Equal Pay Day am 7. März 2022: Bis zu diesem Tag arbeiten Frauen statistisch gesehen umsonst. Equal Pay, die Entgeldgleichheit zwischen Männern und Frauen, ist immer noch nicht durchgesetzt und der Gender Pay Gap gehört zum Alltag. Was du zum Thema wissen solltest und was du tun kannst.
Equal Pay – ist das etwa immer noch Thema?
Equal Pay meint die Gleichstellung des Lohnniveaus von Männern und Frauen. Frauen, die in vergleichbaren Positionen arbeiten, sollten also den gleichen Lohn erhalten wie ihre männlichen Kollegen. Im Jahr 2022 noch ein Thema? Und ob! Das Statistische Bundesamt hat zuletzt 2020 Zahlen zum Gender Pay Gap veröffentlicht:
Frauen verdienen 18% weniger. Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen lag 2020 um 18% niedriger als der Verdienst der Männer. Die Unterschiede fielen in Westdeutschland (und Berlin) mit 20% deutlich höher aus als im Osten (6%).
DeStatis.deTweet
Zwischen 2006, dem Jahr, in dem erstmals Daten zum Gender Pay Gap erfasst wurden, und 2015 blieb der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen fast konstant, seit 2016 verringert sich der Gender Pay Gap jedes Jahr leicht. Ziel der Bundesregierung ist es, die Lohndiskrepanz zwischen Männern und Frauen bis 2030 auf 10% zu senken. Nicht alle Branchen sind im gleichen Ausmaß vom Gender Pay Gap betroffen, doch in jedem einzelnen Wirtschaftszweig verdienen Frauen immer noch weniger. Besonders privatwirtschaftliche Unternehmen sind betroffen, im öffentlichen Sektor ist das Verdienstgefälle zwischen den Geschlechtern weniger stark ausgeprägt.
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Warum nur hält sich der Gender Pay Gap so nachhaltig?
Die Redaktionsleiterin von Working Women Julia Möhn und EMOTION-Redakteurin Kristina Appel haben in ihrem Podacst "Wir arbeiten daran" mit Henrike von Platen und Christine Gräbe vom Fair Pay Innovation Lab gesprochen, die Unternehmen und Organisationen bei der praktischen Umsetzung von Lohngerechtigkeit unterstützen und beraten.
Equal Pay Day – bis zu diesem Tag arbeiten Frauen umsonst
Dieses Jahr fällt der Equal Pay Day in Deutschland auf den 7. März 2022. Immerhin drei Tage früher als letztes Jahr – denn bis zum Equal Pay Day arbeiten Frauen statistisch gesehen jedes Jahr umsonst, während Männer bereits ab dem 1. Januar für ihre Arbeit bezahlt werden. Rund um den Equal Pay Day finden in ganz Deutschland Aktionen statt, an denen sich Frauen und Männer gleichermaßen beteiligen können. Auf der Website von equalpayday.de gibt es eine Aktionsplattform, die über die neuesten Veranstaltungen informiert. Dort kann jeder seine eigene Veranstaltung zum Thema finanzielle Gleichberechtigung auch mit anderen teilen und zum Mitmachen aufrufen. Hier gibt es auch spannende Ideen, wie Equal Pay auf Social Media-Kanälen präsent wird.
Aufklärung ist wichtig! Equal Pay muss Thema bleiben!
Weil uns die Aufklärung um diesen gesellschaftlichen Missstand so wichtig ist, haben wir Expertinnen gebeten, wichtige Fragen rund um Equal Pay zu beantworten.
Seit 6. Januar 2018 gilt das Entgelttransparenzgesetz. Was ist das genau?
