Sie redet, er unterbricht: Wenn Männer Frauen ins Wort fallen, nennt man das "Manterrupting". 5 Tipps, wie du dich im Alltag dagegen wehren kannst.
Manterrupting: Frauen werden häufiger beim Reden unterbrochen als Männer
Niemand wird gerne mit beim Reden unterbrochen. Das ist nicht nur unhöflich, sondern signalisiert auch wenig Wertschätzung gegenüber dem /der Gesprächspartner:in. Wer anderen ins Wort fällt, kommuniziert indirekt auch immer: Das was du sagst, interessiert mich gerade nicht. Oder: Ich weiß es doch eh viel besser als du. Trotzdem passiert es immer wieder. Frauen werden häufiger unterbrochen als Männer – und vor allem auch von Männern. Verschiedene Studienergebisse legen dieses Verhalten vor allem im Arbeits- und Universitätskontext nahe:
- Männer unterbrechen Frauen zu 23 % häufiger, als sie andere Männer unterbrechen (Journal of Language and Social Psychology)
- Männer sprechen im Juraunterricht 144 % häufiger als Frauen (Harvard Studie)
- Männer dominieren 75 % der Unterhaltung in Konferenzen (Brigham Young University and Princeton)
- Frauen werden in Jobinterviews häufiger unterbrochen (Studie der Universities of California and Southern California)
Natürlich: Auch Frauen unterbrechen ihre Gesprächspartner:innen und auch Männer unterbrechen Männer. Die Zahlen zeigen nur ganz klar: Die Situation, dass Männer Frauen ins Wort fallen, kommt statistisch am häufigsten vor.
Prominente Beispiele für Manterrupting
Ein paar Beispiele für Manterrupting (= "man" und "interruption") gefällig? Die gibt's, sogar ganz schön prominente. In der Öffentlichkeit sind es häufig Politikerinnen, die von ihren männlichen Kollegen und unterbrochen werden und die sich ihren Redeanteil zurück "erkämpfen" müssen. Aktuelles Beispiel: Beim ersten TV-Triell der Kanzlerkandidat:innen entgegnete Annalena Baerbock (Die Grüne) ihrem Konkurrenten Armin Laschet (CDU): "Sie hatten gerade das Wort, jetzt bin ich glaube ich dran", als dieser sie mitten im Satz unterbrach. Auch US-Vizepräsidentin Kamala Harris musste sich bei der TV-Debatte im Oktober 2020 mit den Worten "Mr. Vice President, I'm speaking!" gegen den damaligen Vizepräsidenten Mike Pence wehren, der sie ständig unterbrach. Weitere prominente Beispiele für Manterrupting liefern auch gemeinsame TV-Auftritte von Hilary Clinton und Donald Trump.
Doch man muss sich gar nicht erst große Politik-Debatten ansehen, um Zeugin oder Zeuge von Manterrupting zu werden. Viele solcher Situationen geschehen auch einfach im Alltag, zum Beispiel am Esstisch mit der Familie oder in der Kneipe. Es gibt sogar eine eigens dafür entwickelte App, die das Phänomen adressiert: "Woman Interrupted" soll über das Smartphone-Mikrofon zählen, wie häufig Männer Frauen in Gesprächen unterbrechen.
Manterrupting und Sexismus
Wie lässt sich das Phänomen "Manterrupting" aber erklären? Ist es jetzt sexistisch, wenn Männer Frauen ins Wort fallen? Wenn Frauen durch das Unterbrochen-Werden weniger Redeanteil in Gesprächen zusteht, dann zeugt das von ungleichen Verhältnissen. Wenn eine Frau im Jobinterview häufiger unterbrochen wird, dadurch weniger Möglichkeiten hat, sich selbst zu präsentieren und der Mann am Ende die Stelle erhält, dann ist das ebenfalls keine Gleichberechtigung. Aber: Nicht immer sind solche Verhaltensweisen von Männern bewusst gewählt, sondern Ausdruck langjähriger ungleicher gesellschaftlicher Strukturen zwischen den Geschlechtern, die so sehr verinnerlicht worden sind, dass sie unbewusst geschehen. Und auch Frauen nehmen es daher häufig einfach hin, wenn sie ungleich behandelt werden, weil sie diese Strukturen und Vorurteile unbewusst verinnerlicht haben. Dabei ist es eigentlich umso wichtiger, in solchen Situationen einzugreifen.
