Kennst Du das? Sobald du im Job vor einer Herausforderung stehst, werden deine Knie weich, deine Hände feucht und dein Herz fängt an zu rasen. Business Coachin Nicole Wehn erklärt, was diese Angst bedeutet und wie du sie überwindest, um endlich wieder in deine Fähigkeiten zu vertrauen.
Angst hat seine Berechtigung
Angst zu verstehen ist ein sehr komplexes Thema. Sie ist tief verwurzelt in unserer Entwicklungsgeschichte als Spezies. Das Wissensmagazin Spektrum definiert Angst als "Emotionen, die bei einer Bedrohung (oder der bloßen Vorstellung davon) auftreten.” Es ist also überhaupt nicht verwunderlich, dass wir bei der bloßen Vorstellung, vor den Kolleg:innen eine Präsentation zu halten oder beim nächsten Kundentermin zu verkaufen, Schnappatmung bekommen. Auch wenn wir bereits Expert:innen auf unserem Gebiet sind, sind die Erinnerungen an Situationen in der Kindheit, in der man das Gefühl hatte, nicht gut genug zu sein, sofort wieder präsent.
Angst ist dabei allerdings kein Bösewicht, sondern hat eine absolute Daseinsberechtigung, da sie unser Überleben sichert. Das mag dramatisch klingen, ist aber tief verankert im ältesten Teil unseres Hirns. Wenn die Angst einsetzt, hat der denkende Teil unseres Hirns keine Kontrolle mehr und wir laufen auf Autopilot. Diese Erkenntnis ist für viele meiner Kundinnen ein AHA-Moment: Sie können in einem Angstmoment gar nicht anders. Der Körper reagiert, auch wenn man sich noch so viele positive Affirmationen vorbetet, denn die Angst sitzt tief im Unterbewusstsein.
Versagensängste im Job: Woher kommt die Angst?
Wer schon mal in der Schule von seinem Lehrer vorgeführt wurde, in der Pause von anderen ausgelacht oder ausgeschlossen wurde, der kennt die Angst vorm Versagen. In unserer Leistungsgesellschaft ist schließlich alles, was nicht erfolgreich ist, direkt mit Versagen gekoppelt. Keiner möchte ein:e Versager:in sein. Die Angst vor der Meinung anderer und nicht gut genug zu sein, löst dabei diese körperliche Reaktion aus. Viele Menschen ziehen sich zurück, sagen zu großen Möglichkeiten nein oder treten erst gar nicht an.
Was Deine Komfortzone mit Deiner Angst zu tun hat
Wenn Du nun aber erkannt hast, dass diese Ängste dahinter liegen und Du dennoch den tiefen Wunsch verspürst, Dich aus Deiner Komfortzone zu bewegen und weiter im Leben, im Job oder im Business zu kommen, passiert etwas Wunderbares. Du hast die Wahl, durch diese unangenehme Situation durch zu gehen. Das machst Du, indem Du der Angst Raum und Aufmerksamkeit schenkst und dadurch ihre Macht nimmst. Da reicht oft schon die Wahrnehmung und das Spüren der Angst im Körper. Dadurch bist Du in der Lage, zu erkennen, ob Dein Leben in Gefahr ist oder Du einfach weitergehen und das vermeintliche Risiko eingehen willst. Aus der Komfortzone kommst Du nur raus, wenn Du die Entscheidung triffst, sie zu verlassen und es dann tust. Aus Erfahrung weiß ich, dass Wachstum nur außerhalb der Komfortzone passiert.
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Wie kann man Ängste ablegen?
Neben dem mutigen Schritt, die Komfortzone zu verlassen, gibt es mehrere Techniken, die Dir dabei helfen können, die Energie der Angst zu einem Antrieb zu transformieren.
- Die erste Technik, die ich meinen Kund:innen empfehle, ist “Journaling”. Dabei empfehle ich, sich selbst die Frage zu stellen, was mir die Angst sagen möchte und was das Schlimmste ist, was passieren kann. Dann folgt im Anschluss daran die Frage, ob das wahr ist. Das ist für die meisten Menschen ein absoluter Augenöffner.
- In der Situation selbst bietet sich eine Atemtechnik an: 4-mal tief durch die Nase einatmen und durch den Mund ausatmen. So kann sich das Nervensystem beruhigen. Außerdem kannst du so Ruhe in deine Gedanken bringen.
- Eine weitere Technik, die ich gerne bei mir, meinen Kund:innen und sogar meinen Kindern anwende, ist die Emotional Freedom Technique, eine Variante der Klopfakupressur. Diese Technik hilft ab der ersten Anwendung dabei, gestaute Energien und Emotionen abfließen zu lassen. Entwickelt wurde sie nach dem 2. Weltkrieg, um Kriegsveteranen die Angst zu nehmen. Dabei klopfen wir an diversen Akkupressurpunkten im Körper, während wir Sätze wiederholen, die die Angst wiedergeben. Im Prozess geht es darum, die Angst zu fühlen und durch das Klopfen abfließen zu lassen. Danach geht es in die Wunschvorstellung, indem wir auch da reinfühlen und kontinuierlich klopfen. Diese Methode ist sanft und dabei sehr kraftvoll und meine absolute Lieblingsmethode im Coaching. Aber es ist natürlich keine Zaubermethode – auch hier gibt es viele Schichten, die man Session für Session abtragen kann, um immer tiefer zu gehen.
Sollte die Angst weiterhin lähmend Dein Leben beeinflussen, empfehle ich Dir, einen Therapeuten oder eine Therapeutin aufzusuchen, um tieferliegende Traumata zu bearbeiten und zu lösen.
Wie Du lernst, an Dich und Deine Fähigkeiten zu glauben
Viele Menschen kennen ihren Selbstwert nicht. Falls du dazugehörst, schreib‘ Dir 50 Dinge auf, die Du in Deinem Leben bereits gelernt hast. Das kann alles von der Ausbildung bis hin zu Hobbies sein. Dazu gehört die Kindererziehung ebenso, wie beispielsweise töpfern oder Schach spielen. Wenn Dir klar ist, was Du alles kannst, kannst Du Dir in Angstsituationen diese Liste rausholen und Deine Expertise richtig fühlen. Mit sich selbst liebevoll und wertschätzend umzugehen, ist dabei ebenso wichtig, wie die eigenen Erfolge richtig zu feiern.
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