Der Bare Minimum Monday ist das Thema der Stunde in der Arbeitswelt, er soll dem kollektiven Stress endlich einen Riegel vorschieben. Es ist ein Lösungsvorschlag, der so einfach und gut scheint – und genau deshalb nicht aufgehen kann, meint unsere Autorin.
Der #BareMinimumMonday ist gerade in aller Munde. Die Quintessenz lautet: Die Arbeit an einem Montag auf das Allernötigste reduzieren, etwa zwei Stunden sollen reichen. Danach gehört der Tag einem selbst, um Dinge zu machen, die einem guttun. So soll dem Phänomen "Sunday Scaries", also der Tatsache, dass viele Menschen sonntags schon schlechte Laune kriegen, weil sie wissen, dass sie am nächsten Tag wieder arbeiten müssen, Vorschub geleistet werden. Die Methode wird teils aber auch als wirksames Mittel gegen den immensen psychischen Stress, den ihr Job vielen Menschen verursacht, gehandelt.
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Der Bare Minimum Monday ist nicht die Lösung
Dass dieser immer größer werdende Stress kein individuelles Phänomen, sondern vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung ist, zeigen Studien und Statistiken der letzten Jahre immer wieder. Psychische Belastungen gehören laut einer aktuellen Erhebung der Techniker Krankenkasse zu den Hauptgründen für Krankheitstage. In einer vorangehenden Studie gaben bereits 47 Prozent der Befragten an, dass der Hauptauslöser für ihren Stress der Beruf, das Studium oder die Schule seien.
Der Bedarf nach konstruktiven Lösungsansätzen ist also da und er wird immer größer. Aber ein Vorschlag wie der Bare Minimum Monday wird diesem Problem nichts entgegensetzen können. Erstmal ist seine Prämisse fehlerhaft. Die besagt nämlich, dass weniger Arbeitszeit automatisch weniger Stress ergibt. Diese Rechnung scheint so aber nicht unbedingt aufzugehen. Eine neue Studie hat herausgefunden, dass es Angestellten, die in Teilzeit arbeiten, damit nicht unbedingt besser geht – im Gegenteil. Teilzeitbeschäftigte fühlen sich demnach insgesamt sogar stärker belastet als Vollzeitkräfte. Doch selbst wenn Teilzeit manch eine:n psychisch entlasten mag – in vielen Unternehmen ist das wegen des Fachkräftemangels und der daraus resultierenden Personalengpässe aktuell ohnehin keine Option.
Warum führen wir Debatten über die Arbeitswelt nicht so, dass sie alle inkludieren?
Außerdem ist die Möglichkeit, den Bare Minimum Monday überhaupt in Erwägung zu ziehen, ohnehin nur den Privilegiertesten der Erwerbstätigen vorenthalten – denen, die ihre Stunden ohne finanzielle Sorgen reduzieren können, die wenigstens flexible Arbeitszeiten und in jedem Fall Schreibtischjobs haben. Denn wie sollte ein Krankenpfleger oder eine Lehrerin spontan entscheiden können, den Montag zum entspanntesten Tag der Arbeitswoche zu erklären und nur zwei bis drei Stunden zu arbeiten? Und damit sind wir beim Problem, das viele Debatten über das Arbeitsleben gemeinsam haben: Sie denken nicht alle mit, sondern im Regelfall nur diejenigen, die zum Arbeiten nicht viel mehr brauchen als einen Laptop. Wie sollen wir echte Umbrüche im Arbeitsmarkt durchsetzen können, wenn wir es nicht einmal schaffen, alle in den Diskussionen darüber zu inkludieren?
Es scheint jedenfalls ein Phänomen unserer Zeit zu sein, dass komplexen Sachverhalten und Problemen mit scheinbar einfach umzusetzenden und wirkungsvollen Lösungsvorschlägen begegnet wird. Für alle maßlos Gestressten, die mit Methoden wie dem Bare Minimum Monday berufsbedingt nichts anfangen können, müssen derartig banale Vorschläge ein Schlag ins Gesicht sein. Dass sich unsere Arbeitswelt und unsere Strukturen angesichts des kollektiven Stresses, unter dem unsere Gesellschaft steht, ändern muss, liegt auf der Hand. Aber das Problem ist komplex. Und umso durchdachter müssen Lösungsansätze dafür sein. Schwammige und triviale Vorschläge bringen uns nicht weiter, sondern geben Arbeitnehmer:innen höchstens das Gefühl, machtlos zu sein oder etwas falsch zu machen, weil sie vom neuesten Jobtrend, der jetzt aber wirklich die Lösung ihrer Probleme sein soll, wieder nichts haben.
Es ist also wieder die alte Leier: Wir sollen unser Schicksal ganz einfach selbst in die Hand nehmen, mit dem richtigen Mindset und zwei, drei smarten Taktiken, die sich irgendwelche TikToker:innen ausgedacht haben, ist der Kampf gegen Erschöpfung und Stress quasi schon gewonnen. Die, die davon rein gar nichts haben, werden einfach ausgeklammert. Irgendwo ist das natürlich auch verständlich. Ein Lifehack wird schließlich ziemlich schnell unsexy, wenn man nebenbei erwähnt, dass er in der Realität kaum umzusetzen ist.
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