Die EZB reißt das Ruder bei den Zinsen rum – worauf müssen wir uns jetzt einstellen? Kommen die Zinsen zurück? Lohnt sich bald das gute alte Sparbuch wieder? Wir erklären, was jetzt auf uns zukommt.
Zinsen auf Ersparnisse? Gab es jahrelang kaum noch. Die Zinsen, die wir als Verbraucher:innen von den Banken angeboten bekommen, orientieren sich am Leitzins. Und der war extrem niedrig. Nun hat die Europäische Zentralbank (EZB) umgesteuert und den Leitzins kräftig angehoben.
Inflation war Auslöser
Aber der Reihe nach. Was ist passiert? Die Inflation stieg im August auf die Rekordhöhe von 9,1 Prozent – eigentlich ist es Ziel der EZB, die Inflationsrate bei etwa 2 Prozent zu halten. Die EZB reagierte mit einer kräftigen Leitzinserhöhung - was sie sich davon erhofft, liest du weiter unten. Nach einem ersten Zinsschritt im Juli hat die Zentralbank den Leitzins in der vergangenen Woche nun um weitere 0,75 Prozentpunkte angehoben – er liegt jetzt bei 1,25 Prozent. So einen großen Sprung hat es seit Einführung des Euro noch nie gegeben. Damit folgt die EZB aber anderen Zentralbanken. Die US-Notenbank FED wie auch die Bank of England hatten die Zinswende schon deutlich früher eingeläutet und ihre Leitzinsen kräftig angehoben.
Die jüngste Zinsentscheidung der EZB
Der Leitzins steigt um 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent
- Der Zinssatz, zu dem sich die Banken bei der Zentralbank Geld leihen können. Damit beeinflusst dieser Zinssatz die Höhe der Zinsen, die die Banken wiederum ihren Kund:innen berechnen, wenn sie ihnen Geld leihen.
Der Einlagenzins steigt von 0 auf 0,75 Prozent
- Geschäftsbanken können ihr Geld über Nacht zu diesem Zinssatz bei der EZB parken. Er war von 2016 bis 2022 sogar negativ. Deshalb hatten viele Banken begonnen, von ihren Kund:innen Verwahrentgelte für Guthaben auf dem Konto zu berechnen.
Die Begründung der EZB: "Zuletzt sind die Preise für Energie und Lebensmittel extrem angestiegen, gleichzeitig weitet sich die Inflation in viele andere Wirtschaftssektoren aus", sagte EZB-Chefin Christine Lagarde. "Deshalb mussten wir entschlossen handeln."
Wieso dämpft ein höherer Leitzins die Inflation?
Dahinter steht eine Lehre aus der Volkswirtschaft: Steigende Zinsen bremsen die Kreditnachfrage, weil es teurer wird, sich Geld zu leihen. Das führt wiederum dazu, dass der Konsum sinkt und die Preise dann nicht mehr so stark steigen. Das klingt erstmal gut. Höhere Zinsen haben aber zwei Seiten – und deshalb hat sich die EZB ihre Zinsschritte auch so schwer gemacht. Denn wenn Kredite teurer werden, investieren Unternehmen weniger. Damit besteht das Risiko, die Konjunktur abzuwürgen.
Allerdings hängt die Höhe der Inflation nicht allein vom Leitzins und den Zinsenscheidungen der EZB ab: "Die Teuerungsrate wird auch von anderen wirtschaftlichen Faktoren wie zum Beispiel den Importpreisen für Energie beeinflusst", erklärt Finanzexpertin Carmen Stephan. Der Ukraine-Krieg und die Abhängigkeit von Russland bei der Gasversorgung sind hier entscheidende Faktoren. Explodierende Energiekosten wiederum verteuern die Produktion in vielen Fabriken und auch den Gütertransport - das wiederum verteuert auch die Waren in den Geschäften.
Wird die Inflation jetzt gestoppt?
Und was bedeutet all das für unseren Alltag? Unter hohen Preisen leiden wir alle. Nun sinken die Zinsen, aber die Energiekrise bleibt – deshalb werden die Preissteigerungen jetzt eher nicht zum Stillstand kommen. Auch die Prognose der EZB selbst ist da pessimistisch. Demnach dürfte die Inflation deutlich höher ausfallen als vor drei Monaten erwartet. Die Fachleute der Zentralbank gehen für das laufende Jahr nun von einer durchschnittlichen Teuerungsrate in der Euro-Zone von 8,1 Prozent aus. Noch im Juni lautete die Prognose auf 6,8 Prozent. 2023 werde die Inflation dann voraussichtlich bei 5,5 Prozent liegen und 2024 dann auf 2,3 Prozent sinken. Die Zentralbank stellte bereits weitere Zinserhöhungen in den nächsten Monaten in Aussicht.
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Mit einem weiteren Anstieg der Inflation rechnet auch Emanuel Mönch, Professor für Geldpolitik und Finanzmärkte an der Frankfurter School of Finance & Management. "Das hängt einerseits mit den wahrscheinlich weiter steigenden Energiepreisen zusammen. Andererseits hat sich die seit einigen Monaten stark angestiegene Inflation schon in deutlich erhöhten Inflationserwartungen niedergeschlagen, die nunmehr Gewerkschaften wie zum Beispiel die IG Metall antreiben, deutlich höhere Löhne für ihre Mitglieder zu fordern." Emanuel Mönchs Einschätzung: Wenn die Lohnkosten steigen, werden die Unternehmen das wiederum an ihre Kund:innen weitergeben und damit die Inflation weiter befeuern.
