Im Interview mit Emotion sprach Meg Wolitzer über ihr neues Buch "Das weibliche Prinzip", über Feminismus, Vorbilder und Frauen in der Literatur.
Liebe Meg Wolitzer, was hat Sie inspiriert "Das weibliche Prinzip" zu schreiben?
Meg Wolitzer: Ich war an verschiedenen Sachen interessiert. Zum einen war das weibliche Power, Frauenfeindlichkeit, aber auch, etwas von Bedeutung zu erschaffen. Zum anderen fand ich es spannend, mich mit einer Figur zu beschäftigen, die man trifft, die etwas in einem sieht und die dein Leben verändert.
Sie meinen Faith Frank, eine ältere Feministin, die eine Art Mentorin für die Hauptperson Greer wird. Greer ist zunächst noch am College, später arbeitet sie für LOCI, Faith Franks feministische Stiftung.
In Faith Frank findet sich vieles von Gloria Steinem wieder, ein bisschen abgestuft natürlich. Als ich ein Kind war, hat Gloria Steinem Sachen getan und gesagt, die ich bei niemandem sonst gesehen hatte. Die zweite Welle des Feminismus wurde dafür kritisiert, nicht inklusiv genug zu sein, aber ich denke, dass solche Bewegungen sich anpassen und ändern können. Der Feminismus, den wir heute sehen, hat Themen, die sehr wichtig sind.
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Wie sind Sie Feministin geworden?
Zum einen durch meine Mutter, die Schriftstellerin ist. Sie hat in den 70er Jahren viel Hilfe von anderen Frauen bekommen, die auch geschrieben haben. Niemand sonst in dem Ort, wo wir lebten, hat geschrieben. Die meisten Mütter waren Hausfrauen, die Väter arbeiteten. Meine Mutter aber begann damit und ich war damals sehr stolz auf sie. Als ich 13 oder 14 war, gründete ich zusammen mit Freunden eine Gruppe mit dem Namen "A Consciousness Raising". Wir haben uns getroffen und über sehr persönliche Dinge geredet und ich habe "Ms. Magazine" gelesen. Alles Gründe, eine lebenslange Feministin zu werden.
Erzählt zu bekommen, was man tun muss, weil man zu dem einen Geschlecht gehört, halte ich für falsch.
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Welche anderen feministischen Vorbilder haben Sie?
Da war die Autorin Nora Ephron. Sie war Journalistin und Drehbuchautorin. Der erste Film, bei dem sie Regie führte, hieß "This is My Life" und basierte auf einem Buch von mir. Wir wurden Freunde und sie hat mich immer wieder ermutigt. Nachdem sie vor einigen Jahren gestorben ist, gab es einige Frauen, die sagten, Nora hätte früher ihre Arbeit bewundert und sie unterstützt und dadurch ihre Leben verändert. Genau wie es auch bei Greer und Faith Frank im Buch passiert. Wenn du Interesse an jemandem zeigst, der gerade am Anfang seiner Karriere steht, kannst du bei demjenigen wirklich etwas bewegen. Ich habe das Buch acht Frauen gewidmet und jede von ihnen ist ein Beispiel dafür.
Ihr Buch "Das weibliche Prinzip" wird immer mit der MeToo-Bewegung verknüpft. Wie ist das für Sie?
Meine Leser dürfen nicht erwarten, dass das Buch die Bewegung korrekt und tiefgehend schildert, denn dann werden sie enttäuscht sein. Ich habe bereits vor vier Jahren begonnen, das Buch zu schreiben, als es #metoo als Bewegung noch gar nicht gab. Wenn es ein Grund ist, über mein Buch zu reden, ist das natürlich trotzdem großartig.
Meg Wolitzer
Das weibliche Prinzip
DuMont, 24,00 Euro
Greer Kadetsky, eine schüchterne Studentin, trifft im College auf Faith Frank, eine Ikone der Frauenbewegung, die ihr Leben verändern wird...
Das Buch beginnt damit, dass Greer an ihrer Uni sexuell belästigt wird. Haben Sie so etwas selbst erlebt?
