Barbara ist bipolar. Max und sie sind frisch verliebt, als sie aus der manischen Phase in eine Depression rutscht. Ihre einzige Hoffnung: die Liebe zu Max. Hier erzählen die beiden ihre Geschichte.
Barbara Dussler, Schauspielerin, 33
"Wenn ich manisch bin, fühle ich mich, als hätte ich Superkräfte. Ich denke, ich kann alles schaffen, bin charismatisch und energiegeladen, strotze nur so vor Selbstbewusstsein. Jegliche Selbstzweifel sind verschwunden, ich fühle mich wie der tollste Mensch der Welt und strahle das auch aus. Als ich Max kennenlernte, klang eine dieser manischen Phasen gerade ab – und ich fand mich plötzlich in einem verliebten Rauschzustand, der mein manisches Höhenflug-Gefühl noch verlängerte.
Auf dem Papier klingt das erst mal toll – und so fühlte es sich in dem Moment auch an. Aber eine Manie bringt auch viele unangenehme Nebeneffekte mit sich. Wenn ich manisch bin, bin ich nicht nur wahnsinnig selbstbewusst, sondern eben auch arrogant und egoistisch. Ich höre anderen Menschen nicht mehr zu und stoße sie vor den Kopf. Wenn es besonders schlimm ist, kann es auch psychotisch werden. Ich habe mir mal eingebildet, dass ich die neue 'Tatort'-Kommissarin bin und ein großer Star werde. Ich habe daraufhin in drei unterschiedlichen deutschen Städten Wohnungen angemietet und mich hoch verschuldet. In meiner schlimmsten Manie schlief ich sechs Monate lang so gut wie gar nicht.
Nach einer Manie sind Körper und Geist so ausgelaugt, dass man unweigerlich in eine Depression fällt – vom Höhenflug in den katastrophalen Absturz. Das ist dann auch mit Max’ und meiner Beziehung passiert. Nur ein paar Monate, nachdem wir uns kennenlernten, wurde ich depressiv, kam nicht mehr aus dem Bett, verlor meinen Job am Theater und befand mich plötzlich in diesem Nebel, der mich lebensunfähig machte. Ich wusste nicht mal mehr, wie man einen Tee kocht.
Max war damals mein Retter – oder zumindest habe ich das gehofft. Er hat mir alles abgenommen, mich gepflegt, anders kann man es nicht sagen. Ich habe so sehr daran geglaubt, dass unsere Liebe reicht, um mich zu retten. Ich dachte: Wenn er mich nur genug liebt, dann wird dieser Zustand schon aufhören. Ein unglaublicher Druck für unsere noch so junge Beziehung. Ich habe mich weiter in die Depression reinziehen lassen, weil ich wusste: Er ist ja da. Gleichzeitig hatte ich aber auch panische Angst, dass er mich verlässt.
Dieses Abhängigkeitsverhältnis war das Todesurteil für unsere Beziehung. Es fehlte uns eine Basis, auf die wir hätten aufbauen können. Als ich mich nach einem Klinikaufenthalt besser fühlte, fing Max an, sich mehr Zeit für sich selbst zu nehmen – eine total gesunde und verständliche Reaktion. Nach dieser totalen Aufmerksamkeit und Liebe, die ich während meiner Depression von ihm bekommen habe, war ich davon aber unglaublich verletzt, fühlte mich im Stich gelassen.
Mittlerweile bin ich seit vier Jahren stabil und weiß, dass man es nur alleine aus einer Depression schaffen kann. Klar braucht man emotionalen Support und professionelle Hilfe, aber retten kann man sich nur selbst. In einer Beziehung die Balance zwischen Unterstützung und Abgrenzung zu finden, ist unglaublich wichtig. Ich glaube, wenn beide das verstanden haben und ihre Gefühle kommunizieren, dann kann man als Paar auch eine Depression überstehen.
Zwischen Max und mir ist durch diese Zeit jedenfalls eine wahnsinnige Nähe und ein Vertrauen entstanden – nur eben nicht als Paar. Das Gute: Wir waren bei unserer Trennung schon so weit von einem Liebespaar entfernt, dass das auch nie wieder im Raum stand. Wir funktionieren viel besser als beste Freunde. Niemand kennt mich so gut wie er. Er ist der Einzige, der meine Dämonen gesehen hat – und ich hoffe, dass er der Einzige bleibt."
Max Eicke, Fotograf, 33
"Auf eine Art hat unsere Beziehung schon manisch begonnen. Als wir 2016 ein Match auf Tinder hatten, waren wir ab dem Moment ein Paar, in dem wir uns zum ersten Mal gesehen hatten. Wir waren schockverliebt, wie im Liebesrausch. Man sagt, dass das Verliebtsein und eine Manie sich ähnlich auf die Hirnchemie auswirken: Beides ist ein High-Zustand.
Die ersten zweieinhalb Monate unserer Beziehung waren super intensiv. Doch dann kam der Einbruch. Von jetzt auf gleich fiel Barbara in ein Loch. Sie hatte Panikattacken. Aus dem Bett kam sie nur noch, um sich im Bad einzuschließen, weil sie sich vor mir geschämt hat. Ihr Handy hat sie wochenlang nicht mehr angefasst. Ich fing an, mich um alles zu kümmern: ging einkaufen, regelte die Kommunikation mit dem Theater, managte ihren Alltag, weil sie es selbst nicht mehr konnte.
Wir zwei gegen den Rest der Welt – so hat sich das angefühlt. Oder eher: Ich allein gegen den Rest der Welt. Denn unsere Beziehung hat sich nicht mehr wirklich nach einem Wir angefühlt. Die Menschen in meinem Umfeld haben mich ermahnt, ich solle auf mich aufpassen. Ich habe ihre Sorgen verstanden, aber für mich hat es sich so angehört, als ob sie mir dazu raten, mich von Barbara zu trennen. Und das kam nicht infrage. Ich dachte: Das ist die Liebe meines Lebens! Ich verlasse sie nicht, nur weil nach drei Monaten ein Orkan aufzieht. Ich war nicht so naiv zu denken, ich könnte sie retten. Es war pragmatischer, eher so: Wenn ich mich nicht kümmere, wer sonst?
Irgendwann habe ich angefangen, mich mal für ein paar Stunden in ein Café zu setzen, um mich um meinen Kram zu kümmern. Ich weiß, dass Barbara Angst hatte, dass ich nicht zurückkomme. Aber mir war damals schon klar, dass es ein Fehler wäre, zu doll zum 'Kümmerer' zu werden. Man rutscht schnell an die Stelle des Therapeuten oder der Therapeutin und wird nicht mehr als Partner wahrgenommen. Ich glaube, ich habe diese Balance ganz gut hinbekommen.
Das einzige, was ich anders machen würde: Ich habe damals einiges zurückgehalten und nicht angesprochen, weil ich Barbara nicht zusätzlich belasten wollte. Ich glaube, es ist für die Beziehung gefährlich, wenn die Depression zur Entschuldigung wird, dem anderen nichts mehr zuzumuten.
Als Barbara aus der Klinik entlassen wurde und es ihr wieder besser ging, begann ich, mich von ihr zu distanzieren. Wir konnten einfach nicht mehr an diese intensive Anfangsphase anknüpfen. Ich glaube, wir waren beide auch sexuell frustriert und brauchten eine Pause voneinander. Unsere Beziehung war zu eng geknüpft an ihre Depression. Ich fühlte mich vom Schicksal betrogen, trauerte dem hinterher, was hätte werden können. Dieses Gefühl hat sich tiefer gefressen und zu unserer Trennung geführt.
Danach herrschte zwischen uns Funkstille – bis Barbara nach ein paar Jahren nach Berlin zog, wo ich auch wohne. Ich war am Anfang distanziert, aber sie steckte sehr viel Energie in diese Freundschaft und so kommt es, dass wir mittlerweile beste Freunde sind. Ich glaube, unsere Freundschaft funktioniert so gut, weil zwischen uns keine sexuelle Anziehung mehr herrscht. Dass wir es noch mal als Liebespaar miteinander versuchen, steht überhaupt nicht im Raum.
Ich frage mich rückblickend, ob wir heute überhaupt so gute Freunde wären, wenn wir diese Zeit nicht zusammen durchgemacht hätten. Ich kann ganz ehrlich sagen: Auch, wenn ich wüsste, was auf mich zukommt, ich würde diese Beziehung genauso noch mal eingehen."
Dieser Artikel erschien erstmals in EMOTION 10/23.
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