Selbstüberschätzung: Der Dunning-Kruger-Effekt zeigt, wieso Menschen mit wenig Fachwissen sich selbst häufig über- und andere unterschätzen.
Wer am lautesten schreit, hat nicht immer Recht
Es gibt einige Menschen, die auf bestimmten Themengebieten zwar nicht unbedingt ein ausgeprägtes Fachwissen, aber beinahe immer etwas zu sagen haben. Vielleicht ertappen wir uns sogar manchmal selbst dabei. Dieses Jahr hat uns besonders eindrücklich gezeigt, wie viele Menschen sich überaus selbstbewusst und überzeugt zu komplexen Themen äußern, von denen sie eigentlich keine Ahnung haben.
Selbstüberschätzung: Der Dunning-Kruger-Effekt
David Dunning und Justin Kruger beschäftigten sich in den 90er Jahren mit dem Phänomen der Selbstüberschätzung und untersuchten dabei insbesondere das Verhältnis von Fachwissen und eigener Selbstsicherheit innerhalb einer Thematik. Dabei stellten sie fest: Weniger kompetente Menschen neigen dazu, ihr eigenes Können zu überschätzen und gleichzeitig die Kompetenz anderer zu unterschätzen. Sie sind unfähig, die eigenen Fähigkeiten kognitiv richtig zu beurteilen und halten das eigene Wissen und ihre Leistungen für besser als sie tatsächlich sind. Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt dieses Phänomen.
Raketenwissenschaft in 90 Minuten
Der Eindruck vieler Autofahrer*innen, selbst besser zu fahren als der Durchschnitt, oder Fußballfans, die sich Trainer*innen taktisch überlegen fühlen, sind Beispiele für den Dunning-Kruger-Effekt. Auch die selbsternannten Hobby-Virolog*innen dieses Jahres oder Donald Trump überschätzen sich und ihr Fachwissen gerne mal. In den 80er Jahren behauptete Donald Trump beispielsweise, es würde ihn 90 Minuten kosten, alles über Raketen zu lernen, was es zu lernen gibt. Das meiste wisse er sowieso schon.
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Der "Mount Stupid"
Stellt man die Forschungsergebnisse von Dunning und Kruger grafisch dar, fällt einem sofort der sogenannte "Mount Stupid" ins Auge.
Bei sehr geringem Fachwissen ist die Selbstsicherheit innerhalb einer Thematik am höchsten – sogar höher als bei den Menschen mit dem meisten Fachwissen. Diejenigen, die sich bisher nur oberflächlich mit einer Thematik befasst haben, wissen nicht, was sie alles noch nicht wissen. Sie verstehen die Komplexität des Themas nicht und denken, sie hätten es bereits durchdrungen. Steigt man tiefer in eine Thematik ein und wird sich ihrer Komplexität bewusst, sinkt die Selbstsicherheit schnell. Man merkt, dass man noch lange nicht alles weiß, und neigt nun dazu, die eigene Kompetenz zu unterschätzen. Das macht die Kurve des Mount Stupid umso steiler.
Mit großer Selbstsicherheit kommt großes Mitteilungsbedürfnis
Das Problem, oder sogar das Gefährliche, am Dunning-Kruger-Effekt ist das ausgeprägte Mitteilungsbedürfnis derjenigen, die gerade den Gipfel des Mount Stupid erklommen haben. Ihre Selbstsicherheit führt dazu, dass sie sich selbst Expert*innen überlegen fühlen und ihr Wissen auch nach außen tragen wollen. Dafür sind das Internet, und vor allem soziale Medien, das perfekte Ventil. Denn dort kann die geballte (In-)Kompetenz des Mount Stupid kundgetan werden, Fakten werden nicht überprüft und so kommen Fake News und Verschwörungstheorien zu ihren mitunter enormen Reichweiten.
Der Durchschnitt denkt, überdurchschnittlich zu sein
Menschen, die sich selbst derart überschätzen, machen das in der Regel nicht mit Absicht. Sie können die eigenen Fähigkeiten auch dann nicht besser beurteilen, wenn man ihnen soziale Vergleichsinformationen vorlegt. Das führt zu einer Art "Meta-Ignoranz", also einer Unwissenheit über das Unwissen.
Je inkompetenter eine Person ist, desto weniger ist sie fähig, diese Inkompetenz zu erkennen
Die Inkompetenz setzt damit eine fatale Kettenreaktion in Gang: Aufgrund mangelnden Wissens oder mangelnder Fähigkeiten wird eine schlechte Entscheidung getroffen, die aber nicht als solche erkannt wird. Erhält dieser Jemand nun eine kritische Rückmeldung zu seiner Leistung, reagiert er/sie gekränkt und ist nicht bereit, etwas zu verändern – schließlich kann man kaum Verbesserungspotenzial bei sich selbst erkennen. Geringes Fachwissen gepaart mit hoher Selbstsicherheit führt also nicht nur zu schlechten Leistungen, sondern auch zur Unfähigkeit, sie als schlecht zu erkennen.
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