Warum müssen Männer Fahrradwege eigentlich zum Kampfgebiet machen?! Unsere Autorin ist tierisch genervt von Typen, die an Ampeln stressen und gefährliche Überholmanöver starten.
"Es ist GRÜHÜÜN!", ruft ein Mann hinter mir an der Ampel. Es folgt aufgeregtes Geklingel. "Leute, bitte LOSFAHREN!!" Die Fahrradkuriere in der vordersten Reihe an der großen Berliner Kreuzung haben den Ampelswitch auf Grün ungefähr eine Sekunde verschlafen, was im Fahrradstau hinter ihnen natürlich direkt für große Empörung sorgt. Als sich der Tross dann in Bewegung setzt, radelt der Oberempörte im Eiltempo an uns anderen lahmen Enten vorbei, in seinem Rennradoutfit hebt er sich aus dem Sattel, dann ist er schon davongezischt und aus meinem Blickfeld verschwunden.
Ich rege mich trotzdem noch eine Weile auf. Warum muss dieser völlig unnötige Verkehrsstress auf dem Fahrradweg immer sein, nur um zwei Sekunden eher am Ziel anzukommen – und warum sind es zu 99 Prozent Männer, die diesen Stress verursachen?!
Im Ernst: In der Großstadt mit dem Rad unterwegs zu sein, ist bisweilen eine nervenaufreibende Sache. Auf den Radwegen wird gedrängelt, links und rechts überholt, abgedrängt, eiskalt über Rot gefahren, selbst an den größten und gefährlichsten Kreuzungen, außerdem muss man achtgeben, nicht von den Lastenrädern umgerissen zu werden. Und meiner persönlichen Erfahrung nach sind es nun mal wirklich meistens Männer in wahlweise Jan-Ullrich-Gedächtnisaufmachung (btw: über ihn gibt’s grad übrigens eine ganz interessante Doku in der ARD Mediathek) oder in Skinny Jeans plus Fixie-Kombi, die es offenbar sehr, sehr, sehr eilig haben im Leben.
Warum zwingt Ihr mir Eure Hektik auf?
Es ist ja nicht so, als ob ich mich nicht schon selbst über lahme Radler:innen geärgert hätte. Dennoch frage ich mich: Muss die eigene Vorstellung von Geschwindigkeit echt allen anderen Verkehrsteilnehmer:innen aufgezwungen werden? Wie kommt man überhaupt auf die Idee, sich herauszunehmen, andere Menschen in ihrem Alltag unnötig in Hektik, Aufruhr und ja, bisweilen Panik zu versetzen?! Zumindest bin ich schon mehrfach fast vom Fahrrad gefallen vor Schreck, wenn mal wieder ein Terrorklingler an mir vorbeiraste.
Entschuldigung, aber dieses Verhalten stellt doch eine absolute Dreistigkeit dar, die mich auf mehreren Ebenen aufregt. Erstens sind die Überholmanöver oft schlicht gefährlich. Und zweitens drückt sich in der Drängelei so ein klischeehaft männliches Ignoranzverhalten aus, dass ich eigentlich nicht fassen kann, wie man selbst nicht bemerken kann, dass man sich gerade aufführt wie der Hallodri in einer 50er-Jahre-Heinz Erhardt-Komödie: Platz da, hier komme ich, ein Mann, ich hab’s sehr eilig, bin sehr wichtig und darauf müssen alle anderen Rücksicht nehmen!
Rücksichtnahme ist nicht nur auf dem Fahrradweg gefragt
Mir ist natürlich bewusst, dass jemand wie ich, der mit einem 35 Jahre alten Kettler-Rad rumgurkt, von der Fahrradraser-Community eh nicht ernst genommen wird. Und ich weiß auch, dass es wahrscheinlich leider nullkommanichts bringt, im Fahrradkrieg empört zurückzuklingen und wie eine wütende Alman-Anette meinen Fahrradhelm-Kopf zu schütteln.
Daher habe ich zu dem Thema meinen Freund befragt, selbst ambitionierter Rennradfahrer mit Fast&Furious-Mentalität, bis sein Heiligtum aus dem Keller geklaut wurde. Es stellte sich heraus: Die rücksichtslosen Fahrradraser nerven ihn im Alltag genauso wie mich!! Zitat: "Vor allem, wenn sie sich an der Ampel noch unbedingt nach vorne schlängeln müssen, damit auch alle verstehen, dass sie die Schnellsten sind."
Was man dagegen unternehmen könnte, wusste er aber auch nicht. Ich kann also an dieser Stelle nur dazu anregen, sich immer mal wieder zu fragen, ob man Zeit, Raum und Nerven anderer Menschen nach dem Prinzip des "Stärkeren" einfach so für sich beschlagnahmen kann. Ich finde: nein!!
Und das gilt übrigens nicht nur auf dem Fahrradweg.
Dieser Text ist zuerst im Newsletter der Autorin erschienen.
Mehr Themen: