Mit steigenden Preisen leben wir nun schon seit einigen Monaten. Die Inflation erreichte zuletzt Rekordwerte. Jetzt gerät auch die Wirtschaft ins Stocken. Wird aus Stagnation und Inflation nun Stagflation? Und was ist das eigentlich?
Die Inflation ist schon da – und zwar mit Rekordwerten. Schlimmer noch: Nun kommt die Teuerung auch wirklich bei uns allen an. Nicht nur Energie wird teurer und wir merken das besonders beim Sprit an der Tankstelle oder beim Gas. Auch die Preise für Produkte des täglichen Lebens wie Butter oder Speiseöl – wenn letzteres überhaupt noch im Supermarktregal zu finden ist – ziehen an. Sogar der Discounter Aldi setzt massive Preiserhöhungen an – zuletzt bei Wurst, Fleisch und Butter.
Im März lag die Inflationsrate in den USA bei fast acht Prozent. Im Euro-Raum zogen die Preise um 7,5 Prozent an, in Deutschland um 7,3 Prozent.
Was ist Inflation?
Ein Wert für die Preissteigerung. Das Wort stammt aus dem Lateinischen und heißt wörtlich übersetzt „aufblasen“ oder „aufblähen“. Um die Inflation zu berechnen, vergleicht man den Preis für einen Warenkorb mit ganz bestimmten Produkten mit dem Preis, den man ein Jahr zuvor dafür bezahlt hat.
Schuld an der Teuerung sind vor allem die Energiepreise. Die waren schon zu Beginn dieses Jahres hoch. Der Krieg in der Ukraine hat die Situation noch einmal verschärft: Seit Kriegsbeginn haben sich Öl, Gas und Kohle kräftig verteuert, denn Russland ist ein wichtiger Exporteur.
Teure Energie trifft uns alle
Wenn Tanken und Heizen aber auch Strom teuer werden, trifft das (fast) jede:n von uns. Aber auch der Wirtschaft machen hohe Energiepreise zu schaffen. Die Produktion wird kostspieliger – und das besonders in Energie-intensiven Branchen wie zum Beispiel Chemiewerken. Der russische Angriff auf die Ukraine hat aber auch Lieferketten durcheinander geworfen und sorgt für viel Unsicherheit. Der Krieg und seine wirtschaftlichen Folgen sind seit Wochen das alles bestimmende Thema an den Börsen. Wie sehr leidet die Konjunktur? Der Sachverständigenrat, der die Bundesregierung in wirtschaftlichen Fragen berät, hat seine Wachstumsprognose für 2022 kürzlich von 4,6 auf 1,8 Prozent gesenkt.
Und nun noch die Stagflation?
Damit deutet sich genau das an, was Fachleute als Stagflation bezeichnen: Die Wirtschaft wächst nicht mehr und die Preise steigen. Die Stagflation ist also die Kombination aus Stagnation und Inflation.
Ausgelöst wird eine Stagflation in der Regel durch einen Angebotsschock. Zu Zeiten der Ölkrise in den 70er Jahren waren es die plötzliche Verknappung der Öl-Lieferungen und die steigenden Preise dafür.
Die Angst vor der Lohn-Preis-Spirale
Besonders gefürchtet ist die Lohn-Preis-Spirale, die sich im Falle einer Stagflation zu drehen beginnen kann. Viele Verbraucher schränken ihren Konsum ein, die Nachfrage sinkt. Weil alles teurer wird, fordern die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften höhere Löhne. Aus Sicht der Arbeitnehmer ist das logisch, denn wie sollen sie sonst ihren Lebensunterhalt bestreiten? Höhere Lohnkosten wiederum machen es für Unternehmen noch teurer, ihren Betrieb fortzusetzen. Setzt sich diese Spirale aus Lohn- und Preissteigerungen erst einmal in Gang, ist es gar nicht so leicht, sie anzuhalten.
Was hilft gegen Stagflation?
Im Grunde gibt es zwei Ansätze, um die Stagflation wieder loszuwerden. Und darüber, welcher besser hilft, sind die Expert:innen sich nicht einig.
Eine Möglichkeit ist es, Unternehmen zu entlasten. Das geht zum Beispiel über Steuer-Erleichterungen. Das mindert den Kostendruck und die Firmen müssen ihre Preise nicht so sehr anheben. Die Frage ist, in welchem Umfang Unternehen gestützt werden müssten und ob der Staat sich das leisten will.
Eine andere Möglichkeit sind höhere Zinsen. Das wiederum hilft der Wirtschaft nicht – im Gegenteil. Investitionen werden gebremst, weil Kredite teurer werden. Und wenn die Zinsen steigen, sparen die Menschen mehr und konsumieren weniger.
Zinsen hoch oder runter?
Die Notenbanken, die über den Leitzins das Zinsniveau steuern, stecken deshalb in einer Zwickmühle. Man könnte auch sagen: Egal, was sie machen, es ist verkehrt. Wollen sie die schwächelnde Konjunktur stützen und die Stagnation beenden, müssten sie die Zinsen senken oder eben niedrig halten. Wollen sie die Inflation einfangen, gilt eine Erhöhung des Leitzinses als wichtigste Maßnahme.
Die US-Notenbank Fed hat sich bereits für den ersten Zinsschritt entschieden: Sie hat ihren Leitzins raufgesetzt auf eine Spanne von 0,25 bis 0,5 Prozent. Die EZB noch nicht. Aber mittelfristig, sind sich die Experten einige, dürften die Zinsen steigen – die Zeit des ganz billigen Geldes neigt sich dem Ende entgegen.
Wie fangen höhere Zinsen die Inflation ein?
Die Idee, die dahintersteht: Höhere Zinsen führen zu weniger Investitionen, weil Kredite teurer werden, und zu weniger Nachfrage, weil Sparen wieder attraktiver ist. Die gedrosselte Nachfrage soll wiederum die Preise dämpfen. Wird weniger gekauft, setzen Unternehmen ihre Preise herunter, um ihre Produkte loszuwerden. Zum anderen indirekt über Löhne: Denn wenn weniger gekauft wird, brauchen Unternehmen weniger Arbeitskräfte. Die Arbeitslosigkeit nimmt zu – und der Spielraum, höhere Löhne auszuhandeln, wird für die Menschen, die einen Job haben, geringer. Wenn die Löhne nicht weiter steigen, nimmt damit auch hier der Kostendruck ab und die Unternehmen müssen ihre Preise nicht unbedingt erhöhen.
Und was bedeutet das für Anleger:innen?
Stagnation und Inflation setzen Unternehmen zu und machen sich in Kurseinbrüchen an der Börse bemerkbar. Wie Anleger:innen die durchstehen, haben wir hier mit Blick auf den Ukraine-Krieg beschrieben.
Steigt der Leitzins, verändert aber auch das die Situation an Börsen massiv. In Zeiten von Null- und Negativzinsen galten Aktien häufig als "alternativlos“. Mit steigenden Zinsen werden Anleihen, aber auch Tages- und Festgeld wieder attraktiver. In der jetzigen Situation raten Experten, eher vorsichtig zu sein: Weil es gut möglich ist, dass die Zinsen in Zukunft steigen, sollten Sparer:innen ihr Kapital derzeit nicht länger als zwei Jahre in Festgeld anlegen. Denn ansonsten können sie von zukünftig höheren Zinsen nicht profitieren.
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