erheben momentan junge Frauen ihre Stimme. Sie machen Lärm, Mut und Politik. Engagieren sich gegen Rassismus und Gewalt, für Klimaschutz und Gleichberechtigung. Neun davon stellen wir hier vor.
1) Nupol Kiazolu, 19
Bekämpft Rassismus und Gewalt gegen Schwarze in den USA: Sie ist Studentin und dazu die jüngste Vorsitzende der Protestorganisation Black Lives Matter of Greater New York.
Lea Birke: Wie bist du Aktivistin geworden?
Nupol Kiazolu: Ich war zwölf, als der schwarze Teenager Trayvon Martin getötet wurde, und ich war so wütend! Ich wollte zeigen, wie ich mich als Schwarze in den USA fühle. Also bin ich in so einem Kapuzenpulli zur Schule gegangen, wie auch Trayvon ihn trug, mit einem Stück Papier auf dem Rücken: „Sehe ich verdächtig aus?“ stand darauf.
Was war dein schlimmstes Erlebnis?
Ich war bei dem Aufmarsch rechter Gruppen in Charlottesville vor Ort. Das hat meine Sicht auf die Rassismusdebatte in Amerika verändert. Die USA stellen sich gern als multi-kulturelle Utopie dar, aber Charlottesville war ein Schlag ins Gesicht. Es gibt hier noch so viel zu tun!
Was ist heute der Kern des Rassismusproblems in den USA?
Viele verstehen nicht, was Rassismus wirklich ist: systematische, strukturelle Ungleichheit. So kommt es, dass viele schockiert sind von Ereignissen wie in Charlottesville. Sie sagen: Dies ist nicht Amerika, das sind nicht wir. Doch genau das sind wir! Wir müssen das Problem erkennen, Lösungen finden.
Wie kann das erreicht werden?
Durch mehr Bildung und Aufklärung. Bei vielen Weißen wird dadurch erst mal Unbehagen entstehen. Aber aus diesem Unbehagen wächst Fortschritt.
Dein Ziel?
2036 die erste schwarze Präsidentin zu werden!
2) Aija Mayrock, 24
Engagiert sich in den USA gegen Mobbing in der Schule
Speakerin für seelische Gesundheit und gegen Mobbing
Während der Schulzeit wurde Aija jahrelang gemobbt. Um diese Erfahrungen zu verarbeiten und um anderen Betroffenen Mut zu machen, schrieb sie mit 16 Jahren das Buch „The Survival Guide to Bullying“, das sie kurzerhand selbst herausgab. Sie schrieb es für andere Jugendliche, um zu zeigen: Ihr seid nicht allein, ihr könnt euch wehren. Es wurde ein Besteller. Seitdem steht die Autorin als Speakerin für seelische Gesundheit und gegen Mobbing auf den Bühnen der Welt und berät Schüler*innen, Lehrkräfte und Politiker* innen. Auf ihrer Website aijamayrock.com veröffentlicht sie Performances ihrer selbst geschriebenen Gedichte, in denen sie wichtige gesellschaftliche Themen aufgreift, wie Diskriminierung, Geschlechterstereotype oder Suizidprävention. Zahlreiche Magazine haben Texte von ihr veröffentlicht. Ihre Stimme nutzt Aija übrigens auch, um junge Menschen zum Wählen zu bewegen. 2018 wurde sie von der bekannten TV-Sendung „Today Show“ zu einer der „Heroes of the Year“ ernannt.
3) Rayanne Cristine Máximo Franca, 25
Ist die Stimme für indigene Frauen in Brasilien
Einsatz für die Rechte indigener Frauen
Die Lehrkräfte machten sich über uns lustig. Eine fragte, warum wir überhaupt zur Uni gingen, und sagte, wir sollten nackt herumlaufen und im Wald leben“, so Rayanne über ihre Zeit an der Universität Brasília. Als eine von nur 35 indigenen Studierenden erfuhr sie täglich Diskriminierung und Benachteiligung. Heute engagiert sie sich für die Rechte indigener Völker und vor allem indigener Frauen. Mit 17 Jahren hatte sie ihre Familie verlassen, die Todesdrohungen erfuhr, nachdem sich ihr Vater gegen Korruption ausgesprochen hatte. Sie bezeichnet ihren Weg als „Reise in Richtung Unabhängigkeit und Empowerment“.
UN-Projekt Voice of Indigenous Women
Rayenne ist Mitglied des UN-Projekts Voice of Indigenous Women und des Indigenous Youth Network in Brasilien. Mit dem Netzwerk möchte sie andere indigene Menschen motivieren, gegen die Diskriminierung, unter anderem in Bildungseinrichtungen, zu kämpfen. Es sei Zeit, dass die Welt ihre Stimme höre und das Land indigene Frauen als Gleichberechtigte anerkenne. Die Stärkung von Frauen ist oft auch eng mit einem größeren Umweltbewusstsein verknüpft. Da Frauen in dem Land am Amazonas besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen sind, wirkt sich ihr Zugang zu Bildung und Aufklärung zugleich positiv auf den Klimaschutz aus.