Nein, das habe ich nicht. Aber es gab einige Situationen, in denen ich mich sehr unwohl gefühlt habe und mein Gesicht ganz heiß wurde wie bei Greer. Ich habe nicht darüber geredet, weil das schwer ist. Ich wollte einen Moment zeigen, den viele Mädchen erleben, wenn sie noch jung sind, in dem sie berührt oder angesehen werden, obwohl sie das unangenehm finden. Sie sind sich nicht sicher, wie sie darüber fühlen dürfen und ob sie das jemanden erzählen können.
Greers Freundin möchte auch für Faith Frank arbeiten. Dazu kommt es allerdings nie, weil Greer deren Bewerbung nicht weiterleitet. Muss man manchmal etwas schummeln oder betrügen, um erfolgreich zu werden, wie das dann bei Greer der Fall war?
Ehrlichkeit hätte natürlich geholfen zwischen Greer und ihrer Freundin. Ich denke nicht, dass Frauen betrügen müssen, wie es hier passiert ist. Aber der herrschende Sexismus in der Welt hat dazu geführt, dass Frauen in bestimmten Positionen, wo ohnehin wenige Frauen arbeiten, das Gefühl haben, sie müssten ihre Position verteidigen. So etwas passiert, weil Frauen so lange herausgehalten wurden. Dabei sollten wir überall dort tätig und repräsentativ sein, wo wir möchten. Leider gibt es immer noch so viele "männliche" Bereiche wie Bankwesen, Finanzen oder Immobilien, wo das eben nicht so einfach möglich ist.
Wenn eine Frau so viel über sich selbst geschrieben hätte wie Knausgard, dann hätte es niemand gelesen.
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Im Buch bleibt Greers Freund Cory zu Hause, pflegt seine Mutter, kocht für sie und putzt. Das sind typische unbezahlte Tätigkeiten, die immer noch hauptsächlich Frauen übernehmen.
Eine Gesellschaft, in der Menschen frei wählen können, auf was sie sich konzentrieren wollen, ist vielleicht eine bessere. Erzählt zu bekommen, was man tun muss, weil man zu dem einen Geschlecht gehört, halte ich für falsch. Meine Mutter war nicht auf dem College, weil ihre Eltern das nicht für wichtig erachteten. Aber sie wurde Autorin und als ihr erstes Buch in den 70ern herauskam, stand in einer der Reviews: "Hausfrau wird zur Schriftstellerin", als wäre es eine unglaublich schockierende Sache. Im Buch übernimmt Cory diese Aufgaben, weil seine Mutter aufgrund einer Familientragödie nicht mehr in der Lage dazu ist. Er wird hier als großer Feminist beschrieben, aber das war nie sein Plan.
Sie haben in Ihrem Essay "The Second Shelf" in der New York Times geschrieben, dass es für Autorinnen schwerer ist als für Autoren, Anerkennung zu erlangen.
Es gibt immer noch üblich, zu Männern für eine bestimmte Art von Autorität aufzuschauen, wenn es um eine wichtige Sache wie ein großes Buch geht. Jemand hat in den USA geschrieben, wenn eine Frau so viel über sich selbst geschrieben hätte wie Knausgard, dann hätte es niemand gelesen. Es wurden in den USA Statistiken veröffentlicht bezüglich Publikationen über Bücher in wichtigen Medien, und es sind immer noch viel mehr Männer als Frauen, die besprochen werden. Es gibt Bemühungen, das zu ändern, aber es wird nicht einfacher dadurch, dass wir in den USA einen frauenfeindlichen Präsident haben.
Sie kritisieren in "The Second Shelf"außerdem, dass Bücher von Frauen oft ein typisches Frauen-Cover bekommen. Sind sie glücklich mit dem Cover von "Das weibliche Prinzip"?
Das bin ich. Cover von Autorinnen und Autoren sehen meist sehr unterschiedlich aus. Auf Büchern von Autorinnen sind oft solche Dinge wie ein kleines Mädchen auf einer Wiese. Diese Art von Cover suggeriert: Dieses Buch ist nur für Frauen, Männer sind daran nicht interessiert. Aber Fiktion ist für jeden interessant, egal ob Mann oder Frau, denn man kann lernen wie andere Menschen leben. Außerdem lehrt Fiktion seinen Lesern Empathie.