Krieg, Inflation, Gasknappheit – Krisen beeinflussen auch deine Finanzen. Wie du trotzdem einen kühlen Kopf bewahrst und bei aller Unsicherheit die Kontrolle behältst, verrät Stephanie Luzon, Expertin beim Finanz-Start-up Vivid.
Graut es dir gerade auch vor dem Blick auf deine Finanzen? Vielleicht ist dein Depot tiefrot, weil die Werte diverser Aktien abgerauscht sind, oder du rutscht in den Dispo, weil auf einmal alles so viel teurer ist. Das liebe Geld war schon immer einer der größten Stressfaktoren der Deutschen. Und die aktuelle Lage hat die Sorgen für die meisten noch größer werden lassen. Gerade wir jüngeren Menschen, haben noch nie erlebt, dass Dinge so schnell so viel teurer werden. Der Begriff Inflation fühlt sich mit Blick auf die Supermarktrechnung auf einmal sehr real an.
Warum wird alles teurer?
Laut der offiziellen Zahlen vom Statistischen Bundesamt liegt die Inflation gerade bei 7,9 Prozent. Das bedeutet: Wenn du dir vor kurzem noch für 100 Euro 100 Kugeln Eiscreme kaufen konntest, bekommst du für das gleiche Geld im nächsten Monat nur 92 Kugeln. Vielleicht ein blödes Beispiel, aber was für Eiscreme gilt, gilt eben auch für Benzin, Gas zum Heizen oder Kochen und Lebensmittel aller Art - wobei die Preissteigerungen bei den einzelnen Produkten unterschiedlich stark ausfallen. Die Gründe für den Preisanstieg sind vielfältig. Durch die Corona-Pandemie sind die Lieferketten durcheinander geraten, weil viele Containerschiffe ihre Zielhäfen zum Teil nicht mehr erreichen konnten. Deshalb konnten viele Produkte nicht mehr produziert werden oder wurden nicht nachgeliefert. Dadurch wurden sie knapper. Und wenn etwas knapp wird, wird es teurer.
Stephanie Luzon ist Expertin beim Finanz-Start-up Vivid und erklärt den Kund:innen regelmäßig komplexe finanzielle Zusammenhänge. Vivid vereint als Finanzplattform alle täglichen Bedürfnisse rund um das Thema Geld in einer App. Das Unternehmen wurde 2019 in Berlin gegründet.
Putins Krieg in der Ukraine hat das jetzt noch verschärft. Produkte aus der Ukraine wie Weizen oder Sonnenblumenöl fehlen auf dem Weltmarkt. Gleichzeitig wird das Gas teurer, weil die EU keines mehr von Russland kaufen will, und Russland gleichzeitig die Lieferungen runterfährt. Und da Gas für die Industrie und fürs Heizen gebraucht wird, steigen unzählige weitere Produkte im Preis.
Wie du auch jetzt deine Finanzen im Griff behältst
Trotzdem ist das kein Grund, in Panik zu geraten. Es gibt immer noch viele Dinge, die du selbst kontrollieren kannst, auch wenn es wirtschaftlich drunter und drüber geht. Mit diesen 7 simplen Manövern behältst du die Kontrolle über deine Finanzen und schaffst dir Freiraum im Kopf für andere Dinge.
1. Berechne deine ganze persönliche Inflation
Inflation trifft jeden – aber es fühlt sich für jeden anders an. Die Teuerungsrate ist ein Durchschnitt. Das bedeutet, dass sie dich und jeden einzelnen individuell sehr unterschiedlich betreffen kann. Was dir helfen kann, ist deine individuelle Inflation herauszufinden. Diese persönliche Rate hängt davon ab, was täglich in deinem Einkaufswagen landet und ob du zum Beispiel dein Auto betanken musst. Wer seine Einkäufe verfolgt, der erkennt die Preissteigerungen in einzelnen Bereichen und kann somit auch das Einsparpotenzial ablesen. Wenn bestimmte Lebensmittel teurer werden, kann ein Wechsel auf eine ähnliche, aber günstigere Marke einen großen Unterschied machen. Du willst nicht auf Bio-Lebensmittel verzichten? Versuch es mal mit den Bio-Eigenmarken der Bio- und Supermärkte. Du brauchst ein neues Outfit oder dein Laptop ist kaputt? Kleidung und Elektronik können auch gebraucht gekauft werden. Und bei Auto und Heizung führt ein sorgsamerer und sparsamer Umgang zu weniger Ausgaben. Das Schöne: Diese Maßnahmen sind auch gut für deinen CO2-Abdruck und ein Beitrag zum Klimaschutz.
2. Investitionen bringen Wachstum
Grundsätzlich soll Investieren das Geld vermehren. Das gilt natürlich nicht immer und ist je nach Anlageform auch mit Risiko verbunden, wie die Entwicklung und der Einbruch der Kryptowährungen gerade zeigt. Aber selbst in turbulenten Zeiten wie diesen ist eine langfristige Anlage die beste Möglichkeit, um deine Ersparnisse wachsen zu lassen. Wer einen monatlichen Sparplan verfolgt, der übersteht schwankende Zeiten meist besser.
Dazu ein Rechenbeispiel aus der Vergangenheit:
Wer im Krisenjahr 2007 10.000 Dollar investiert hätte, für den hätte es bis 2013 gedauert, bis er nach dem Börsencrash wieder 10.000 Dollar erreicht hätte. Wer sein Geld stattdessen in monatliche Raten aufgeteilt hätte, bei dem wären 2013 schon 13.600 Dollar in der Kasse.
3. Kontrolliere, was du kontrollieren kannst
In unsicheren Zeiten wächst der Wunsch nach Sicherheit und Rücklagen. Dabei hilft ein Polster für schlechte Zeiten. Wenn die Dinge außer Kontrolle geraten, dann sollte man sich auf das konzentrieren, was man kontrollieren kann. Wir alle können die Auswirkungen des Krieges und die Entwicklung der Inflation nicht ändern. Was wir aber tun können ist, uns für einen plötzlichen Einkommensausfall längerfristig abzusichern. Halte dir Punkt 1 vor Augen und schau einmal in welchen Bereichen du etwas Geld abzwacken kannst. Das, was du übrig hast, sparst du an. Und bedenke: Kleinvieh macht auch Mist. Auch 50 Euro jeden Monat können auf Dauer eine gute Rücklage bilden.
4. Nicht täglich das Konto checken
Hör auf, jeden Tag angestrengt auf deinen Kontostand oder dein Depot zu schauen. Dadurch wird sich nichts ändern. Aber vielleicht verschlimmern: Dieser tägliche Blick auf das Portfolio oder den Kontostand kann noch mehr Ängste auslösen, weil er täglich an Dinge erinnert, die Sorgen bereiten. Viel besser ist es, zweiwöchentlich oder monatlich eine Zeit festzulegen und sich dann einen Blick auf beides zu erlauben. Wer es genau wissen will, der kann alle Zahlen in einer Tabelle oder in einem Notizbuch festhalten. So kannst du trotzdem dein monatlich zur Verfügung stehendes Budget und alle Investitionen transparent verfolgen.
5. Gönn dir ein Taschengeld
Manchmal muss man sich auch etwas Gutes tun und auch spontan für etwas Schönes Geld ausgeben. Denke deshalb auch an dein Taschengeld und plane nicht komplett auf letzter Rille. Ein Guthaben für spontane Anschaffungen klingt nicht gerade nach einer finanziell vernünftigen Entscheidung, aber es kann einen großen Unterschied machen, wenn der Budgetplan ansonsten strikt eingehalten wird. Wer noch Puffer hat, der sollte sich jeden Monat einen kleinen Betrag zur Seite legen und dieses Geld für Impulskäufe oder andere schöne Dinge ausgeben. Auf diese Weise kannst du Dampf ablassen und bist weniger gestresst, wenn Du dich ansonsten an dein Budget hältst.
6. Nebenjob für mehr Sicherheit
Wer mehr Geld benötigt, der kann seinem Arbeitgeber auch mal fremd gehen. Wenn du deinen Job nicht wechseln kannst oder möchtest und keine Gehaltserhöhung in Aussicht hast, dann kann dir Nebenjob neue finanzielle Möglichkeiten bieten. Als Freiberufler zu arbeiten oder einen Einzelhandels- oder Gastrojob für die Abende oder Wochenenden zu finden, kann einen großen Unterschied bezüglich des Budgets ausmachen. Wenn du daran gewöhnt bist, die Cents bis zum nächsten Gehaltsscheck zu zählen, werden sich ein paar zusätzliche Scheine doppelt gut anfühlen.
7. Behalte den Horizont im Blick
Wer sich mit Finanzthemen befasst, der kennt den Begriff der Volatilität. Gemeint ist die Schwankung von Preisen, Aktienkursen oder ganzen Märkten in einer kurzen Zeitspanne. In aller Kürze bezeichnet es das unkalkulierbare Risiko der Anleger. Und die größte Lüge der Volatilität ist, dass das, was jetzt passiert, immer passieren wird. Uns muss bewusst sein, dass die aktuellen Entwicklungen der Preise und der Inflation nicht normal, sondern ein Ausnahmezustand sind. Es könnte sein und es ist zu erwarten, dass die für uns gewohnte Normalität noch eine Weile auf sich warten lässt. Langfristig jedoch neigen volatile Zeiten dazu, sich auch irgendwann wieder zu beruhigen. Das erscheint dir vielleicht jetzt in der stressigen und angespannten Situation unglaubwürdig. Wenn du aber jetzt einen kühlen Kopf bewahrst, musst du an deinem individuellen Fünfjahresplan gar nicht viel ändern.
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