Am 14. Oktober 2021 läuft Matthias Schweighöfers neuer Film "Résistance – Widerstand" in den Kinos an. Bärbel Schäfer hat ihn bereits letztes Jahr zum Interview getroffen und mit ihm über seinen neuen Film, seine Musik gesprochen.
EMOTION: Matthias, wie behandelt dich das Leben gerade?
Matthias Schweighöfer: The kids are alright.
Und wie geht es Daddy Matthias?
Alles fein, kann mich nicht beschweren.
Dein zweites Album "Hobby" ist im August 2020 erschienen. Beim ersten Baby sind alle Eltern sehr nervös, und Alben sind für Musiker ja oft wie Kinder – wie fühlt es sich bei deinem zweiten Album an?
Es ist in aller Ruhe entstanden. Wir haben versucht, ein neues Level zu erreichen, trotzdem wird es auch wieder scharfe Kritiker geben, das gehört dazu.
Als Schauspieler kennst du kaum harsche Kritik, ist es neu, das als Musiker zu erleben?
Gegenwind gibt es immer. Es ist schon extrem deutsch, mich nur in der Schublade „Schauspieler“ sehen zu wollen und nicht offen zu sein für meine anderen kreativen Talente. "The Rock" (Anm. d. Red: der Schauspieler Dwayne Johnson, der vorher Wrestler war) sagt: "Make the audience happy" – das ist auch mein Auftrag, ich bin Entertainer. Ist Musik ehrlicher als Schauspielen? Klar, das bin ich! Ich spiele keine Rolle, aus den Songtexten spreche ich, mit meinen Gefühlen und Haltungen zur Welt. Musik hat keine Distanz zu denen, die das hören. Ein Song erzählt immer auch meine Geschichte in drei Minuten. Der Song "Sonnenberg" ist im Spreewald entstanden, ich hab ihn auf der Gitarre eingespielt, es geht um meine glückliche Kindheit in Chemnitz, und mit der Zeile "Lass keine Zweifel ran, ich lauf los in deine Arme" feiere ich die Zuversicht in das Leben.
Du bist im Theater groß geworden, deine Eltern sind ebenfalls Schauspieler, wie hat dich das beeinflusst?
Sie haben in vielen Märchenaufführungen gespielt, was vermutlich meinen Eindruck geprägt hat, dass die Theaterwelt verträumt und märchenhaft ist. Das spiegelt sich auch in "Sonnenberg", dem Song, den ich gerade erwähnt habe. Meine Eltern haben mir Sicherheit und Selbstbewusstsein gegeben. Meine Kindheit war ein positives Paket. Dass ich mutig bin, zweifelsfrei durchs Leben gehe und offen bin für alles, was kommt, liegt vor allem daran.
Ich bringe in jede Produktion mein ganzes Herz mit rein
Matthias SchweighöferTweet
Schreibst du deine Songs selbst?
Ich bin Teamplayer. Das gilt beim Film, wenn ich Drehbücher schreibe, und tatsächlich auch bei meinen Songs. Für einen guten Refrain brauche ich Partner an meiner Seite. Zuerst erstelle ich Demotracks und verschiedene Teams entwickeln sie mit mir weiter. Im Film sind immer die größeren Lebensträume mein Thema, in meinen Songs geht es um das, was mich im Alltag treibt. Ist deine Band dein kreatives Zuhause oder ist das eher dein Filmteam? Nach 25 Jahren im Geschäft ist der Film meine Family. Ich führe ein 200-köpfiges Filmteam und bin da gern der Kapitän. Mit der Band ist es anders, wir erobern uns die neuen Sphären gerade gemeinsam.
Bist du als Produzent streng mit deiner Film-Family?
Ich bringe in jede Produktion mein ganzes Herz mit rein, Achtsamkeit und Dankbarkeit sind wichtig. Ich bin aber auch streng und witzig.