Es antwortet Astrid Bendiks Rechtsanwältin für Arbeitsrecht in München:
Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen beträgt nach dem statistischen Bundesamt 18 Prozent und damit ist Deutschland bei den Schlusslichtern in der EU. 2018 ist das Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen in Kraft getreten. Das Gesetz verfolgt ein klares Ziel: Frauen und Männer müssen für gleiche und gleichwertige Arbeit auch das gleiche Entgelt erhalten. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber in der Praxis leider keinesfalls die Regel.
Frauen und Männer haben in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitern einen individuellen Auskunftsanspruch, der erstmals ab dem 6. Januar 2018 geltend gemacht werden konnte. Voraussetzung ist, dass mehr als sechs Beschäftigte die gleiche oder gleichwertige Tätigkeit ausüben. Verglichen werden dann die ausgeübten Tätigkeiten miteinander. Miteinander vergleichbar sind zum Beispiel die Tätigkeiten von der Redakteurin und den Redakteuren in der gleichen Redaktion. Beschäftigte haben einen individuellen Auskunftsanspruch und können von dem Arbeitgeber sowohl Informationen über die Kriterien und Verfahren zur Entgeltfindung verlangen als auch die Angabe eines Vergleichsentgelts. Gibt es einen Betriebsrat im Unternehmen, ist der Anspruch gegenüber dem Betriebsrat zu stellen. Die Auskunft muss innerhalb von drei Monaten erteilt werden. Beschäftigte in Unternehmen mit weniger als 200 Mitarbeitern können einen Auskunftsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geltend machen. Wird der Anspruch nicht oder nicht ausreichend erteilt, kann die Beschäftigte klagen.
"Ich war in Elternzeit – Ist es dann normal, dass ich weniger verdiene als mein Kollege?"
Es antwortet Maja Skubella, Berufs- und Bewerbungsberaterin bei der Karriereberatung "Karriere und Entwicklung" in Hamburg:
Rückkehrerinnen aus der Elternzeit dürfen keine finanziellen Nachteile entstehen. Sie haben einen Anspruch auf das gleiche Gehalt wie vor der Elternzeit. Das Gehalt ist mit der Stelle verknüpft und daher sind die Mindestansprüche auch abgesichert. Allerdings darf man nicht außer Acht lassen, dass in der Zwischenzeit möglicherweise auch Kollegen befördert wurden oder ihr Verdienst aufgrund von absolvierten Weiterbildungsmaßnahmen gestiegen ist, sie andere außertarifliche Zuschüsse oder Verdienststeigerungen erhalten. Gehaltssteigerungen können auch aus der Summe der Berufsjahre resultieren. Auch in dem Fall kann die Rückkehrerin nicht erwarten, dass ihr Gehalt dem des Kollegen entspricht. Sie hat sich in der Zeit beruflich nicht weiterentwickelt. In der Elternzeit wurde keine Berufserfahrung gesammelt, der Arbeitsvertrag ruhte, daher kann es sein, dass in der Zwischenzeit der Kollege entsprechend mehr verdient. Wenn es während der Elternzeit zu betrieblichen Tariferhöhungen gekommen ist, profitiert die Rückkehrerin davon und bekommt natürlich auch mehr Gehalt.
Es ist sehr wichtig, auch während der Elternzeit, nicht völlig abzutauchen. Die Frauen (oder Männer) sollten regelmäßig in die Firma kommen und sich über Neuerungen informieren, an Sitzungen teilnehmen und auch notwendige Schulungen oder auch freiwilligen Weiterbildungen absolvieren. Vor der Rückkehr sollten die Vorstellungen für „Danach“ genau besprochen werden. Die Rückkehrerin hat in jedem Fall eine Garantie auf einen gleichwertigen Job, aber nicht auf die gleiche Abteilung und die gleichen Zeiten. Wichtig ist, rechtzeitig das Gespräch zu suchen.
"Kann ich es einer Firma eigentlich ansehen, ob bei ihr equal pay herrscht?"
