Energiekrise, Wirtschaftskrise, Inflation – das alles könnte in eine Rezession münden. Klingt gruselig? Wir erklären, was es mit dem R-Wort auf sich hat.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank haben vor dem Risiko einer weltweiten Rezession gewarnt. Die Bundesbank sieht sie hierzulande kommen. Ökonom:innen sagen: Die Gefahr einer Rezession ist real.
Aber was bedeutet das überhaupt? Und wie wirkt sich das auf unseren Alltag aus?
Schon jetzt bemerken wir alle, dass die Preise steigen und unsere Einkäufe teurer werden – und zwar sowohl im Supermarkt als auch in so vielen anderen Lebensbereichen. Der Alltag wird kostspieliger. Seit Juli liegt die Inflation in Deutschland auf Rekordniveau. Die Europäische Zentralbank versucht, mit Leitzinserhöhungen gegenzusteuern. Aber noch ist ein Ende der Teuerungsrate nicht in Sicht. Inflation und Konjunktur bedingen einander: Die steigenden Preise führen zu geringerer Konsumbereitschaft. Außerdem steigen auch die Produktionskosten für Unternehmen, was wiederum zum Problem wird. Expert:innen sagen: Eine Inflation kann eine Rezession ankündigen.
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Ursachen sind der Ukraine-Krieg und die Energiekrise. Und die Lieferketten haben sich vielfach von Corona-Pandemie und Lockdowns noch nicht erholt. Die Gemengelage aber aus Krieg, rasant steigenden Energiepreisen, schnell steigenden Zinsen und hoher Inflation stellen ein toxisches Gemisch für die Volkswirtschaft dar. Es birgt die Gefahr eines wirtschaftlichen Abschwungs.
Wirtschaft auf Talfahrt
Was genau ist eine Rezession? Der Begriff stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Rückgang. Die Wirtschaft schrumpft. Die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen geht zurück.
Im Volkswirtschaftslehrbuch finden sich vier Phasen eines Konjunkturzyklus. Eine Rezession folgt auf eine Phase der Hochkonjunktur, also auf einen Boom, und mündet im schlimmsten Fall in eine Depression, also ein Konjunkturtief, das länger anhält. Eine Depression wird durch eine Phase des Aufschwungs beendet. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist der Messwert, der Auskunft über Auf- oder Abschwung gibt. Das BIP misst alle Dienstleistungen und Waren, die ein Land in einem bestimmten Zeitraum herstellt.
Die technische Definition besagt, dass eine Volkswirtschaft in einer Rezession steckt, wenn sie zwei aufeinanderfolgende Quartale mit schrumpfender Wirtschaftsleistung vorweist. Daran ist Deutschland aktuell noch knapp vorbeigeschlittert. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen hat sich die deutsche Wirtschaft in den ersten beiden Quartalen 2022 behauptet: In den ersten drei Monaten des Jahres war die deutsche Wirtschaft um 0,8 Prozent gewachsen. Von April bis Juni stieg das BIP gegenüber dem Vorquartal noch leicht um 0,1 Prozent an. Für das dritte Quartal rechnen die meisten Ökonomen nicht mehr mit einem Plus. Aber noch ist diese technische Definition der Rezession nicht erreicht.
Es könnte aber schon bald so weit sein, so die Einschätzung vieler Ökonomen. Denn Ukraine-Krieg, Energiekrise, Pandemie, gestörte Lieferketten, Inflation und höheren Zinsen sind alles negative Faktoren für die Konjunktur, die sich dabei auch noch gegenseitig verstärken. Die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute rechnen in ihrem Herbstgutachten für dieses Jahr nur noch mit einem Wachstum von rund 1,4 Prozent – trotz eines Rückgangs in der zweiten Jahreshälfte, denn die deutsche Wirtschaft war noch relativ robust ins Jahr gestartet. Für 2023 prognostizieren die Experten einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um etwa 0,4 Prozent. 2024 dürfte die Wirtschaft demnach wieder um 1,9 Prozent wachsen.
Was bedeutet das am Arbeitsmarkt?
Eine Rezession wirkt sich auch negativ auf den Arbeitsmarkt aus. Denn mit dem Rückgang der Nachfrage machen viele Unternehmen weniger Umsatz. Sie schränken ihre Produktion ein – und das bedeutet häufig auch, dass Menschen ihre Jobs verlieren. Die Unsicherheiten auf dem Arbeitsmarkt sorgen dafür, dass viele Menschen versuchen, so gut es geht zu sparen. Das wiederum drosselt die Nachfrage weiter und bremst die Konjunktur.
Rezession in der Bundesrepublik: Wann gab es das zuletzt?
Zuletzt rutschte die Konjunktur in Deutschland mit dem ersten Quartal 2020 in eine Corona-bedingte Rezession. Auch die Finanzmarktkrise 2008/2009 brachte einen Abschwung. Phasen der Rezession brachten in der Geschichte der Bundesrepublik auch die erste (1974/75) und die zweite Ölkrise (1980).
Wie verläuft eine Rezession?
Volkswirte kennen verschiedene Szenarien, die sie mit den Buchstaben V, U, L und W beschreiben. Die Buchstaben sollen veranschaulichen, in welcher Form die Rezession verlaufen kann.
V-Form: Die Wirtschaft stürzt steil ab und erholt sich genau so rasch wieder. Dies ist der übliche Verlauf im Konjunkturzyklus und die harmloseste Entwicklung. Dabei gilt die Faustregel: Je tiefer die Rezession, desto schneller ist sie auch zu Ende. In diesem Fall würde die Rezession vermutlich drei, vielleicht vier Quartale dauern. So in etwa verlief die Finanzkrise 2008.
U-Form: Der Absturz der Konjunktur hält länger an als beim V. Die Wirtschaft erlebt in diesem Fall eine Durststrecke von einigen Quartalen.
L-Form: Das BIP verharrt nach dem Absturz auf niedrigem Niveau. Wir haben es in diesem Fall mit einer Depression zu tun. Das war zum Beispiel in der Wirtschaftskrise der 30er Jahre so.
W-Form: Das V ist nur der erste Teil eines W. die Wirtschaft wird immer wieder von kleineren Krisen erschüttert, unterbrochen von kurzen, nicht nachhaltigen Phasen des Aufschwungs, ohne dabei richtig in Fahrt zu kommen.
Welches Szenario könnte es diesmal sein?
Bundesbank und Europäische Zentralbank rechnen nicht mit einem harten Einschnitt, sondern mit eher kleinen Abwärtsbewegungen. Damit ist aus Expert:innensicht eher nicht mit einer schnellen Erholung nach der V-Form zu rechnen. Viele Ökonomen halten einen W-förmigen Verlauf für eher wahrscheinlich. Das liegt daran, dass einfach so viele verschiedene Faktoren die Konjunktur belasten.
Ein paar Hoffnungsschimmer gibt es: So könnte der jetzt schon enorm große Bedarf der Wirtschaft an Fachkräften dafür sorgen, dass in der Rezession die Arbeitslosigkeit nicht so stark steigt. Unternehmen dürften bestrebt sein, ihre Beschäftigten an Bord zu halten. Außerdem könnte sich der Anstieg der Verbraucherpreise verlangsamen, wenn die Nachfrage insgesamt zurückgeht aufgrund der geringeren Wirtschaftsleistung. Das wäre für unseren Alltag zumindest eine kleine Entlastung.
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