Wie kann man sich gegen Manterrupting wehren? 5 Tipps
Einige Kommunikationsexpert:innen und auch die amerikanische Journalistin und Autorin Jessica Bennett ("Feminist Fight Club") haben sich mit dem Manterrupting-Phänomen auseinandergesetzt und nennen Tipps, wie sich Frauen gegen "Manterrupter" wehren können.
1. Standhaft bleiben und Situation ansprechen
Einfach Weiterreden, Augenkontakt suchen und sich nicht von den Unterbrechungsversuchen beirren lassen. Mit einer kleinen Armgeste signalisieren: "Ich spreche jetzt". Oder die Situation direkt ansprechen, z.B. mit einem Satz wie: "Lass mich diesen Gedanken noch zuende führen".
2. Unterstützung leisten
Wer beobachtet, dass eine Kollegin im Meeting von einem Kollegen unterbrochen wird, sollte eingreifen und ihr Unterstützung leisten, zum Beispiel mit Sätzen wie: "Warte, lass sie aussprechen" oder "Mich interessiert, was XY zu sagen hat".
3. Auf die Stimme achten
Laut, deutlich und tief sprechen, das vermittelt Autorität und Stärke. Forscher:innen sagen, dass wir tieferen (also auch männlichen Stimmen) mehr Vertrauen schenken. Wer sich klein macht und leise spricht, wird mit größerer Wahrscheinlichkeit unterbrochen. Außerdem: nicht entschuldigen, bevor man spricht oder die eigene Aussagen von vornherein in Frage stellen ("Ich weiß nicht, ob ich das stimmt, aber...")
4. Dinge auf den Punkt bringen
Laut der Kommunikationstrainerin Isabel Garcia tendieren Frauen dazu, eher emotional zu kommunizieren, während Männer lieber prägnant kommunizieren. Wer sehr ausschweifend erzählt, neigt auch mehr dazu, sich zu verhadern und liefert dadurch mehr Anlass, unterbrochen zu werden. Daher in Meetings die eigenen Anliegen lieber wohl durchdacht und in ihrer Kernbotschaft kommunizieren. Wie wir nach Garcia "Klug denken und klug kommunizieren", verraten wir euch hier nochmal genauer.
5. Auf die Körperhaltung achten
Eine Studie hat herausgefunden, dass sich Männer in Meetings eher nach vorne lehnen und sie dadurch eher weniger unterbrochen werden. Frauen hingegen lehnen sich tendenziell eher zurück und werden dadurch häufiger unterbrochen. Frauen können also auf eine selbstbewusste und autoritäre Körpersprache achten, um zu verhindern, dass sie "manterrupted" werden: Gerade und aufrecht sitzen, beim Reden durch den Raum wandern, einen Arm auf dem Tisch abstützen oder beim Sprechen mit den Fingern auf Gegenstände oder Personen verweisen.
Wichtig ist, überhaupt auf dieses Verhalten zu reagieren und Manterrupting nicht zu ignorieren, wenn es eintritt. Denn wer es toleriert, signalisiert nur, dass es in Ordnung sei, seine:n Gesprächspartner:in zu unterbrechen und trägt dazu bei, dass diese Manier immer weitergetragen wird. Wir müssen Respekt und die Gleichberechtigung, die wir (im Arbeitsumfeld) verdienen, selbst einfordern. Und kommunizieren, wo unsere Grenzen liegen.
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