Es antwortet Mirja Viinanen stellvertretende Geschäftsführerin IKEA Deutschland:
Anders als bei unseren Produkten, ist die Arbeitskraft der Menschen natürlich nicht sichtbar mit einem Preiszettel versehen. Allerdings kann man schon erkennen, wie ernsthaft das Thema Gleichberechtigung generell genommen wird und damit auch auf Equal Pay Rückschlüsse ziehen. Beobachte einfach, wie die Leute miteinander umgehen. Begegnen sie sich untereinander auf Augenhöhe und auch dir als möglichem neuen Mitarbeiter gegenüber? Ein guter Indikator ist auch der Anteil von Frauen in Führungspositionen. Einfach mal im Internet die Zusammensetzung der Geschäftsleitung anschauen oder beim Lauf durch die Gänge zum Ort des Bewerbungsgesprächs mal rechts und links in die Räume schauen (oder Fragen, ob man mal den Arbeitsplatz sehen darf, die Büroräume).Bei uns hängen zum Beispiel am Eingang Bilder von allen Mitarbeitern und in welchen Abteilungen sie arbeiten. Da sieht man dann sehr schnell, dass bei uns fast genauso viel Frauen (47%) wie Männer (53%) in Führungspositionen arbeiten. Ein anderer guter Hinweis kann auch die Betriebszugehörigkeit sein. Wenn sich Menschen nicht fair bezahlt fühlen, sorgt das für viel Frust und dann eben auch viel Fluktuation, also einfach mal im Gespräch nachfragen wie lange die Gesprächspartner schon im Unternehmen sind.
Die 10 größten Irrtümer der Lohnlückenleugner
In Sachen Lohngerechtigkeit gibt es immer wiederkehrende Argumente, die allesamt nichts anderes sagen als: Die Lohnlücke gibt es in Wahrheit gar nicht, die Frauen selbst haben ein Problem. Das ist praktisch, weil es auch heißt, dass gar nichts unternommen werden muss. Ist doch schließlich alles in Ordnung! Wo kein Problem, da auch kein Handlungsbedarf – alte Regel der Status-Quo-Verfechtung.
Die 10 schlimmsten Fake-Argumente, denen Fair-Pay-Expertin Henrike von Platen vom Fair Pay Innovation Lab begegnet, was es damit faktisch auf sich hat und was darauf erwidert werden kann, hat sie hier einmal aufgelistet:
- Fake: Die Lohnlücke gibt es gar nicht. Sie liegt allenfalls bei 2 Prozent – und das ist statistisch überhaupt nicht signifikant.
Fakt: Aktuell beträgt die Lohnlücke 18 Prozent – errechnet wird diese Zahl vom Statistischen Bundesamt. Verglichen wird dabei immer der Durchschnitts-Bruttostundenlohn von Männern und Frauen. Die eigentliche Lücke in den Netto-Gehältern ist noch viel größer! - Fake: Frauen sind selbst schuld, wenn sie Kinder haben, in Teilzeit arbeiten oder sich schlecht bezahlte Berufe aussuchen.
Fakt: Dass Kinder ein Armutsrisiko, Familie und Vollzeit kaum vereinbar sind und typische "Frauenberufe" schlechter bezahlt als andere, liegt nicht an der Entscheidung der Einzelnen, sondern hat strukturelle Ursachen. - Fake: Frauen legen eben mehr Wert auf die Work-Life-Balance. Außerdem sind sie es doch, die Familie gründen und sich um die Kinder kümmern wollen, die nur sie bekommen können. Männer arbeiten gern und lieben den Wettbewerb. Das lässt sich nicht ändern und geht die Politik nichts an!
Fakt: Familiengründung liegt nicht in der Natur der Frau, sondern ist eine sehr individuelle Entscheidung. Manche Frauen entscheiden sich gegen Kinder, und manche Männer möchten Väter sein und ihre Kinder auch ab und zu mal sehen. Die Arbeitszeitwünsche von Frauen und Männern zeigen: Frauen würden gerne mehr arbeiten – Männer weniger. Doch die Realität spiegelt diese Wünsche bisher nicht wider. - Fake: In Deutschland wird niemand beim Lohn diskriminiert – Frauen und Männer erhalten in allen Unternehmen für den gleichen Job das gleiche Gehalt.