Brauchst du Freundschaften, diese tiefe Vertrauensbasis am Set?
Ja! Ich mag es, wenn wir uns so gut kennen, dass die Kommunikationswege kurz sind, dass wir direkt mit dem kreativen Austausch beginnen können. Aber wenn ich fünfmal die Woche dieselbe Strecke mit dem Auto fahre, nehme ich definitiv am nächsten Tag einen neuen Weg, nur um zu sehen, wohin er mich führt. Ich brauche Abwechslung, um neugierig zu bleiben. Ich stelle auch zu Hause meine Stühle regelmäßig um und wechsle die Wandfarbe. Es geht darum, mich selbst immer wieder wachzurütteln. Dafür muss ich meine Komfortzone verlassen, wie zuletzt beim Dreh mit Zack Snyder in den USA, da kannte ich kaum Leute, das bedeutete, offen zu sein für Neues, für fremdes Terrain.
Warum heißt das Album "Hobby", wenn Musik doch mehr für dich ist als eine Freizeitbeschäftigung?
Ich habe mich gefragt: Wenn ich arbeiten muss, es für uns alle auch mal schwer werden kann im Leben, ich vielleicht sogar mal an der Existenz kratze, was bleibt, wenn all das weg wäre? Was zeichnet mich im Kern als Mensch aus? Womit verbringe ich am meisten Zeit? Was liebe ich von ganzem Herzen? Und warum mache ich dann daraus nicht mehr? Warum gebe ich meinem Hobby nicht mehr Raum? Musik war immer Teil meines Lebens, und jetzt mache ich das professioneller, rücke es mehr in den Mittelpunkt meines Alltags.
Was brauchst du zur Inspiration?
Stille, eine sorgenfreie Zeit und einen guten Einfall.
Was bedeutet Erwachsenwerden für mich mit 39 Jahren, wenn ich mich doch ab und zu immer noch wie 20 fühle?
Matthias SchweighöferTweet
Hast du Sitzfleisch, bis so ein Einfall kommt?
Ich kenne mich gut. Die meisten Ideen kommen mir wirklich beim Laufen. Dein Song „Zeit“ ist ein Aufruf, innezuhalten, hattest du davon nicht genug in den letzten Corona-Monaten? Als Vater merke ich immer wieder, wie gern ich Dinge festhalten würde. Zum Beispiel als meine Tochter nicht mehr mit mir kuscheln wollte. Gerade war es noch so und jetzt – vorbei. Sie wird groß. Was bedeutet Erwachsenwerden für mich mit 39 Jahren, wenn ich mich doch ab und zu immer noch wie 20 fühle? Über so etwas habe ich in „Zeit“ reflektiert. In der Corona-Phase war tatsächlich wenig Luft zum Innehalten. Als Produzent habe ich die Verantwortung sehr stark gespürt. Ich musste Mitarbeitern kündigen, Teams auflösen. Diese Entscheidungen zu fällen war krass und schmerzhaft für mich. Die Firma verkleinern, ein paar Schritte zurückgehen ... Corona war gruselig für unsere Unterhaltungsbranche. Ich bin nicht gut in handwerklichen Tätigkeiten oder so etwas, ich kann nur Unterhaltung, und die Branche war über Wochen tot. Aber ich bin vor Covid-19 auch extrem hochtourig durch mein Leben gerast, ich habe nur noch gehetzt und nach vorne geschaut. Das tat mir nicht gut, das weiß ich heute, nach Corona. Plötzlich hatte ich Zeit, wieder in Ruhe Filme zu schauen, zu lesen, Drehbücher zu schreiben.
Wie war das Homeschooling mit deinen Kindern?
Ich hasse nach wie vor Mathe! Es tut mir so leid für meine Tochter. Es ist einfach auch doof, als Vater dazustehen, deine Tochter weint und du kannst ihr nicht helfen. Ich habe versucht, mich davon nicht stressen zu lassen, und habe mir Hilfe geholt. Oder wir haben den Hefter einfach in die Ecke geworfen und es am nächsten Tag noch mal neu versucht.