In den Geschäften, beim Tanken sowie bei Strom und Gas mussten wir in den vergangenen Monaten immer tiefer in die Tasche greifen. Die Inflation trifft uns aber unterschiedlich stark – je nachdem welche Produkte wir kaufen, ob wir ein Auto haben oder mit Gas heizen. Hier kannst du deine persönliche Inflation berechnen:
- Persönlicher Inflationsrechner des Statistischen Bundesamts
Was sind Zinsen eigentlich?
Einfach ausgedrückt sind Zinsen der Preis für geliehenes Geld. Wenn ich mir von der Bank Geld leihe, muss ich einen Preis dafür zahlen. Andersherum verhält es sich, wenn ich Geld auf ein Bankkonto einzahle – dann leihe ich meiner Bank Geld. Dafür, dass ich das Geld eine Zeit lang meiner Bank überlasse, erhalte ich Zinsen.
Der Zinssatz ist der Prozentsatz, den das Geld aufs Jahr gerechnet kostet. Je höher er ist, desto lieber überlasse ich meiner Bank das Geld. Und umso teurer wird es für mich, mir Geld zu leihen, also einen Kredit aufzunehmen.
Was bedeutet der höhere Leitzins für unsere Finanzen?
Wer ein Plus auf dem Konto hat, für den gibt es gute Nachrichten. "Die Zinsen auf Spareinlagen wie Tagesgeld werden steigen und sich von dem Nullniveau der letzten Jahre lösen. Auch ist zu erwarten, dass Banken absehbar keine Strafzinsen mehr von ihren Kunden verlangen werden", sagt Emanuel Mönch.
Erleben wir die Rückkehr der Zinsen?
Dürfen wir uns auf ein Revival des Sparbuchs freuen? Lohnen sich Tages- und Festgeld bald wieder? Christina Bannier ist Professorin für Banking & Finance an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Ihre Einschätzung: "Der Zinsschritt der EZB wird sich vermutlich erst verzögert auf die Spar- und Anlagenzinsen auswirken." Und selbst dann dürfte sich die Freude in Wahrheit in Grenzen halten. "Auch wenn ein anziehender Zins die Sparer freuen wird, sollte man sich hier nicht täuschen: Die hohe Inflation frisst die höheren Zinsen derzeit komplett auf. Der Zins müsste schon wesentlich mehr steigen und die Inflation drastisch sinken, damit Sparer hier wirklich einen spürbar positiven, realen Effekt erfahren würden."
Der Preis des geliehenen Geldes
Bei den Kreditzinsen geht es üblicherweise schneller, dass die Banken die höheren Zinsen weitergeben. Geld leihen wird definitiv teurer. Das trifft Unternehmen in der Regel stärker als die Verbraucherinnen und Verbraucher, da sie häufiger Kredite aufnehmen oder aber höhere Summen an liquiden Mitteln anlegen müssen, erklärt Finanzmarktexperte Emanuel Mönch. Dadurch sind indirekt natürlich auch die Arbeitnehmer:innen betroffen, deren Arbeitsplätze letztlich von den Unternehmen abhängen. Für die Entwicklung der Wirtschaft könnten die höheren Zinsen zum Bremsklotz werden.
Platzt der Traum von den eigenen vier Wänden?
Steigende Kreditzinsen kommen auch Eigenheimbesitzer:innen in die Quere, die ihre Immobilie noch abbezahlen und umschulden müssen sowie allen, die von den eigenen vier Wänden träumen. Wer in den vergangenen Monaten eine Finanzierung abgeschlossen hat, musste bereits höhere Zinsen bezahlen. Das dürfte so weiter gehen, denn "Baukredite werden auf jeden Fall auch in Zukunft teurer werden", sagt Expertin Carmen Stephan. Damit könnte es auch Verschiebungen am Markt geben. "Mittelfristig wird das einen gewissen Preisdruck auf die Immobilienmärkte mit sich bringen, sodass Preise für Immobilien in einigen Regionen Deutschlands fallen könnten."
Aktienmarkt leidet
Womit müssen Investorinnen jetzt rechnen? Bei Zinserhöhungen gerät der Aktienmarkt tendenziell unter Druck. Das ist aber kein Grund, nun eilig umzuschichten oder aus Aktien auszusteigen. "Aktien und Aktienfonds sind immer langfristige Investments, wichtig ist international in allen Aktienmärkten, insbesondere USA und auch in Asien zu investieren", sagt Carmen Stephan. Die Finanzberaterin und frühere Fondsmanagerin rät, jetzt weniger in Wachstumswerte zu investieren, also in Firmen, die einen hohen Finanzierungsbedarf haben, da diese Firmen nun höhere Zinsen zahlen. "Tendenziell würde ich eher solide Dividendenwerte bzw. Investmentfonds oder ETFs auf internationale Dividendenwerte kaufen."
Mit der Zinswende rücken auch andere Anlageformen wieder stärker in den Blick, allerdings sollte man hier nichts überstürzen. Carmen Stephans Tipp: "Ich würde noch nicht von Aktien in festverzinsliche Anlagen umschichten, sondern weitere Zinserhöhungen abwarten. Steigende Zinsen bedeuten immer fallende Kurse bei den festverzinslichen Anleihen."
Für dich zusammengefasst
Höhere Zinsen machen Geld leihen teurer – das ist gut für Sparende und schlecht für Menschen und Unternehmen, die Kredite benötigen. Die Zinserhöhung kann die Inflation nicht ausschalten, im besten Fall aber etwas abbremsen. Wir werden es in unserem Alltag also weiter mit steigenden Preisen zu tun haben. Ein Grund mehr, uns um unsere Finanzen zu kümmern und unser Budget im Griff zu haben.
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