Fakt: Das ist leider nicht so. Allerdings bleibt die Diskriminierung oft unsichtbar. 87 % der Deutschen glauben, dass Frauen schlechter bezahlt werden als Männer. Aber nur 47 % denken, dass es in ihrem eigenen Unternehmen ungerecht zugeht. Da manche Unternehmen fair bezahlen, muss es sogar noch sehr viel größere Unterschiede in der Bezahlung geben, um auf statistische 18 % Unterschied im Durchschnitt zu kommen. - Fake: Es ist teurer ein Mann zu sein, als eine Frau: Männer arbeiten länger, zahlen mehr Steuern, sterben früher und haben ein höheres Unfallrisiko.
Fakt: Männer sind länger berufstätig, arbeiten aber nicht unbedingt mehr: Kinderbetreuung ist sehr fordernd, und sogar bei kinderlosen Paaren kümmern sich die Frauen mehr um den Haushalt. Im Gegenzug müssen Frauen dafür länger mit einer niedrigeren Rente auskommen. Und ihr ganzes Leben lang höhere Preise zahlen: beim Friseur, für Rasierschaum und andere Dinge des alltäglichen Lebens. - Fakt / Fake: Das Gehalt von Frauen ist geringer - sie ernähren ja auch keine Familie. Männer hingegen ernähren die Familie und müssen für ihr Auskommen sorgen.
Fakt: Für immer mehr Familien reicht ein Gehalt allein gar nicht mehr aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Und viele Männer wollen gar nicht die Last tragen, der alleinige Ernährer zu sein. Manche würden lieber Zuhause bei den Kindern bleiben, und viele Frauen müssen ihre Familie alleine ernähren. - Fake: Frauen müssen weniger verdienen, weil sie kleiner, schwächer und weniger intelligent sind.
Fakt: Ja, sie können auch viel besser putzen, weil sie kleinere Hände haben und besser in die Ecken kommen ... - Fake: Frauen verhandeln schlechter. Selbst schuld.
Fakt: Frauen verhandeln nicht schlechter – werden aber anders bewertet und viel öfter in Schubladen gesteckt. Wenn eine Frau nicht durchsetzungsstark, sondern zickig ist, ist der Gender Bias Schuld am schlechten Verhandlungsergebnis. Und im Vorstellungsgespräch wird eine Frau als Risiko eingestuft, weil sie Kinder bekommen und ausfallen könnte. Nicht Frauen müssen verhandeln lernen, sondern die Personaler ihre Vorurteile ablegen. Außerdem muss das wirtschaftliche Risiko zu gleichen Teilen verteilt werden. - Fake: Frauen machen eben weniger Überstunden, klar bekommen die dann auch weniger.
Fakt: Das Problem ist ja gerade, dass Frauen für die gleiche Arbeit weniger Geld bekommen – gerade wenn sie in Teilzeit arbeiten, ist der Stundenlohn niedriger. Viele Frauen machen sehr wohl Überstunden, aber da sie oft in Teilzeit arbeiten, werden diese oft gar nicht gemessen. Erst nach Vollendung der Normalarbeitszeit (häufig 40 Stunden) werden diese extra vergütet. - Fake: Das Lohngefüge basiert auf Vertragsfreiheit. Hier einzugreifen gefährdet die Vertragsfreiheit und die freie Marktwirtschaft.
Fakt: Eine freie Marktwirtschaft muss nicht unfair sein. Mehr Transparenz würde sehr helfen: Erst wenn ich weiß, wie die Bezahlung gestaltet ist, kann ich ein faires Gehalt aushandeln!
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