4) Shamma al Mazrui, 25
Motiviert in den Emiraten als weltweit jüngste Ministerin andere junge Leute dazu, sich für Klimaschutz und Bildung einzusetzen
Die jüngste Ministerin der Welt
Eine von acht Frauen im Kabinett, die jüngste Ministerin der Welt und ein Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde – das hat Shamma 2016 geschafft. Mit nur 22 Jahren wurde sie zur Staatsministerin für Jugendangelegenheiten der Vereinigten Arabischen Emirate ernannt. Zuvor studierte sie Wirtschaftswissenschaft an der New York University Abu Dhabi und war die erste Rhodes-Stipendiatin der Emirate in Oxford. Als die Stelle für Jugendangelegenheiten frei wurde, rief der Premierminister der Emirate über Twitter Universitäten dazu auf, junge Menschen unter 25 für die Position zu nominieren. Denn wer könne die Interessen junger Menschen besser vertreten als ein junger Mensch? „Ich wusste nicht, dass meine Universität mich nominiert hatte“, sagte Shamma kurz nach ihrer Ernennung. „Diese Ankündigung hat mein Leben von einem Augenblick zum anderen verändert. Von einem privaten zu einem öffentlichen Leben und einer riesigen Herausforderung und Verantwortung.“ Heute hat die Ministerin auch den Vorsitz des National Youth Council der Emirate. Und gründete Jugendkreise, in denen junge Menschen netzwerken können und dazu motiviert werden, sich bei Aktionen zu Themen wie Klimawandel und Bildung zu engagieren.
5) Jazz Jennings, 19
Macht sich für die Rechte der US-amerikanischen LGBTQ+ Community stark
Gegen Diskriminierung von Transsexuellen
Bereits als Kleinkind wusste Jazz, die als Junge geboren wurde, dass sie als Mädchen leben will. Ihre Entwicklung wurde von großem Medieninteresse begleitet. Auftritte im Fernsehen und im Internet machten sie berühmt. Seit 2015 hat ihre Familie eine eigene Reality-TV-Show und einen Youtube-Kanal. Immer wieder wurde sie zum Ziel von Cyber-Mobbing und Drohanrufen, litt an Depressionen, Angst- und Essstörungen. Mit ihrem Kinderbuch „I am Jazz“ ruft sie zu mehr Akzeptanz und Selbstliebe auf. 2007 gründete Jazz mit ihren Eltern die TransKids Purple Rainbow Foundation. Sie setzte sich unter anderem für genderneutrale Toiletten und eine Veränderung des Schulsports ein. Als Erwachsene widmet sie sich nun auch anderen Formen der Diskriminierung: Benachteiligung am Arbeitsplatz, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit. „Meine Leidenschaft ist es, nicht nur die Rechte der Transsexuellen zu stärken, sondern alle gleichzustellen“, sagte sie einmal. „Wenn wir die Vielfalt anerkennen und mit neuen Ideen und Denkweisen zusammenkommen, könnte die Welt ein wunderschöner Ort sein.“
6) Autumn Peltier, 15
Fordert in ihrer kanadischen Heimat sauberes Trinkwasser für indigene Völker
Die Vorstehende der Wasserkommission
Die Wasserkriegerin – so wird Autumn von vielen genannt. Sie gehört zum Stamm der Anishinaabe und der Wiikwemikoong First Nation, einem indigenen Volk im kanadischen Ontario. Mit acht Jahren begann sie, sich für sauberes Trinkwasser einzusetzen, nachdem sie unter anderem von ihrer Großtante erfuhr, dass nicht alle Menschen in Kanada Zugang dazu haben. Heute spricht sie weltweit über das Thema und wurde bekannt, als sie Premierminister Justin Trudeau einen Kupfertopf mit Wasser überreichte und ihn so mit seiner Unterstützung der Ölindustrie konfrontierte. „Wasser ist ein grundlegendes Menschenrecht“, sagte sie einmal. „Geld kann man nicht essen und Öl nicht trinken. Wir müssen jetzt handeln. Es macht mich richtig wütend, wenn ich darüber nachdenke.“ Im September 2019 wurde Autumn für den International Children’s Peace Prize nominiert. Sie ist Vorstehende der Wasserkommission in Ontario und vertritt dort mehr als 40 First-Nation-Völker, von denen viele nicht an das allgemeine Wasseraufbereitungssystem angeschlossen sind. In ihrer Funktion ist sie Nachfolgerin ihrer Großtante Josephine Mandamin – der Frau, die sie einst inspirierte.
7) Nemi El-Hassan, 26
Filmt neben ihrem Medizinstudium YouTube-Videos, die rassistische Vorurteile entlarven
Nemi macht mit „Datteltäter“ auf YouTube Satire und berichtet beim Online-Format „Jäger & Sammler“ von Missständen
Lea Birke: Nemi, welche Themen liegen dir besonders am Herzen?
Nemi El-Hassan: Antirassismus, Feminismus und gesellschaftliche Teilhabe.
