Selbstzweifel sind in Krisen normal, sich komplett infrage zu stellen nicht. So behältst du dein Selbstvertrauen.
Selbstzweifel trotz positivem Mindset
Sie hängen überall in unseren Küchen, über unseren Betten und Schreibtischen, diese weisen Sprüche: „Denke positiv und dein Leben wird sich verändern.“ Oder: „Neues Mindset, neues Ich.“ Mindset ist wohl der Trendbegriff des achtsamen Lebens. Wird schon alles, wenn wir nur daran glauben! Bloß fühlen wir uns eher wie Spielbälle äußerer Umstände, die wir nicht beeinflussen können. Die Pandemie hat uns das noch deutlicher gemacht. Und gerade deshalb gilt jetzt: Selbstzweifel schwächen uns, Selbstvertrauen hilft uns, resilient zu werden.
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Unsicherheit schafft Selbstzweifel
Unsere Pläne, Jobs, Privatleben sind instabil; Kündigungen, Krankheiten, Trennungen oder andere unvorhersehbare Lebensereignisse haben die Macht, uns völlig aus der Bahn zu werfen.
Für viele ist die unterschwellige Angst, dass ihr Leben jederzeit in sich zusammenfallen könnte, weil sie sowieso für nichts gut genug sind, eine konstante Begleiterin.
Lea Birke, EMOTION-RedakteurinTweet
Die Selbstzweifel nagen an uns, zerfressen uns von innen wie ein Marder die Schläuche eines Autos, bis von unserem Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen nicht mehr viel übrig ist.
Über 70 Prozent leiden unter extremen Selbstzweifeln
In ihrer Extremform nennt man diese Selbstzweifel 'Hochstaplersyndrom' – und daran leiden ganze 70 bis 80 Prozent der Menschen weltweit.
Wir alle zweifeln
Laut Autorin und Hochstaplersyndrom-Expertin Dr. Valerie Young ist eine große Hürde bei der Arbeit an unserem Selbstwert der Irrtum, dass wir mit unseren Zweifeln, Befürchtungen und Unsicherheiten allein seien.
Viel zu leicht bleibe man in dieser Negativspirale aus chronischer Selbstunterschätzung, zerstörerischen Vergleichen und der Diskrepanz von Selbst- und Fremdwahrnehmung stecken.
Krisen verstärken negative Denkmuster
Wenn wir uns in einer Krise befinden, verschärft unser Geisteszustand häufig eine ohnehin herausfordernde Situation, und unsere Reaktion auf ein Problem wird problematischer als das Problem selbst. Wir verfallen in Selbstzweifel.
In einer Studie des Harvard Law Review haben 58 Prozent der Befragten angegeben, ihre Aufmerksamkeit oft nicht regulieren zu können und ihren Geist leicht in eingefahrenen Mustern und negativem Denken herumwandern zu lassen.
Wenn die eigene Reaktion problematischer ist als das Problem selbst
In Krisenzeiten verschärft sich diese Tendenz; unsere Psyche wird umso mehr von obsessivem Denken sowie von Gefühlen der Angst und Hilflosigkeit gefesselt. Bleibt der Kopf in diesem Zustand stecken, beginnt eine schmerzhafte Kettenreaktion. Das nagt am Selbstvertrauen und lässt uns schneller an uns zweifeln.
Wir können niemals alles kontrollieren
In einem buddhistischen Gleichnis fragt der Buddha einen Schüler: „Wenn eine Person von einem Pfeil getroffen wird, ist es schmerzhaft? Und wenn sie von einem zweiten Pfeil getroffen wird, ist es dann noch schmerzhafter?“ Was, denkst du, ist die Antwort? Schon so viel: Beide Pfeile sind absolut menschlich und werden uns samt ihrer Verletzungen immer wieder treffen, da brauchen wir uns nichts vorzumachen.
Situationen ohne Selbstzweifel begegnen
Was wir brauchen, ist ein sicherer Kern, der verhindert, dass uns jede neue Krise, jeder Fehler, jeder umgeworfene Plan vollkommen in unseren Grundfesten erschüttert. So leicht gesagt und so schwer umzusetzen, wenn wir das Gefühl haben, der Lauf der Dinge befindet sich vollkommen außerhalb unserer Kontrolle, macht aus uns machtlose Zuschauer*innen. Doch das stimmt nicht ganz. Es gibt etwas, das wir kontrollieren können, und das ist unsere Reaktion darauf.
Selbstvertrauen will trainiert werden
Und das bringt uns zurück zum Mindset: Natürlich brauchen wir Optimismus um die Selbstzweifel auszumerzen!
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Eine gesunde Portion davon zeigt uns, dass wir uns unseres Könnens bewusst sein dürfen, realistisch, aber zuversichtlich. Was wir dafür brauchen, sind Resilienz und ein gefestigtes Selbstvertrauen.
Selbstvertrauen vs. Selbstbewusstsein
Das heißt nicht automatisch, dass wir immer selbstbewusst sind. Genauso ist ein gesundes Selbstbewusstsein auch nicht immer gleichbedeutend mit besonders viel Selbstvertrauen. Aber beide sind Bestandteile eines stabilen Ich-Gefühls, das man trainieren kann.
Übung macht die Meisterin
Der Schlüssel liegt darin, die Inhalte unserer Gedanken und Überzeugungen zuerst zu identifizieren, uns unserer Stärken bewusst zu werden und dann lösungsorientiert zu denken.
Raus aus der Opferrolle
So verlassen wir die Opferrolle und verlegen den Fokus auf Dinge, die wir können und auch beeinflussen können. Wir erkennen: Der größte Teil des Doomsday-Szenarios und unserer Selbstzweifel spielen sich gerade lediglich in unseren Köpfen ab. Genau diese Erkenntnis ist es auch, die sich vielleicht in etwas Produktives verwandeln lässt.
Die Macht der Gedanken nutzen
Wenn unsere Gedanken tatsächlich so mächtig sind, uns in dem Maße negativ zu beeinflussen, müsste das doch auch in die positive Richtung funktionieren, oder?
Sprich mit dir, wie mit deiner besten Freundin
Es kann helfen, sich einmal im Spiegel anzusehen und sich darin zu betrachten wie eine gute Freundin. Würden wir mit ihr jemals so hart sprechen wie mit uns selbst? Nein, wir würden ihr ihre Stärken aufzeigen, sie an ihren Selbstwert und ihre Erfolge erinnern, so lange, bis auch sie erkennt:
„Ich weiß, was ich kann und dass ich zu etwas gut bin. Krisen können mich nicht vollkommen erschüttern.“ Das ist etwas, das wir uns einrahmen und über unser Bett hängen sollten.
Lea BirkeTweet
Wir haben die Wahl
Die Antwort auf die Fragen im buddhistischen Gleichnis ist übrigens diese: „Im Leben können wir den ersten Pfeil nicht immer kontrollieren. Der zweite Pfeil jedoch ist unsere Reaktion auf den ersten. Und mit diesem zweiten Pfeil kommt die Möglichkeit der Wahl.“
Dieser Artikel erschien zuerst in der EMOTION 09-10-/2020.
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