Du bist Arbeitgeber, Produzent, du jonglierst mit großen Filmbudgets – und du hast Angst vor Zahlen?
Dafür habe ich doch zwei Partner, die genau das können.
Du scheinst aber Verantwortung zu mögen. Bist du der Typ, der sich bei Elternabenden für das Amt des Elternsprechers meldet?
Ich mag Verantwortung, aber Elternabende sind wirklich speziell, und ich gehe einfach nicht gern in die Schule. Die Mutter meiner Kinder nimmt die Elternabende wahr. Und um ehrlich zu sein, ich bin auch oft weg und drehe.
Empfindest du unsere Vergänglichkeit als schmerzhaft?
Nein, eher bereichernd. Ich kann mir zwar wünschen, wieder jung zu sein, das entspricht aber nicht mehr meiner Realität. Beim Film sehe ich doch, wie die junge Generation anders agiert und dass sie andere Dinge interessiert als mich.
Sägt schon jemand von den Jüngeren an deinem Stuhl, Matthias?
Ich finde es gut, wenn viele sägen, irgendwann müssen die Jungen übernehmen. Mit Jannis Niewöhner, Louis Hofmann haben wir tolle Talente.
Welche Rolle spielt Musik in deinem Alltag?
Musik ist Freude, Kreativität, und sie beamt mich in Stimmungen, die mich unglaublich pushen können. Beim Joggen mit einem guten Song im Ohr, das sind Momente, die ich tief speichere.
Was steht gerade ganz oben auf deiner Playlist?
Meine Kinder bestimmen gerade, dass wir Rammstein und Slipknot hören.
Was war das letzte Livekonzert, auf dem du warst?
Bei RY X im November 2019.
Widerstand funktioniert im großen Wir
Matthias SchweighöferTweet
Am 14.Oktober läuft "Résistance" im Kino an, dein neuer Film. Du spielst Klaus Barbie, der im Zweiten Weltkrieg als Gestapo-Chef in Frankreich für den Holocaust mitverantwortlich war. Barbie wurde auch "Schlächter von Lyon" genannt, weil er eine sadistische Freude daran hatte, Menschen zu quälen. Hast du sofort zugesagt, als die Rolle auf dich zukam?
Der Pantomime Marcel Marceau war im Widerstand, in der Résistance. Er hat mit seiner stummen Kunst über hundert jüdischen Waisenkindern auf der Flucht das Leben gerettet. Die Geschichte hat mich berührt. Marceau wird von Jesse Eisenberg gespielt. Barbie war das Kind eines Alkoholikers, durch die Nazis ist er ein Jemand geworden. Er hat sich zum Sadisten entwickelt und ist selbst nach dem Krieg in Südamerika in dieser grausamen Rolle geblieben, er hatte sich entschieden, ein Täter zu sein.
Barbie hat das bolivianische Militär "beraten", eine zweite entsetzliche Karriere. Viele Täter der Nazizeit sind über die sogenannte "Rattenlinie" nach Südamerika geflüchtet. Der Film erinnert an die "Résistance", was bedeutet Widerstand heute?
Aufstehen, nicht weggucken. Die Dinge, die schief und undemokratisch laufen, laut benennen und nicht stumm akzeptieren. Wir sehen das gerade beim Black-Lives-Matter-Movement in Amerika. Selbst zur Wahlurne zu gehen, kann schon Widerstand bedeuten. Sich immer wieder zu fragen, wofür stehe ich eigentlich ein? Was sind meine Werte? In welcher Welt will ich meine Kinder großziehen? Unsere Egos müssen den Weg nach draußen finden und dürfen sich nicht verkapseln. Widerstand funktioniert im großen Wir. Auch wir müssen aufstehen gegen die AfD, hier bei uns im Land.
Mehr Themen: