2020 bekam Tanja Bülter die Diagnose Brustkrebs. Seitdem hat sich ihr Leben grundlegend verändert. Über ihre Erkrankung spricht die TV-Journalistin offen – auch mit EMOTION.
Im Oktober hat Moderatorin und Autorin Tanja Bülter immer besonders viel zu tun. Der Monat wird auch Pinktober genannt, ein Name, den die American Cancer Society 1985 ins Leben gerufen hat, um weltweit auf die Vorbeugung und Erforschung von Brustkrebs aufmerksam zu machen. Auch Tanja Bülter kämpfte gegen die Erkrankung – und gewann. Ihre Geschichte schrieb sie im Buch "Brust raus: Wie ich den Krebs besiege und dabei ICH bleibe" auf.
Der 51-Jährigen ist es wichtig, ihr Wissen mit anderen Krebspatient:innen zu teilen. Seit Jahren engagiert sie sich für die Nonprofit-Organisation Pink Ribbon und ist Botschafterin der Deutschen Krebshilfe. Im Zuge des Pinktobers sprach Tanja Bülter mit uns über ihren Kampf gegen den Brustkrebs – und wie sich ihr Leben seitdem verändert hat.
EMOTION: Wie hast du herausgefunden, dass du Brustkrebs hast?
Tanja Bülter: Ich habe tatsächlich selbst den Knubbel in der Brust gefühlt, als ich unter der Dusche stand. Deswegen kann ich allen Frauen nur raten: Tastet euch regelmäßig ab! Im Netz gibt es ja genug Anleitungen und auch die Deutsche Krebshilfe bietet hilfreiche Informationen.
Wie hast du auf die Nachricht reagiert?
Die Diagnose lautete: triple-negativer Brustkrebs. Das ist eine sehr aggressive Tumorart mit hohem Rezidivrisiko (Rückfallrisiko). Das war der größte Schock meines Lebens. Als Mutter war mein erster Gedanke: Was ist mit meinen Kindern? Meine Tochter war damals sieben, mein Sohn zwölf. In dem Moment bricht einfach alles über dir zusammen. Die ersten Tage danach habe ich wie in Trance gelebt. Ich habe irgendwie funktioniert, aber war im Schockzustand, wie betäubt.
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Wie haben deine Kinder deine Krebsdiagnose verkraftet?
Ich war von Anfang an sehr offen mit ihnen und wollte ihnen nichts verschweigen. Das war auch gut so. Die beiden hatten während meiner Behandlung ihre kleinen Jobs, meine Tochter hat meine Pflaster ausgewechselt, mein Sohn Kochen gelernt, wenn es mir schlecht ging. Für die Kinder war das psychologisch ganz wichtig, dass sie das Gefühl haben: Wir können etwas tun, damit es Mama besser geht.
Sind die Menschen in deinem Umfeld nach der Diagnose anders mit dir umgegangen?
Ja, viele haben mich wie ein rohes Ei behandelt. Aber die, die mir nahestanden, wussten, dass ich kein Mitleid will. Ich wollte nicht die Aussätzige sein, auf die man jetzt Rücksicht nehmen muss.
Wie hast du es geschafft, positiv und optimistisch zu bleiben?
Ich habe Dinge gemacht, von denen ich wusste, dass sie mir guttun, zu denen ich mich aber auch überwinden musste. Yoga zum Beispiel, oder Spaziergänge, selbst im tiefsten Berliner Winter, der ja sehr schrecklich und kalt sein kann. Danach ging es mir immer besser. Zwischendurch hatte ich Phasen, in denen ich total Lust auf Pommes hatte. Das habe ich mir dann gegönnt – auch drei Portionen hintereinander.
Dein Buch heißt "Brust raus", da schwingt auch Humor mit – eine Bewältigungsstrategie für dich?
Ja, definitiv. Man darf auch lachen, wenn man Krebs hat – soll man sogar! Das macht was mit dem inneren Gefühl, wenn man lacht und dem Leben zugewandt ist. Als ich in Behandlung war, habe ich mit meinen Kindern so viel Spaß gehabt. Ich muss sagen, unterm Strich war das eine sehr ausgelassene Zeit, auch wenn es natürlich Moment gab, in denen es mir nicht so gut ging.
Wie bist du, trotz der Diagnose, du selbst geblieben?
Ich wusste von Anfang an, dass ich den Krebs nicht zum Mittelpunkt meines Lebens machen wollte. Deswegen habe ich zum Beispiel meinen Job weiter ausgeführt, zwar teilweise mit letzter Kraft, aber das hat mir gut getan. Es war mir wichtig, andere Themen in meinem Leben zu haben und nicht 24/7 an den Brustkrebs und den möglichen Tod zu denken.
Du hast den Krebs ja Gott sei Dank besiegt, das ist jetzt ein Jahr her. Wie war der Moment, als du realisiert hast, dass der Kampf vorbei ist?
Das werde ich ganz oft gefragt, auch privat im Freundeskreis. Komischerweise ist dir nach dieser Zeit nicht zum Feiern zumute. Der Schock sitzt zu tief. Ich weiß noch, wie ich mit meinen Freundinnen Regina Halmich und Tina Ruland damals im Urlaub saß. Die beiden meinten: Lass uns das feiern! Das konnte ich nicht. Ich bin sehr froh darüber und demütig, dass es mir besser geht, aber es gibt nicht diese Partystimmung. Es ist eher eine Art Erleichterung.
Inwiefern hat sich dein Leben verändert, seit du den Krebs besiegt hast?
Ich kümmere mich mehr um mich selbst, was ich vor der Diagnose immer hinten angestellt habe. Und ich bin in vielerlei Hinsicht gelassener geworden. Früher hatte ich eine genaue Vorstellung davon, wie mein Leben auszusehen hat. Das habe ich losgelassen. Das ist ja das Ding, wenn einmal das Leben so durcheinandergewürfelt wurde: Man erringt eine gewisse Leichtigkeit und eine Dankbarkeit. Ich genieße die Zeit mit meinen Kindern, würde gerne noch mal eine Weltreise machen. Bei meiner ersten 2019 habe ich vieles für selbstverständlich genommen, meine Gesundheit und die Kraft, die ich hatte. Ich schaue heute ganz anders auf das Leben.
"Schönheit ist für mich eine gesunde, glückliche Frau"
Hat sich auch dein Blick auf deine Weiblichkeit verändert?
Ich hatte am Anfang große Schwierigkeiten, die Narben, die ich von den Operationen habe, zu akzeptieren. In meinen Augen waren sie ein Störfaktor, der nicht ins klassische Schönheitsbild gepasst hat. Irgendwann habe ich mich gefragt: "Tanja, was ist überhaupt Schönheit?" Für mich ist das eine gesunde, glückliche Frau. Das ist die schönste Art, Weiblichkeit auszustrahlen. Meine Narben sind ein Teil von mir und das ist gut so.
Welche Rolle spielt der Krebs heute noch in deinem Leben?
Ich habe nach diesem Interview einen Termin für eine Mammographie, insofern schon noch eine große Rolle. Alle drei Monate gehe ich zur Nachsorge. Aber ich kann den Krebs an bestimmten Tagen auch gut ausblenden.
Hast du Angst, dass er wieder zurückkehrt?
Die Angst bleibt immer. Die kann ich auch nicht ganz ausblenden, das muss ich ehrlich sagen. Ich tausche mich häufig mit anderen Krebspatient:innen aus und Geschichten von einem Rückfall höre ich immer wieder. Es ist manchmal echt schwierig, sich das anzuhören.
Trotzdem gehst du so offen mit deiner Erkrankung um. Wieso ist dir das wichtig?
Das gehört für mich dazu. Ich sehe es als meinen Job an, meine Erfahrungen und mein Wissen mit den Frauen zu teilen, die das gleiche durchmachen wie ich. Ich weiß ja, wie es ist, wenn man keine:n Ansprechpartner:in hat. Ich hoffe, mein Buch ist eine Hilfestellung für einige.
Ist das auch der Grund, wieso du Botschafterin für die Deutsche Krebshilfe bist?
Ja, es ist total wichtig, dass man in dem Moment, in dem man die Diagnose bekommt, jemanden findet, der oder die einen unterstützt. Die Deutsche Krebshilfe hat all diese Informationen gebündelt. Mir ist es wichtig, dass alle wissen: Es gibt da eine Organisation, die hinter euch steht. Oftmals kann man den Ärzt:innen einfach nicht folgen. In diesen Situationen jemanden zu haben, der oder die mich aufklärt und mir hilft, die nächsten Schritte zu planen, ist ganz, ganz wichtig. Deswegen sollte man sich an die Deutsche Krebshilfe wenden, sobald man eine Krebsdiagnose erhält.
Was würdest du gerne den Frauen sagen, die gerade die Diagnose Brustkrebs bekommen haben?
Die Deutsche Krebshilfe ist ein sehr guter Ansprechpartner für alle Betroffenen. Hier bekommt ihr Informationen, Beratung und Beistand. Außerdem ist es ganz wichtig, dass ihr euch nicht aufgebt! Der Kopf spielt eine riesige Rolle bei der Krankheit. Mir hat ein Arzt gesagt: "Frau Bülter, wir können alles für Sie tun, aber wenn Sie im Kopf nicht mitarbeiten, ist es auch für uns schwierig." Egal ob Meditieren oder Rumtoben mit den Kids: Findet eure Tools, die euch besser fühlen lassen!
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