Sicherlich zeigen wir alle manchmal nicht die Gefühle, die eigentlich gerade in uns sind. Vor allem in der Arbeitswelt ist das häufig sogar gewünscht oder gehört zum guten Ton. Doch ist dieses aufgesetzte Verhalten überhaupt noch zeitgemäß – oder doch schon längst überholt?
Erwischst du dich auch manchmal bei dem Gedanken: "Diese Person war komisch, immer so gut drauf, findet jeden und alles toll. Das geht doch gar nicht." Stimmt, wir Menschen haben eine Bandbreite an Gefühlen und Emotionen – zum Glück. Trotzdem zeigen wir oft nicht, wie wir uns wirklich fühlen. Wir verstecken uns hinter einer Fassade, setzen ein fröhliches Gesicht auf, auch wenn wir gar nicht fröhlich sind. Wieso eigentlich? Unsere Gefühle helfen uns zu kommunizieren und unserem Gegenüber darzulegen, wir es uns geht. Die Psychologie rät zu offener Kommunikation, um echte Beziehungen eingehen zu können. Warum wird genau das vor allem in der Arbeitswelt so gerne unterbunden?
Vorgetäuschte Gefühle steigern nicht den Umsatz
Das Ziel von vorgetäuschten Gefühlen ist es, das Gegenüber in eine bestimmte Richtung zu lenken, oder ihm eine angenehme Atmosphäre darzulegen. In vielen Betrieben wird genau dieses Verhalten gewünscht – insbesondere im Kontakt mit Kund:innen, die durch eine positive Wohlfühl-Atmosphäre zum Kaufen animiert werden sollen. Aber funktioniert diese "Masche" überhaupt noch? Wir können in den meisten Fällen sehr schnell erkennen, ob unser Gegenüber etwas vorspielt oder nicht. Denn oft sind die Verhaltensweisen sehr übertrieben dargestellt und passen nicht zur tatsächlichen Situation. Aufgesetzte Freundlichkeit wirkt also häufig eher unglaubwürdig auf die Kund:innen und schreckt sie ab.
Vortäuschen erwünscht?
Ein sehr bekanntes Beispiel für solch extremes Verhalten sind Hotels mit vielen Sternen. Man ist dort an dieses gekünstelte Verhalten gewöhnt oder erwartet es sogar. Wir sehen es dort als normal an, obwohl wir genau wissen, dass vieles vorgespielt ist. Wir stellen uns schick angezogenes Personal vor, das uns mit einem Lächeln die Koffer abnimmt, auch wenn es fünf Uhr morgens ist, oder uns mit allen möglichen Services den Aufenthalt verschönert und dabei immer ein zufriedenes Gesicht zeigt. Uns ist sehr bewusst, dass der Person höchstwahrscheinlich nicht immer nach Lächeln zumute ist. Indirekt zahlen wir den hohen Preis für eine Übernachtung auch, um ständig von allen Seiten angelächelt und behandelt zu werden, als könnten sich die Bediensteten nichts Schöneres vorstellen, als uns Tee zu bringen oder unser Zimmer zu putzen. Die Mitarbeitenden haben alle dieses "Resting-Smile-Face“, was auch oft eher roboterartig rüberkommt als angenehm.
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Surface Acting ist ungesund
Beim Surface Acting werden die eigenen Gefühle überspielt und den Mitmenschen meist positive Gefühle vorgetäuscht. Da der nonverbale Ausdruck von Gefühlen nicht so leicht zu beeinflussen ist, wie das verbale Verhalten, entsteht ein Widerspruch von erlebten und dargestellten Gefühlen. Wirklich gesund kann das nicht sein. Unser Körper merkt, dass die vorgespielten Gefühle nicht echt sind und es kann uns wahnsinnig erschöpfen, stundenlang Emotionen vorzuspielen. Unsere Laune verschlechtert sich automatisch, weil wir sogenannte Emotionsarbeit geleistet haben – zusätzlich zum eigentlichen Job. Oftmals führt das zu erhöhtem Stress und Traurigkeit. Also genau zum Gegenteil von dem, was wir sein sollen und wollen. Wie wäre es, wenn dieser Druck in der Arbeit wegfallen würde und wir uns wie echte Menschen verhalten könnten? Das Lächeln, wenn es von uns selbst kommt, wäre viel verlockender für Kund:innen als roboterähnliche Gestalten.
Geheimwaffe - Authentizität
Von Vorteil wäre es, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass sich die Mitarbeitenden nicht zum Lächeln zwingen müssen, sondern wirklich so empfinden. Authentisches Verhalten kommt auch bei Kund:innen gut an. Es wirkt im Vergleich zur erzwungenen Fröhlichkeit viel erfrischender und natürlicher – und lohnt sich sogar wirtschaftlich. Ein:e Kund:in, die oder der sich im Geschäft wohl und ehrlich beraten fühlt, zeigt eine viel größere Kaufbereitschaft. In Zeiten von Effizienz und Langlebigkeit wäre doch genau das ein Erfolgsrezept. Personalkosten könnten eingespart werden, denn zufriedene Mitarbeiter sind seltener krank, und der Umsatz würde steigen, weil sich die Kund:innen wohlfühlen. Win-Win.
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