Eltern, Ärzt:innen und Studien berichten immer häufiger von Mädchen, die viel früher als erwartet in die Pubertät kommen. Über die Rolle der Pandemie in diesem bemerkenswerten Phänomen.
Normalerweise beginnt die Pubertät bei Mädchen mit 10
Wann ein junges Mädchen in die Pubertät kommt, ihre Brüste also beginnen, sich zu entwickeln und die erste Schambehaarung kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Genetische Veranlagung, Umweltfaktoren, Ernährung und der Fettanteil des Körpers beeinflussen diesen Zeitpunkt. Im Alter von zehn Jahren beginnt die Pubertät durchschnittlich bei Mädchen, rund zwei Jahre früher als bei Jungen. Seit Beginn der Pandemie häufen sich allerdings Berichte von Ärzt:innen und Eltern darüber, dass ihre Patientinnen bzw. Töchter immer früher in die Pubertät kommen. Laut vereinzelten Berichten begann das Wachstum der Brust bei manchen Mädchen sogar schon im Alter von fünf Jahren, andere bekamen ihre Periode noch vor ihrem achten Geburtstag. Aber was hat Corona damit zu tun?
Durch den Stress der Pandemie setzt die Pubertät früher ein
Die Pandemie hat die Lebensrealität vieler Kinder in den letzten beiden Jahren völlig auf den Kopf gestellt: Sie sind viel zuhause, bewegen sich weniger, haben oft vermehrt Zugang zu ungesundem Essen, erleben emotionalen Stress. All diese Faktoren können eine Frühpubertät begünstigen. "Das Brustwachstum beginnt meist im Alter zwischen zehn und elf Jahren, etwa zwei Jahre später folgt dann die Periode. Das ist der übliche Prozess. Der Stress der Pandemie hat diesen physiologischen Prozess beschleunigt. Aber in sozialer und emotionaler Hinsicht sind diese Mädchen immer noch Kinder", erklärt Dr. Adiaha I.A. Spinks-Franklin, eine Kinderärztin aus den USA. Eine Studie beschäftigte sich ebenfalls mit dem unüblichen Phänomen und kam zum gleichen Schluss wie Spinks-Franklin: Die vielen Lockdown- und Isolationsphasen seit Beginn der Pandemie stehen in Zusammenhang mit der erhöhten Zahl an Mädchen, die viel früher als üblich in die Pubertät kommen.
Frühpubertät: Ein Grund zur Sorge?
Dr. Vaishakhi Rustagi, eine indische Kinderärztin, berichtet, dass Mädchen mit einer sehr frühen Pubertät es besonders in Gesellschaften, in denen die Periode immer noch ein großes Tabu ist, schwer haben. In diesem Fall haben sie – zusätzlich zu den körperlichen und seelischen Veränderungen, mit denen jedes Mädchen zurechtkommen muss – zusätzlich ein Stigma, das auf ihnen lastet. Aus medizinischer Sicht ist es zumindest ratsam, mit Kindern, die extrem früh in die Pubertät gekommen sind, einen Spezialisten oder einer Spezialistin aufzusuchen. In manchen Fällen ist nämlich eine behandlungsbedürftige Störung oder Krankheit der Grund der rasanten Entwicklung. Wenn die Pubertät vor dem 8. Lebensjahr bei Mädchen oder dem 9. Lebensjahr bei Jungen einsetzt, kann außerdem eine Therapie nötig sein. Bleibt die Frühpubertät unbehandelt, kann es sein, dass das Skelett vorzeitig reift und die Wachstumsfügen sich zu früh schließen. Ein respektvoller und offener Umgang mit den körperlichen und seelischen Veränderungen der frühpubertierenden Kinder ist in jedem Fall wichtig – das ist keine medizinische Empfehlung, aber eine menschliche.
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