Wie gehst du mit Diskriminierung im Alltag um?
Leider bin ich nicht sehr schlagfertig. Oft fällt mir erst im Nachhinein eine gute Antwort ein. Wichtig ist: Strategien zurechtlegen, Unterstützung holen. Und schauen: Kann ich etwas Produktives aus dieser schmerzhaften Erfahrung ziehen? Das ist eine Art Ermächtigung.
Wie macht man am besten auf Missstände aufmerksam?
Humor ist ein gutes Mittel. Letztlich geht es darum, auch die zu erreichen, die nicht selbst betroffen sind. Für andere einzustehen und Solidarität zu zeigen. Zu erkennen, wo auch ich rassistische Stereotype reproduziere, weil ich in diesem Klima großgeworden bin. Wir alle müssen etwas tun. Ob mit Humor, Kunst oder in Form einer Reportage.
Bist du Optimistin?
Auf jeden Fall! Man denkt schnell, man habe keinen Grund dazu. Aber man muss es sein, um langfristig etwas tun zu können und nicht zu verbittern. Und wenn wir wissen, was uns selbst glücklich macht, können wir vielleicht auch schaffen, besser miteinander umzugehen.
Wovon träumst du?
Von einer Gesellschaft, in der alle sich frei von Zwängen entfalten können, solange sie andere nicht einschränken.
8) Emma Gonzáles, 20
Wurde nach einem Amoklauf zum Gesicht der US-Jugendbewegung gegen Waffengewalt
Aktivistin für strengere Waffengesetze in den USA
"Schämen Sie sich!“ – Das ist Emmas Message an Präsident Trump und andere Politiker*innen, die von der National Rifle Association (NRA) gefördert werden. Im Februar 2017 hatte an ihrer Highschool in Parkland, Florida, ein Schüler 17 Mitschüler*innen und Angestellte ermordet. Emma überlebte das Attentat mitten in ihren Abschlussarbeiten und hielt nur drei Tage später eine starke Rede, die sie zum Gesicht der Jugendbewegung machte. Heute kämpft die Aktivistin für strengere Waffengesetze in den USA. Mit einigen Mitschüler*innen gründete sie Never Again MSD, eine Organisation für die stärkere Kontrolle des Schusswaffenbesitzes, für schärfere Waffengesetze und gegen den Einfluss der NRA auf die Politik. Als eine der Einzelrednerinnen beim von ihr organisierten March for our Lives 2018 schwieg sie 6 Minuten und 20 Sekunden lang – die Dauer des Attentats. Ihr Auftritt wurde international gefeiert und die 20-Jährige hat heute deutlich mehr Twitter-Follower als die NRA. 26 Bundesstaaten haben mittlerweile ihre Waffengesetze verschärft.
9) Scarlett Curtis, 24
Befreit psychische Krankheiten vom Stigma und bricht Feminismus-Klischees auf
Feminismus und seelische Gesundheit
Können Feministinnen Pink tragen? Und ist es normal, dass man mal den Blues hat? Auf jeden Fall! Mit ihren Büchern, Artikeln und Blogposts versucht die Britin Scarlett Curtis, mit Stereotypen rund um den Feminismus aufzuräumen, sich für seelische Gesundheit zu engagieren und psychische Krankheiten von ihrem Stigma zu befreien. Die Erlöse ihrer Bücher gehen an wohltätige Organisationen wie Girl Up, einem Projekt der United Nations Foundation. In ihrem ersten Buch „The Future is Female“ sammelt Scarlett Essays zahlreicher bekannter Persönlichkeiten, die erzählen, was „das F-Wort“ für sie bedeutet. Daraus ist mittlerweile auch ein Podcast entstanden.
Mitbegründerin des Kollektivs The Pink Protest
Mit all dem möchte sie zeigen, wie vielfältig Feminismus sein kann und wie wichtig es ist, dass wir auch heute noch alle etwas dafür tun. Sie selbst sagt, ihr Engagement für Gleichberechtigung sei etwas, das ihr bei ihrer eigenen seelischen Genesung geholfen habe, nachdem sie nach Komplikationen bei einer Routine-OP mehrere Jahre in der Klinik und im Rollstuhl verbringen musste. Sie wisse aber, dass sie in einer feministischen Blase lebe und manchmal vergesse, dass es eine Welt außerhalb davon gibt. 2017 hat sie das Kollektiv The Pink Protest mitbegründet, das die Kampagne #freeperiods organisiert und dazu beigetragen hat, dass zwei Gesetzesänderungen im Vereinigten Königreich verabschiedet wurden: eines, das den Preis von Menstruationsprodukten gesenkt hat, und eines, das ein Verbot weiblicher Genitalverstümmelung in die Kinderschutzrechte aufnahm. Im November 2019 erhielt sie für ihr Engagement den Changemaker Award der Organisation Equality Now.
Der EMOTION Women's Day wurde auf den 19. Oktober 2020 verschoben. Die wichtigsten Fragen und Antworten findest du hier.